afb Application Services: Standortbestimmung zum digitalen Reifegrad

Mit optimal abgestimmten Prozessen und Systemen lassen sich im Autohandel Bearbeitungszeiten reduzieren und Fehlerquoten senken, ist sich Markus Preitsameter sicher. Frei nach dem Motto "Zeit ist Geld" sollten Händler Systematik in ihre Prozesse bekommen. Wie das am besten gelingt, erklärt der Senior Consultant von afb im Interview. AH: Im Zuge der Digitalisierung ist auch immer wieder die Rede vom digitalen Reifegrad eines Unternehmens. Wie ist der deutsche Mittelstand hier aufgestellt? M. Preitsameter: Derzeit noch sehr heterogen. Es kommt hierbei stark auf die Branche des jeweiligen mittelständischen Unternehmens an. So tendieren Unternehmen aus IT-lastigen Branchen eher dazu, ihre Unternehmen und Prozesse zu digitalisieren. Weiterhin ist auch die Unternehmensgröße ausschlaggebend, denn Digitalisierungsbestrebungen können einen nicht unerheblichen zeitlichen und monetären Aufwand bedeuten. AH: Gibt es eine Benchmark-Branche? M. Preitsameter: Eine"Benchmark-Branche" hinsichtlich des digitalen Reifegrades gibt es aus unserer Sicht nicht. Nur ausgewählte Digitalisierungsthemen, wie beispielsweise ein elektronisches Dokumentenmanagement, sind branchenübergreifend vergleichbar. Dies erschwert einen aussagekräftigen Branchenvergleich. Aber innerhalb der Branchen lassen sich sehr wohl hilfreiche Benchmarks festlegen. So errechnen wir basierend auf den Gesprächen mit unseren Kunden branchenspezifische Benchmarks. AH: Warum ist es für Autohausunternehmer im harten Verdrängungswettbewerb wichtig, dass sie ihren digitalen Reifegrad messen und kennen? M. Preitsameter: Das beliebte Sprichwort "Zeit ist Geld!" trifft es meines Erachtens am besten. Die Systemlandschaften der Autohäuser sind meist sehr heterogen, da mehrere Systeme an einem Prozessablauf beteiligt sind. Bei der Übertragung von Informationen zwischen den Systemen kommt es regelmäßig zu Medienbrüchen oder langen Liegezeiten, z. B. wenn eine manuelle Datenkontrolle durchgeführt werden muss. Dies führt zu einem höheren Zeit- und Ressourcenaufwand als eigentlich nötig. Autohäuser tun besser daran, diese Aufwände in Vertriebsaktivitäten zur Absatzförderung zu investieren. AH: Womit holen Sie die Autohausunternehmer am besten ab? Wie nehmen Sie die Scheu vor diesem - auf den ersten Blick - sehr abstrakten Thema? M. Preitsameter: Da möchte ich mein voriges Beispiel zu vorhandenen Medienbrüchen noch einmal aufgreifen. Nehmen wir an, ein Autohausmitarbeiter muss innerhalb eines Prozessablaufs diverse Dokumente ausdrucken, prüfen und für den nächsten Prozessschritt manuell in eine Eingabemaske übertragen. Hierfür benötigt er z. B. 30 Minuten. Wir zeigen dem Autohausunternehmer, mit welchen oft einfachen Optimierungen in seiner Systemlandschaft der Automatisierungsgrad deutlich gesteigert werden kann. So können die 30 Minuten im Idealfall auf wenige Sekunden reduziert werden. AH: Haben Sie ein konkretes Beispiel, was Handlungsempfehlungen anbelangt? M. Preitsameter: Passende Beispiele gibt es hier sehr viele. Um den roten Faden beizubehalten, wäre meine Empfehlung an Ihre Leser, sich im Arbeitsalltag über einen gewissen Zeitraum - z. B. ein bis zwei Wochen - hinweg, konsequent zu notieren, wie häufig und bei welchen Gelegenheiten sie ausdrucken, scannen, faxen oder wie viel Zeit sie für manuelle Prüfungen oder Dateneingaben aufwenden. Dies verursacht zwar einen Zusatzaufwand, deckt aber oft erstaunliche Erkenntnisse auf. Anschließend sollten die Ergebnisse objektiv ausgewertet werden. Wenn Ihre Leser dann das Gefühl haben "So etwas müsste doch schneller und einfacher gehen" oder "Lässt sich das nicht auch automatisieren?", sollten wir uns unterhalten. AH: Was passiert vor Ort im Autohaus bei Ihrem sog. Digital Capability Check-up? M. Preitsameter: Unser Check-up vor Ort ist meist auf zwei Tage ausgelegt. Um uns in dieser kurzen Zeit ein möglichst realistisches Bild von der aktuellen Situation zu machen, lassen wir uns die Prozessabläufe anhand konkreter Beispiele von den Mitarbeitern erklären, die diese Abläufe täglich durchführen. Dies findet in Dialogform statt. Wir stellen gezielte Fragen, um Ansatzpunkte zur Optimierung herauszuarbeiten. Anschließend werten wir die Ergebnisse aus und leiten mögliche Optimierungspotenziale ab. AH: Der Ist-Zustand ist das eine. Die digitale Strategie und spezielle Teilprojekte mit spezifischen Zielen das andere. M. Preitsameter: Das ist korrekt. Eine Standortbestimmung zum digitalen Reifegrad hilft dabei, Weitsicht und Überblick zu gewinnen und erste konkrete Maßnahmen einzuleiten. Denn nur wer weiß, wo er steht, findet die richtigen Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie. Mit unserem Digital Capability Check-up bestimmen wir nicht nur den Ist-Zustand, sondern