Ausgabe 07/2008: Teures Gut Kundenzufriedenheit S. 12

Zum Thema in dieser Ausgabe: Teures Gut Kundenzufriedenheit S. 12 Kundenbefragung aus Autohaussicht S. 14 Mit unmöglichen Kunden umgehen S. 18 Kundenzufriedenheit bei Opel S. 22 Folge 1: Mein unmöglicher Kunde S. 23Kundenzufriedenheit / Für Händler ist das Befinden der Kunden viel wichtiger als für den Hersteller. Das Vertrauen in die Marke lässt sich nämlich weit weniger leicht erschüttern als das Vertrauen ins Autohaus.Notwendig oder übel?von Prof. Dr. Willi DiezManche Händler können den Appell schon nicht mehr hören: Kundenzufriedenheit oder gar Kundenbegeisterung ist der wichtigste Erfolgsfaktor für einen Automobilhändler und der Kunde dementsprechend gut zu behandeln. Und das in einer Zeit, in der einige Kunden das clever ausnutzen, zum Beispiel für eine kostenlose Probefahrt in einem schicken Cabrio – am besten natürlich an einem sonnigen Wochenende.Alles Klagen über anspruchsvolle oder unverschämte Kunden hilft freilich nichts. "Der Kunde ist König" – an dieser alten Weisheit hat sich bis heute nichts geändert. Zufriedene Kunden sind die Basis jedes Geschäfts, denn nur sie werden auch zu Stammkunden: Und da die Gewinnung eines Neukunden vier bis fünf Mal teurer ist als das Halten eines Stammkunden, ist eine hohe Kundenbindung nicht nur gut für den Absatz, sondern auch für die Vertriebskosten. Jeder Händler und Autoverkäufer weiß: Nichts ist aufwändiger und teurer als Kalt-Akquisition und nichts ist schöner, als wenn der Kunde von sich aus wieder ins Autohaus kommt, um sich ein neues Fahrzeug zu kaufen. Markenloyalität stabilerGerade für den Händler ist eine hohe Kundenzufriedenheit von besonderer Bedeutung. Denn wie Untersuchungen zeigen, ist die Loyalität zum Händler kleiner als die zur Herstellermarke. Sinkt die Zufriedenheit mit dem Händler vom (in Schulnoten) Optimalwert 1,0 nur auf 1,9 ab, so beabsichtigen bereits 50 Prozent der Kunden, den Händler zu wechseln. Die gleiche Wechselbereitschaft hinsichtlich der Marke tritt hingegen erst bei einem Absinken der Gesamtzufriedenheit von 1,0 auf 3,4 ein. Mit anderen Worten: Der Händler muss dafür sorgen, dass der Kunde vor allem auch mit seiner Beratung und Betreuung zufrieden ist. Kundenzufriedenheit ist ein relative und zugleich subjektive Größe. Relativ ist sie, weil sie immer abhängig von der jeweiligen Erwartung des Kunden ist. Je mehr dem Kunden versprochen wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er am Ende nicht zufrieden ist. Daher sollte jeder Händler in seinen werblichen Versprechen immer darauf abstellen, was er wirklich halten kann. Wer zu sehr auf die Pauke haut, muss dies unter Umständen später büßen, wenn ihn die Kunden mit schlechten Zufriedenheitswerten abstrafen. Kundenzufriedenheit ist aber auch eine subjektive Größe, die nicht immer etwas über die objektive Leistung eines Händlers aussagt. Daher werden viele Zufriedenheitsurteile von Händlern oft als ungerecht empfunden. Hier hilft nur eine gründliche Analyse der Faktoren, die für den Kunden von besonderer Bedeutung sind und die daher sein (Un-)Zufriedenheitsurteil beeinflussen. Neben den so genannten Hard-Factors, wie etwa das Angebot einer Probefahrt oder ein Preisnachlass, sollten die Soft-Factors, wie Freundlichkeit und seriöses Auftreten, nicht unterschätzt werden. Reizthema NachlässeFühren steigende Rabatte zu einer steigenden Kundenzufriedenheit? Wir sind am Institut für Automobilwirtschaft (IFA) dieser Frage nachgegangen und haben dazu eine Befragung durchgeführt. Ergebnis: Ja, der Kunde erwartet heute einfach einen bestimmten Rabatt. Andernfalls fühlt er sich nicht fair behandelt oder gar übervorteilt. Andererseits gibt es aber keine direkt proportionale Beziehung zwischen Rabatthöhe und Kundenzufriedenheit nach dem Motto: Je mehr Nachlass ich gebe, desto höher ist meine Kundenzufriedenheit.Ab einem Nachlassniveau von 10 Prozent konnten wir keinen weiteren signifikanten Anstieg der Kundenzufriedenheit mehr feststellen, was nun nicht heißt, dass jeder Händler zwangsläufig diesen Nachlass gewähren sollte. Wir konnten in unserer Untersuchung feststellen, dass auch Kunden, die einen deutlich niedrigeren Nachlass erhalten haben, mit ihrem Händler sehr zufrieden waren. Hier kommen insbesondere die bereits erwähnten "Soft-Factors" zum Tragen. ... in die Marge?Sollte die Kundenzufriedenheit im Rahmen eines Margensystems berücksichtigt werden? Es gibt viele gute Gründe, die dafür-, aber auch Gründe, die