Neuwagenverkauf Online: Vorsicht, Stolperschwellen!

Das Angebot von Gebrauchtfahrzeugen über das Internet ist zwischenzeitlich für den Handel Standard. Auch für den Neuwagenhandel bietet das Internet gute Chancen, zusätzliche Kaufinteressenten zu erreichen. Aus Sicht des Kunden ist ein Neuwagenkauf im Internet gegenüber dem Gebrauchtwagengeschäft erheblich weniger risikoreich. Fragen des Fahrzeugzustandes, der Unfallfreiheit und des Verschleißes spielen hier keine Rolle und das Internet bietet eine einfache Möglichkeit zum Preisvergleich zwischen den Anbietern. Erfahrungsgemäß gelten Online-Kunden im Neuwagensegment als besonders preisbewusst. Aus Sicht des Händlers steht den erweiterten Absatzmöglichkeiten die Notwendigkeit gegenüber, mit dem Internetangebot gegenüber Verbrauchern eine ganze Reihe von Formalitäten in Bezug auf Informationspflichten und Widerrufsbelehrung zu erfüllen. Die Widerrufsmöglichkeit des Verbrauchers bedeutet eine Unsicherheit für den Bestand des Kaufvertrages und für eventuelle Sachmängelhaftungsansprüche ist wegen der meist größeren Entfernung der Internet-Kunden ein höherer Aufwand zu kalkulieren. Auf den Verkauf von Neufahrzeugen im Internet zu verzichten ist aber trotz dieser Nachteile keine aktuelle Option. Vielmehr bietet sich an, durch optimierte Gestaltung Fehlerquellen und Nachteile zu minimieren und hierfür erforderlichenfalls auch professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Vorrangig: Vertragsabschluss mit dem Kunden persönlich Im Verbrauchergeschäft empfiehlt es sich dringend, den Vertragsabschluss - wenn irgendwie möglich - bei persönlicher Anwesenheit von Käufer und Verkäufer vorzunehmen. Meldet sich der Interessent auf ein Internet-Inserat, kann nach Abklärung bestehender Fragen beispielsweise ein Termin vereinbart werden mit der Zusage, dass der Kunde das Fahrzeug nach Vertragsunterzeichnung und Bezahlung unmittelbar mitnehmen kann. Dies ist natürlich nur möglich für bereits konkret verfügbare Fahrzeuge. Ist es erforderlich, ein Fahrzeug mit der vom Kunden gewünschten Ausstattung erst zu bestellen, sollte eine solche Bestellung natürlich mit einem Kaufvertrag hinterlegt sein. Hier und in anderen Konstellationen, beispielsweise bei Geschäftsabschluss über einen Internet-Vermittler, gelangt man zwingend zum sogenannten "Fernabsatzgeschäft" mit den vom Händler zu beachtenden Besonderheiten des Verbraucherschutzes. Pflichten beim Fernabsatz Gesetzlich definiert sind Fernabsatzverträge als solche, die ohne gleichzeitige Anwesenheit zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher abgeschlossen werden, wenn für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsabschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden, egal ob es sich um den guten alten Brief, eine Katalogbestellung, Telefon, Fax, SMS, E-Mail, Rundfunk- oder Telemedien handelt. Auferlegt wird dem Unternehmer die Erfüllung umfassender Informationspflichten. Bezogen auf das Angebot von Neufahrzeugen im Internet sind vor Abgabe der Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise folgende Informationen in ausdruckbarer und speicherbarer Form zur Verfügung zu stellen: - die wesentlichen Daten und Eigenschaften des Fahrzeuges, - Name und Anschrift des Verkäufers, Telefon, Fax und E-Mail, eventuelles Handeln in Vertretung, - den Ansprechpartner für Beschwerden, - den Gesamtpreis des Fahrzeuges einschließlich Steuern und Abgaben sowie Fracht-, Liefer- und Versandkosten, - eine ggf. gesonderte Berechnung erhöhter Kosten der