unterstützen auch bei der Identifikation konkreter Ziele und Teilprojekte im Hinblick auf eine geeignete digitale Strategie. AH: Wie sehen die Vorbereitungen aus, die ein Unternehmer vor dem Check-up zu tätigen hat? M. Preitsameter: Ein Unternehmer sollte grundsätzlich ein Ziel für die Digitalisierung identifiziert haben. Zur Durchführung des Digital Capability Check-up sollte der Unternehmer Mitarbeiter auswählen, welche die zu betrachtenden Prozesse regelmäßig durchführen und diese sehr gut kennen. Sie sollten in der Lage sein, fundierte Antworten auf die gestellten Fragen zu liefern. AH: Wie groß ist z.B. der Zeitaufwand bei einer Autohausgruppe mit 15 Standorten? M. Preitsameter: Es kommt darauf an, wie die Prozesse in den einzelnen Standorten gestaltet sind. Bei standortübergreifenden, einheitlichen Prozessen ist es in der Regel ausreichend, wenn der Zwei-Tages-Check-up an einem Standort durchgeführt wird. AH: Kommen wir zu Financial Services. Wo gibt es Ihrer Auffassung nach für Händler in Sachen digitale Transformation die größten Herausforderungen? M. Preitsameter: Die Digitalisierung schreitet mit enormer Geschwindigkeit voran. Dabei ist die technologische Umstellung nur ein Aspekt. Ein ebenso wichtiger, aber häufig unterschätzter Punkt ist die Bereitschaft der Mitarbeiter im Autohaus, den Wandel aktiv mitzutragen. Es ist unvermeidbar, dass die Digitalisierung zu Veränderungen in gewohnten Abläufen führt. Das "Abholen" der Mitarbeiter und diese für die digitale Transformation zu begeistern, stellt eine große Herausforderung dar. AH: Welche ersten Financial-Services-Schritte empfehlen Sie Kfz-Betrieben im Zuge der Digitalisierung? M. Preitsameter: Autohäuser, die bisher noch keine Financial-Services anbieten und darüber nachdenken, geeignete Finanzdienstleister auszuwählen, würde ich empfehlen, sich vorher ein Bild über die eigenen Systeme zu machen. In den meisten Fällen sind bereits diverse Systeme wie ein Dealer Management System (DMS) im Einsatz, in denen Kundendaten gepflegt sowie die Fahrzeuge konfiguriert und bestellt werden. Bei der konkreten Auswahl eines Finanzdienstleisters beziehungsweise dessen Softwarelösung sollte auch darauf geachtet werden, welche Schnittstellen zur Verfügung gestellt werden. Ziel für das Autohaus sollte es sein, einen möglichst hohen Automatisierungsgrad zu erreichen. Eine kleine Checkliste kann dabei hilfreich sein (siehe Kasten rechts, Anm. d. Red.). AH: Wo hapert es vor allem in der Finanz-IT-Landschaft? M. Preitsameter: Finanzdienstleister treiben die Digitalisierung ihrer Prozesse stark voran. Insbesondere die Verkaufsund Antragsprozesse stehen hier im Fokus, da dadurch auch Autohäuser optimal unterstützt werden können. Bei Gesprächen mit unseren Kunden sehen wir oft gewachsene IT-Strukturen mit einem zentralen Kernsystem. Obgleich dieses System die notwendige Stabilität, z. B. für rechtlich-regulatorische Anforderungen, bietet, ist dieses sehr starr und verfügt in der Regel nicht über genügend Agilität, um auf Trends oder Marktveränderungen schnell reagieren zu können. Beide Aspekte, traditionelle Stabilität und explorative, agile Veränderung zu vereinen in einer IT der zwei Geschwindigkeiten, stellt eine große Herausforderung dar. AH: Wie wichtig ist es für die Zukunft, dass Autohäuser Systematik in ihre digitalen Prozesse hereinbekommen? M. Preitsameter: Sehr wichtig, denn optimal aufeinander abgestimmte Prozesse und Systeme bilden die Basis für eine maximale Unterstützung der Mitarbeiter bei ihrer täglichen Arbeit. Hierdurch lassen sich nicht nur die Bearbeitungszeiten reduzieren, sondern durch automatisierte Prüfungen auch die Fehlerquoten senken. Wie zuvor schon einmal gesagt: "Zeit ist Geld" und die Digitalisierung macht auch vor den Autohäusern nicht halt. AH: Herr Preitsameter, vielen Dank für die interessanten Einblicke. Interview: Patrick Neumann Checkliste Bei der Auswahl eines Finanzdienstleisters sollte auf diese Punkte geachtet werden, um im Autohaus beim Thema Financial Services einen möglichst hohen Automatisierungsgrad zu erreichen:- Besteht eine Schnittstelle zwischen dem DMS und der Finanzierungssoftware und können darüber die Fahrzeug- und Kundendaten automatisch in das Finanzierungsangebot übertragen werden?- Existiert eine Rückschnittstelle, sodass nach der Genehmigung des Finanzierungsantrags per Knopfdruck der Bestellprozess angestoßen werden kann, ohne nochmals ins DMS wechseln zu müssen?- Bietet die Finanzierungssoftware eine intuitive Bedienung?- Wird der Anwender im Angebotsprozess durch die Software geführt?- Können Dokumente, wie Gehaltsnachweise oder unterschriebene Anträge, digital an den Finanzdienstleister gesendet werden?- Wird eine Online-Identifikation für den Kunden angeboten?

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