dagegensprechen. Kein Grund gegen eine Berücksichtigung der Kundenzufriedenheit in einem Margensystem ist das Argument, Kundenzufriedenheit sei subjektiv. Wie bereits erwähnt, ist das richtig. Aber ob subjektiv oder nicht: Letztlich hängt der Erfolg vom Hersteller wie auch vom Händler davon ab, dass der Kunde subjektiv zufrieden ist, und es ist die Aufgabe von Herstellern und Händlern, gemeinsam herauszufinden, was den Kunden zufriedener macht. Auch das immer wieder gehörte Argument, ein forscher Rheinländer sei schwerer zufrieden zu stellen als ein biederer Schwabe, gehört ins Reich der Fabeln. Bekanntlich sind die Schwaben besonders häufig "Bruddler", was auf hochdeutsch soviel wie "notorischer Nörgler" heißt.Ein gewichtiges Argument gegen die Bonifizierung der Kundenzufriedenheit ist zweifellos die Tatsache, dass Kundenzufriedenheit ein ganzheitliches Konstrukt ist. Das heißt, ist der Kunde z.B. mit der Fahrzeugqualität oder der Lieferpünktlichkeit nicht zufrieden, dann wird er schwerlich mit seinem Händler zufrieden sein, obwohl in den genannten Fällen der Hersteller der Urheber der Unzufriedenheit ist.In den meisten Margensystemen wurde dieses Problem so gelöst, dass die Höhe der Bonifizierung abhängig ist von der Platzierung in einem Händler-Ranking oder in die Bonifizierung nur einige wenige Fragen aus der Kundenzufriedenheitsanalyse einbezogen werden. Damit hat man das Problem als solches zwar nicht gelöst, aber in den Folgen für den Händler doch gemildert. Kritisch sind mitunter auch die Fall-Zahlen zu sehen, die der Bonifizierung zugrunde gelegt werden. Wenn die Urteile von einer Handvoll Kunden ausreichen, um darüber zu entscheiden, ob ein Händler Boni in sechsstelliger Höhe bekommt oder nicht, dann ist das fragwürdig. Hier sind zweifellos auch die Händlerverbände und Fabrikatsvereinbarungen gefordert sicherzustellen, dass bei der Erhebung der Kundenzufriedenheit die einschlägigen statistischen Verfahren ordnungsgemäß angewendet werden.Befragungs-OverkillViele Händler beschweren sich über die Flut der Zufriedenheitsmessungen. Warum denn auch noch Mystery Shopping, wenn doch regelmäßig Befragungen von Neuwagenkunden durchgeführt werden? Grundsätzlich muss man hier sagen, dass beim Mystery Shopping nicht die Kundenzufriedenheit, sondern die Einhaltung bestimmter Standards im Verkauf oder in der Werkstatt gemessen wird. Das ergibt durchaus Sinn, denn bei vielen Untersuchungen über Kundenzufriedenheit ist man auf das Phänomen der "resignativen Zufriedenheit" gestoßen (siehe Abb. rechts). In diesen Fällen ist der Kunden zwar zufrieden, aber nur deshalb, weil er sich an die Unzulänglichkeiten seines Anbieters gewöhnt hat (z.B. lange Wartezeiten, wenig aufmerksame Bedienung). Er kennt es nicht anders und äußert sich deshalb zufrieden. Die "resignative Zufriedenheit" ist wie eine heimtückische Krankheit. Man erkennt keine Symptome, aber plötzlich bricht sie offen aus. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein anderer Händler eine deutliche bessere Beratungs- und Betreuungsleistung bietet. Die resignativ zufriedenen Kunden wechseln dann und der Händler mit schlechter Performance wundert sich warum, hatte er doch bislang immer scheinbar zufriedene Kunden. Trotzdem darf das Problem der "Überpenetration" der Kunden nicht unterschätzt werden. Ständige Nachfragen nach der Zufriedenheit können zur Kundenverärgerung führen. Daher sollten Zufriedenheitsbefragungen beim Hersteller nur von einem Dienstleister durchgeführt oder nur auf einen Datensatz zurückgegriffen werden, so dass festgestellt werden kann, welcher Kunde wie oft befragt wurde. Händler, die eigene Zufriedenheitsbefragungen durchführen, sollten ebenfalls auf diese Datensätze zurückgreifen können. Bemühen vs. ErfolgZusammenfassend kann man somit feststellen: Kundenzufriedenheit ist eine notwendige, aber gewiss nicht hinreichende Bedingung für unternehmerischen Erfolg. Wer notorisch unzufriedene Kunden hat, wird im Verdrängungswettbewerb nicht bestehen können. Der Aufwand, ständig neue Kunden zu akquirieren. ist dafür einfach zu hoch. Andererseits reicht eine hohe Kundenzufriedenheit nicht aus, um schwarze Zahlen zu schreiben, vor allem dann nicht, wenn sie mit übermäßigen Rabatten oder ständigen "Verwöhn"-Aktionen erkauft wird.Man kann es nicht oft genug betonen: Die Kundenzufriedenheit hängt ganz wesentlich auch von "weichen Faktoren" ab. Und was kostet weniger als ein freundliches Lächeln?

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