Fernkommunikation, - Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen einschließlich geltender AGBs sowie den Liefertermin, - den Hinweis auf das Bestehen gesetzlicher Sachmängelhaftungsansprüche, - das Bestehen und den Inhalt eventueller Garantien, - bei Unterwerfung den einschlägigen Verhaltenskodex und die Zugangsmöglichkeit hierzu, - bei Unterwerfung der Hinweis auf die mögliche Nutzung eines außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahrens nebst Zugangsvoraussetzungen, - das Bestehen eines Widerrufsrechts mit den Modalitäten der Ausübung und Abwicklung, gegebenenfalls auch das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts. Für Finanzdienstleistungen gelten gesonderte Informationspflichten. Es wäre müßig, über Sinn und Unsinn einzelner dieser fest normierten Notwendigkeiten diskutieren zu wollen. Allerspätestens mit der Lieferung muss der Händler dem Verbraucher per dauerhaftem Datenträger (z. B. E-Mail) eine Bestätigung des Vertragsinhaltes zukommen lassen. Soweit vorangehend noch nicht erfolgt, umfasst dies auch die Erfüllung der Informationspflichten einschließlich der Widerrufsbelehrung. Widerruf und Belehrung Zentrales Instrument des Verbraucherschutzes beim Fernabsatz ist der Widerruf und die Belehrung des Verbrauchers hierzu. Der Kunde kann seine Erklärung zum Vertragsabschluss mit einer Frist von 14 Tagen ohne Begründung widerrufen. Ausreichend ist die Absendung der Widerrufserklärung innerhalb dieser Frist. Sie beginnt mit der Übergabe des Fahrzeuges, nicht aber vor ordnungsgemäß erfolgter Widerrufsbelehrung. Nicht nur deshalb ist es wichtig, eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung sicherzustellen. Es empfiehlt sich die Verwendung des vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Musterformulars, welches mit Hilfe der dazugehörigen Bausteinvorlagen zu komplettieren ist. Erfüllt wird damit die Notwendigkeit, den Verbraucher über das Widerrufsrecht, die Einzelheiten der Ausübung und die Widerrufsfolgen umfassend aufzuklären. Im Online-Geschäft mit Neuwagen gilt das Widerrufsrecht ausnahmsweise nur dann nicht, wenn das bestellte Fahrzeug noch nicht vorgefertigt wurde und auf Wunsch des Kunden mit einer besonderen Ausstattung zu versehen ist, beispielsweise mit speziell bezogenen Sitzen, individueller Lackierung oder behindertengerechten Bedienelementen. Eine Konfiguration nach Kundenwunsch aus dem Baukastensystem des Herstellers ist hier im Normalfall nicht ausreichend. Auch auf ein fehlendes Widerrufsrecht ist im Rahmen der Bestellung hinzuweisen. Folgen von Verstößen und Widerruf Verstößt der Händler im Rahmen seines Internet-Angebots gegen die vorgeschriebenen Formalitäten, läuft er erst einmal Gefahr, wegen unlauterer Wettbewerbsvorteile von Anwälten spezialisierter Mitbewerber abgemahnt zu werden. Gegenüber dem Vertragspartner führen Verstöße zu Rechtsverlusten. So können z. B. Liefer- oder Versandkosten bei fehlendem Hinweis nicht geltend gemacht werden. Ganz empfindlich ist die Widerrufsbelehrung. Unterbleibt sie oder ist sie auch nur in einem Punkt fehlerhaft, erstreckt sich die Widerrufsfrist um bis zu zwölf Monate. Wird der Fehler nicht bemerkt und nicht nachträglich korrigiert, kann der Kunde den Vertrag also innerhalb einer Frist von bis zu einem Jahr und 2 Wochen noch widerrufen. Erklärt der Kunde den Widerruf, sind die gegenseitig empfangenen Leistungen innerhalb von 14 Tagen zurückzugewähren. Der Händler hat den Kaufpreis kostenfrei zurückzubezahlen, ebenso die vom Kunden entrichteten Lieferkosten, soweit diese nicht auf dessen