Ein Autohaus soll das Erlebnis der Marke zelebrieren: hohe Fenster, Stahl, Designer-Licht - ein eleganter Tempel des Verkaufs, an dessen Fassade weithin sichtbar das große Firmenzeichen von automobiler Faszination kündet. Das ist die Theorie. Die Praxis: Die Erlebniswelt Autohaus neueren Datums fristet ihr architektonisch vorgestanztes Dasein nebem dem Großgärtner und den Zweckbauten kommunaler Versorgungseinrichtungen auf der grünen Wiese und kostet. Das Geld dagegen kommt fast nur noch im Hinterhof der Werkstätte und auf dem harten Pflaster der Gebrauchten herein. Im Service finden die Markenerlebnisse des Kunden statt - und da soll schon manche Marke verblasst sein. Kreuzberg-Szenario Das war, wie wir kurz in Erinnerung rufen wollen, der Ausgangspunkt für das virtuelle Projekt "Wie man einen Jaguar in Kreuzberg verkauft" (siehe AUTOHAUS 12, S. 26); das Unternehmen also, auf dem härtesten Pflasterstrand Deutschlands eine denkbar ungeeignete Marke an den Mann zu bringen. Die geeignete Erlebniswelt: Die Sprayer der Gegend sorgen für unsere Wände, unser Ambiente darf wie ein gepflegtes Chaos wirken, unser Personal stammt aus der Gegend. Jetzt konsultieren wir einen Fachmann für Kreuzberg und sprechen mit Detlev Gatzke, Geschäftsführer des Opel-Vertragshändlers Autohaus Gillwald in der Prinzessinnenstraße. Wie verkauft man Autos in Kreuzberg, Herr Gatzke? "Mit großem Einfühlungsvermögen in die soziodemographische Struktur des wahrscheinlich schwierigsten Verkaufsgebietes in Deutschland." Was u. a. heißt, Gatzke freut sich auf die neue GVO, weil er dann "Trendfahrzeuge" an seine türkische Klientel verkaufen kann. Die kauft mal 3er BMWs, dann wieder Opel Astra oder Mercedes C-Klasse. "Meine Marke ist Autohaus Gillwald", sagt Gatzke, "nicht Opel." 300 Neue und 300 Gebrauchte verkauft Gatzke im Jahr. Und wir haben eine letzte Frage: "Gibt es schon einen Jaguar-Händler in Kreuzberg?" Gatzke lacht. "Nee, und der nächste Ferrari-Händler ist auch ein Stück weg." Beruhigend. Allerdings: Es gibt eine Konkurrenz, die sich rund um unser Kreuzberg-Projekt aufgestellt hat. Tankstellen, Wettbewerber mit ungleich besseren Voraussetzungen. Denn erstens sucht der einzelne Kunde die Erlebniswelt Tankstelle sehr viel öfter auf und zweitens hat diese Welt im Kern eine Botschaft, die uns als Autohändler paradoxerweise fehlen wird: "Mobilität jetzt und gilt 24 Stunden täglich". Die historische Lehre ist, dass sich diese Botschaft gegen massive Widerstände des Einzelhandels und des Handwerks durchsetzen ließ und von einer liberalen Haltung des Gesetzgebers befördert wurde. Das wird auch die Realität nach dem 22. September sein, unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl. Von 16.000 Tankstellen in Deutschland verfügen heute 4.000 über eine Werkstätte bzw. Markenwerkstätte. Es handelt sich um ein perfektes Vertriebsnetz mit einer Marke, unter der sich Benzin, Brötchen und Service-Dienstleistung ums Auto verkaufen lassen, also warum nicht auch Autos selbst? Kein Händler-Sondermodell, sondern der Aral-Golf, der Shell-Smart, das Dea-Cabrio. Gleiches gilt auch für andere Unternehmen mit starken Vertriebsnetzen. Die Deutsche Post AG will vermutlich keine Autos verkaufen. Aber sie wäre z. B. wohl in der Lage, gemeinsam mit Herstellern oder Importeuren Finanzierungs-oder Leasingpakete um Niedrigpreis-Fahrzeuge zu schnüren. Unterschrift, Schein und Schlüssel, den Code für das von der Telekom zu Vorzugskonditionen ins Auto eingebaute Telefon am Schalter, das Auto steht beim nächsten Händler. Kernkompetenz? Nicht nötig. Erlebniswelt? Alles gelb, aber bei dem Preis ... Marke? Steht auf dem Grill wie bei allen anderen auch. Alles was ich brauche, um ein Auto zu besitzen, sind Papiere und Schlüssel. Das geht in eine Packung, die kleiner ist als jede Cornflakesschachtel. Label drauf, Preis dran, ab ins Regal bei Schlecker, ALDI, Tengelmann. Geht nicht? Gibt’s nicht. Walter Drechsel und Robert Ladner Den ausführlichen Artikel lesen Sie in AUTOHAUS 13, das am 1. Juli erscheint.
Thema: Normal- oder Super-Auto?
Tankstelle, Postschalter oder Supermarkt: Alle werden künftig beim Autohandel mitmischen