Ausgabe 14-15/2011: „Völlig offen“

„Völlig offen“ADAC mit eigenen Werkstätten E Das Thema schlug hohe Wellen in der Branche. AUTOHAUS hat nachgehakt, was der Club vorhat. von Eva StadlerWechselt der ADAC die Seiten, will er flächendeckend zum Werkstattbetreiber werden? Das Thema hat in der Branche für Wirbel gesorgt, vom ZDK war zunächst wenig dazu zu hören. AUTOHAUS sprach mit Dieter Wirsich, dem Leiter Externe Kommunikation des ADAC, über Werkstattaktivitäten und Pläne des Clubs.AH: Herr Wirsich, gegenüber der FTD sagte ADAC-Präsident Peter Meyer am 28. Juni, es könnten binnen fünf Jahren grob 100 und in zehn Jahren 400 Werkstätten entstehen. Darüber ist noch nicht abschließend entschieden, aber dennoch: Wer kann, wer soll Teil Ihres Werkstattnetzes werden? Wie rekrutiert der ADAC seine Partnerwerkstätten?D. Wirsich: Zum derzeitigen Zeitpunkt testen wir, wie die Abläufe in einer Kfz-Werkstatt im Sinne des Kunden und auch der Werkstatt selbst optimiert werden können. Zu Beginn des nächsten Jahres werden die Ergebnisse ausgewertet und danach wird entschieden, ob und wie wir weiter verfahren wollen. Der Aufbau eines Werkstattnetzes steht derzeit nicht zur Disposition, daher gibt es aktuell keine konkreten Planungen, ein eigenes Werkstattnetz aufzubauen. AH: Welche Standards geben Sie vor?D. Wirsich: In unserer Testphase optimieren wir mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse immer wieder die Prozesse. Daher ist es noch nicht sinnvoll, konkrete Standards zu definieren. Wir gehen davon aus, dass wir erst nach der Auswertung im nächsten Jahr feststellen werden, inwieweit Standards vorgegeben und umgesetzt werden können.AH: Wo planen Sie, Partnerwerkstätten einzurichten?D. Wirsich: Es gibt aktuell keine Planungen, ob und wo Partnerwerkstätten eingerichtet werden. Die Testphase wird mit ADAC Straßendienstpartnern durchgeführt, die bereits vorher Werkstattleistungen erbracht haben.AH: Laut DAT-Report lag der Marktanteil der Vertragswerkstätten bei Wartung und Reparatur 2010 bei 54 Prozent, derjenige sonstiger Kfz-Werkstätten bei 35 Prozent. Die verbleibenden 11 Prozent sind im Großen und Ganzen Do-it-yourself. Wem sollen Ihre Werkstätten Anteile wegnehmen?D. Wirsich: Nachdem wir nicht über neue oder eigene Werkstätte nachdenken, kann auch keine Rede davon sein, Marktanteile zu verschieben.AH: Mit welchen Argumenten wollen Sie Kunden für Ihre Partnerwerkstätten gewinnen?D. Wirsich: Der ADAC steht mit seinen Produkten und Dienstleistungen für Qualität, Zuverlässigkeit und Verbraucherfreundlichkeit. Diese Attribute gelten selbstverständlich auch für die Optimierung der Abläufe in den Testwerkstätten. AH: Welches Preisniveau peilen Sie an? D. Wirsich: Dazu machen wir uns in der Testphase keine Gedanken. Die Testwerkstätten sind selbstständig und bestimmen ihre Preise daher selbst.AH: Für welche Segmente sind Ihre Partnerwerkstätten ausgelegt?D. Wirsich: Arbeitsabläufe kann man grundsätzlich in jedem Betrieb optimieren. Die Testbetriebe bedienen mehrere Marken und haben in der Regel Fahrzeuge, die älter sind als sechs Jahre, in ihrem Kundenbestand.AH: Gibt es Vorteile für Ihre Mitglieder?D. Wirsich: In unseren Testwerkstätten gibt es, wie bei anderen Partnern auch, aktionsbezogene Vorteile für ADAC-Mitglieder, um für die Testphase auch entsprechend „Testkunden“ zu gewinnen.Die Sorgen des Kfz-GewerbesAH: Der ADAC steht in regelmäßigem Dialog mit dem ZDK. Was sagen Sie dem Kfz-Gewerbe bezüglich dessen Sorge, vom ADAC „angegriffen“ zu werden?D. Wirsich: Zunächst ist es ja noch völlig offen, ob und in welcher Form die gewonnenen Erkenntnisse weiterverfolgt werden. Grundsätzlich suchen und pflegen wir weiterhin den Dialog mit dem Kfz-Gewerbe, und daher sehen wir unsere derzeitigen Überlegungen auch nicht als einen „Angriff“. Schließlich haben wir knapp 1.000 Straßendienstpartner, die alle im Kfz-Gewerbe als Automobilhändler oder mit einem Servicebetrieb tätig sind.AH: Sie haben eine starke Stellung beim Verbraucher. Glauben Sie, dass die Kunden Ihren Partnern mehr vertrauen als einer Markenwerkstatt? D. Wirsich: Wie verschiedene Tests beweisen, erreichen Markenwerkstätten oft ein hohes Qualitätsniveau und genießen das berechtigte Vertrauen ihrer Kunden. Bei älteren Fahrzeugen dagegen wechseln die Kunden teilweise zu Werkstattketten oder den sogenannten freien Werkstätten. Oft geschieht dies weniger aufgrund des fehlenden Vertrauens zur Markenwerkstatt als vielmehr wegen eines unterstellten Preisvorteils. In beiden Fällen wählt der Kunde die Werkstatt aus, der er aufgrund seiner gemachten Erfahrungen vertraut. Wir legen Wert auf maximale Transparenz und Verbraucherorientierung, und wenn wir das hinbekommen, wird man uns auch vertrauen. Standardisierung und QualitätsmanagementsystemAH: Wie stellen Sie die Qualität der Arbeit Ihrer Partner sicher, so dass das Qualitätssiegel ADAC berechtigt ist? Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Werkstätten Ihr Werkstatttests zu 100 % bestehen?D. Wirsich: Neben der Standardisierung von Abläufen ist ein wesentlicher Punkt unserer Bemühungen, dauerhaft ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen. Damit wollen wir für eine hohe, wiederholbare Qualität sorgen.AH: Stichwort Werkstatttests: Wie erhalten Sie Ihre Unabhängigkeit, wenn Sie selbst Marktteilnehmer sind?D. Wirsich: Da nicht der ADAC, sondern einzelne Werkstätten Marktteilnehmer sind, ist dieses Thema nicht relevant. AH: Warum halten Sie gerade freie Werkstätten für die geeignetsten Partner?D. Wirsich: Die Optimierung von Abläufen ist zunächst nicht an eine bestimmte Ausrichtung einer Werkstatt gebunden. Wir sprechen mit unseren Optimierungsansätzen alle Werkstätten an. AH: Markenwerkstätten müssen viel in Werkstattausstattung und in die Ausbildung ihrer Mechaniker, Mechatroniker etc. investieren. Was passiert, wenn eine ADAC-Partnerwerkstatt fachlich an ihre Grenzen stößt? Sollen Ihre Partner alle Wartungs- und Reparaturaufträge übernehmen können?D. Wirsich: In der Testphase wird durch die Betriebe immer die beste Lösung im Sinne des Kunden angestrebt. Die Definition eines Leistungsumfangs war deshalb nicht Gegenstand der Untersuchung.AH: Was wollen Sie besser machen, und wie?D. Wirsich: Unsere Verbesserungen orientieren sich an Themen wie Kundenorientierung, Transparenz und Verbindlichkeit. Hier definieren wir wiederholbare Abläufe, die die Werkstatt-Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit unterstützen.AH: Werden alle Pannen, zu denen Sie gerufen werden, künftig in ADAC-Partnerwerkstätten gebracht?D. Wirsich: Nein, grundsätzlich können unsere Mitglieder frei wählen, in welche Werkstatt ihr Fahrzeug gebracht werden soll. Daran wird sich auch künftig nichts ändern.AH: Planen Sie, Ihre Versicherungsnehmer künftig in Ihre eigenen Werkstätten zu lenken?D. Wirsich: Nein, ein Kunde der ADAC Autoversicherung wird, wie bisher, die freie Werkstattwahl haben.AH: Wird die Partnerschaft mit dem ADAC für die Werkstätten ein Franchisesystem sein?D. Wirsich: Dazu gibt es aktuell noch keine Überlegungen.AH: Wie ist der Teilevertrieb organisiert, mit wem werden Sie zusammenarbeiten?D. Wirsich: Auch zu diesem Thema gibt es keine Vorgaben. Wichtig ist nur, dass qualitativ hochwertige Ersatzteile verwendet werden, nach Möglichkeit Originalteile der Hersteller oder Erstausrüster.AH: Herr Wirsich, danke für das Gespräch. Wir werden das Thema weiterverfolgen.Lesen SIe hier...... was der ADAC in puncto eigene Werkstattpartner schon gestartet hat und was der Club in Zukunft vorhat – vielleicht.Kommentar< Als Präsident des bayerischen Kfz-Gewerbes und Vertreter von ca. 10.000 bayerischen Kfz-Betrieben möchte ich zu einem möglichen Engagement des ADAC im Bereich des Werkstattgeschäfts differenziert Stellung nehmen.Wenn der ADAC als Vertreter von vielen Millionen Autofahrern und damit Kunden unserer Werkstätten Optimierungspotenziale für die Abläufe unserer Geschäfte aufzeigt, so kann das für uns nur positiv sein. Gerade die Partnerbetriebe der Automobilhersteller haben in den letzten Jahren viele Anstrengungen unternommen, um ihre Abläufe für die Kunden zu verbessern, so dass ich glaube, dass wir durchgehend ein hohes Niveau in der Branche haben. Nach dem Motto „das Gute ist der Feind des Besseren“ darf man nicht die Hybris haben zu glauben, dass nicht dennoch noch Verbesserungspotenzial besteht, gerade wenn es mit so hoher Repräsentanz vorgetragen werden sollte.Dennoch wird es stets ureigene Aufgabe des Kfz-Unternehmers bleiben, sich selbst für oder gegen bestimmte Abläufe zu entscheiden, denn er trägt das wirtschaftliche Risiko des Erfolgs oder Misserfolgs. Daher würde ich zu diesem Zeitpunkt sagen: Lassen Sie uns gemeinsam die Vorschläge des ADAC ansehen und dann kollektiv und individuell überlegen, was davon umsetzbar ist. Nicht alles hilft allen.Der ADAC ist ein gewichtiger Marktteilnehmer. Die Neupositionierung eines solchen Gewichts in einem vorhandenen und bereits umkämpften Markt muss nicht, aber kann zu Verschiebungen von Marktgleichgewichten führen. Daher verstehe ich die Wachsamkeit der bisherigen Marktteilnehmer, die wir als Verband der bayerischen Kfz-Innungen aufzunehmen, ernstzunehmen und sodann als Aufgabe anzunehmen haben. >

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