Wunsch erhöht angefallen sind. Darüber hinaus richten sich die Folgen des Widerrufs im Wesentlichen nach dem Inhalt der in der Widerrufsbelehrung verwendeten Bausteine. Ist der Kunde zur Rücklieferung des Fahrzeuges verpflichtet, hat er auch die hierfür anfallenden Kosten zu tragen. Voraussetzung ist allerdings, dass er auf diese Folge mit der Widerrufsbelehrung unter Nennung des zu veranschlagenden Betrages hingewiesen wurde. Der Händler kann seine Zahlung verweigern, solange das Fahrzeug nicht angeliefert oder die Absendung nachgewiesen ist. Dies gilt nicht, wenn er die Abholung angeboten hat. Die Gefahr der Beschädigung des Fahrzeuges bei der Rückverbringung trägt der Händler. Verrechnen kann er im Rahmen der Kaufpreisrückzahlung einen ihm gegebenenfalls zustehenden Anspruch auf Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeuges. Voraussetzung ist aber auch hier eine vorangehend korrekte Widerrufsbelehrung dahingehend, dass Wertersatz nur für solchen Wertverlust geschuldet wird, der durch eine über die übliche Prüfung hinausgehende Verwendung des Fahrzeuges verursacht wurde. Setzt man für die übliche Prüfung eines neuen Fahrzeugs eine Probefahrt von 50 km an, könnten darüber hinausgehend gefahrene Kilometer nach der üblichen Formel dem Kunden berechnet und abgezogen werden. Ein Wertverlust für die Eintragung eines Fahrzeughalters dürfte jedenfalls dann nicht in Ansatz zu bringen sein, wenn eine Probefahrt ohne Zulassung zumutbar nicht möglich war. Zutreffende Fahrzeugbeschreibung Wichtig ist auch eine gewissenhafte Kontrolle des Internetangebots bzgl. zutreffender Angaben zum Fahrzeug und seiner Ausstattung. Wird beispielsweise in der Beschreibung eine Freisprecheinrichtung mit USB-Schnittstelle als Ausstattungsmerkmal aufgeführt, gilt dies als vereinbarte Beschaffenheit, auch wenn hierzu im Kaufvertrag selbst nichts vermerkt wurde. Fehlt diese Ausstattung, kann der Kunde teure Sachmängelhaftungsansprüche geltend machen. Dies gilt nicht, wenn mit dem Kaufvertrag ausdrücklich eine Korrektur erfolgt. Kurzfassung 1. Der Online-Verkauf von Neufahrzeugen an Verbraucher unterfällt regelmäßig den strengen Vorgaben des Fernabsatzes mit umfassenden Informationspflichten und Widerrufsrecht des Käufers. Dies gilt nicht, wenn der Kunde den Kaufvertrag vor Ort unterschreibt.2. Die Verletzung von Informationspflichten kann für den Händler zu Forderungsverlusten führen. Erfolgt die Widerrufsbelehrung fehlerhaft, verlängert sich das Widerrufsrecht des Verbrauchers um bis zu zwölf Monate. Bei Widerruf sind Fahrzeug und Kaufpreis rückabzuwickeln. Für weitere Folgen ist der Inhalt der Widerrufsbelehrung maßgeblich.3. Zur Vermeidung der Sachmängelhaftung ist auf eine zutreffende Beschreibung des Fahrzeuges und seiner Ausstattung im Internet-Angebot zu achten und erforderlichenfalls auf eine Korrektur im Kaufvertrag. Kommentar Das Neuwagengeschäft im Internet ist gegenüber dem Vertragsabschluss im Autohaus mit komplexen zusätzlichen Formalien belastet und damit vergleichsweise konfliktanfällig. Es erfordert deshalb eine gewisse Routine und Kenntnis der rechtlichen Vorgaben. Anderenfalls ist eine sachkundige Begleitung zu empfehlen. Hier gibt es viele Anbieter und auch die Möglichkeit, sich verschiedener Börsen zu bedienen. Solange aber das Angebot im eigenen Namen des Händlers erfolgt, bleibt dieser im Außenverhältnis immer selbst in der Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften des Fernabsatzes.Rechtsanwalt Robert Glocker

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