Handwerksbetriebe, die Mitglied einer Innung sind, können nicht den Ausschluss ihrer Tarifbindung erklären. Dies ergibt sich aus den Urteilen, die das Verwaltungsgericht Braunschweig kürzlich nach einer mündlichen Verhandlung in mehreren Musterverfahren verkündet hat (Az.: 1 A 272/08, 1 A 273/08 und 1 A 274/08). Geklagt hatten verschiedene Handwerksinnungen aus der Region gegen die Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade.
Mit ihren Klagen wollten die Innungen erreichen, dass einzelne Handwerksbetriebe sich von der Tarifbindung befreien können, ohne aus der Innung austreten zu müssen. Sie beantragten, dass das Verwaltungsgericht die Handwerkskammer dazu verpflichtet, ihre Satzung entsprechend zu ändern. Zur Begründung machten sie geltend, Innungen müssten behandelt werden wie Arbeitgeberverbände; in diesen könne man auch Mitglied sein, ohne der Tarifbindung zu unterliegen.
Das Gericht hat die Klagen abgewiesen: Mitglieder der Innungen von der Tarifbindung zu befreien, verstoße gegen die gesetzlichen Vorschriften. Vollmitglieder der Innungen sind nach den gesetzlichen Bestimmungen an die Tarifverträge gebunden, die ihre Innung oder ihr Innungsverband geschlossen hat. Die gesetzlichen Regelungen, die den Innungen und Innungsverbänden Tariffähigkeit verleihen, hätten den Zweck, die Tarifautonomie im Bereich des Handwerks zu fördern und den Gewerkschaften einen leistungskräftigen Tarifpartner zur Seite zu stellen. Nur so könnten die Arbeitsbedingungen wirksam geordnet und das Arbeitsleben befriedet werden. Mit diesem gesetzlichen Ziel sei eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht vereinbar. Der Tarifbindung könne sich der einzelne Handwerker nur entziehen, indem er aus der Innung austrete.
Laut Mitteilung des VG Braunschweig handelt es sich bei diesen Entscheidungen um die bundesweit ersten Urteile zu diesen Rechtsfragen. Die Innungen wollen in diesen "Pilotverfahren" die Rechtslage grundsätzlich klären lassen. Das Gericht hat die Berufung zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen. (ng)