Wer sich für dieses Pioniermodell in der S-Klasse entscheidet, bekommt ein optisches Leckerli, das das Streben nach Effizienz und niedrigeren Emissionen belohnt. Befindet sich der Plug-In-Hybrid im optimalen Fahrmodus, dann erscheint auf dem zentralen Display vor dem virtuellen Bild der Limousine eine grüne Wolke. Kann es der Fahrer nicht lassen und lässt per Gaspedal den doppelt aufgeladenen 3,0-V6 (245 kW / 333 PS) für den alleinigen, konventionellen Vortrieb sorgen, dann entschwindet auch der virtuelle grüne Teppich der Vernunft.
Harald Mauer freut sich über den Einfall. Seines Zeichens "Teamleiter Gesamtfahrzeug Versuch", weiß er, dass man zukünftige Kunden durchaus auch spielerisch an den Nutzen dieser neuen Technologie heranführen kann. "Zugleich erwarten sie aber auch von dieser Innovation, das sie den Erwartungen an eine S-Klasse entspricht: unkompliziert, komfortabel, elegant." Der erste Plug-In-Hybrid von Mercedes wird ab September ausgeliefert, aber quasi als Rahmenprogramm zur Elektroauto-Rallye der Silvretta Classic bat Mauer auf den Beifahrersitz zu einer ersten Tour.
Einmal abgesehen von dem breiten Werbeschriftzug an den Seiten des S 500 und den Chromoptik-Lettern am Heck lässt auch ein kleiner zweiter Tankdeckel vermuten, dass hier noch eine ganz andere Art von Kraftstoff an Bord genommen werden wird. Die Akkus für den 85 kW / 115 PS-Elektromotor sollen nach zweieinhalb Stunden an der Haushaltssteckdose voll aufgeladen sein. Wird der Plug-In-Hybrid gestartet, merkt man - nichts. Flüsterleise gleitet die Hybrid-Version nach vorne. Selbst wenn sich der Sechszylinder dazu schaltet, ändert sich für den Beifahrer nichts an der Tonlage der vornehm abgedämpften Akustik. Es sind wie bei jedem Stromer die Abrollgeräusche, die sich Gehör verschaffen. Ein haptisches Gaspedal mit einem kleinen Widerstand warnt zudem den Fahrer, wenn er nicht mehr verbrauchsoptimiert unterwegs ist.
Nahtloses Zusammenspiel der Mororen
Nicht nur, dass das Zusammenspiel von Elektroantrieb und Verbrenner in der Wahrnehmung nahezu nahtlos geschieht. Bemerkenswert ist die Kultiviertheit eines doppelt aufgeladenen Sechszylinders mit dem Drehmoment eines Achtzylinders (480 Newtonmeter) und dem Potenzial, in rein elektrischen Betrieb mit null Emissionen aufzuwarten. Noch veröffentlicht Mercedes keine genauen Zahlen, aber Mauer ist sichtlich stolz auf einen Hybrid-Verbrauch von rund drei Litern und einem CO2-Ausstoss von unter 70 g/km. Wer hier die grüne Wolke verjagt, landet schnell im höheren Normverbrauch eines Benziners.
Für die Stuttgarter Entwickler ist es natürlich eine Frage der Ehre, einen Plug-In-Hybrid zu bauen, der in der Klasse konkurrenzlos ist. Auch im vollelektrischen Modus werden die zwei Tonnen mühelos Richtung 100 km/h beschleunigt. Größere Reichweiten als die gut 30 Kilometer wären kein Problem gewesen, so Mauer, aber hier hielte man sich lieber an die Statistiken der täglichen Fahrten. "Sollte das Zentrum Londons dereinst für Verbrenner gesperrt werden, was ja durchaus denkbar ist, kommt diese S-Klasse ohne Probleme rein." Dann sollten künftige Kunden aber nicht zu heftig bei Harrods einkaufen, denn im Kofferraum wurden die Akkus des Plug-In montiert.
Verschiedene Voreinstellungen
Über das Menü lassen sich vier Voreinstellungen wählen, zu denen neben Hybrid- und E-Modus noch zwei Besonderheiten der schwäbischen Alternativtüftler zählen. Im Modus E-Save wählt das Betriebssystem vorausschauend die effizienteste Art des Fortkommens aus. Dazu ist es nicht nur mit dem Navigationssystem vernetzt, um topographische Gegebenheiten optimal zu nutzen. Der Radar des intelligenten Abstandshalters Distronic Plus nutzt hier beispielsweise die Bremskraft, um die Batterie während der Fahrt zu laden. Mauer nennt diese speziellen Hybrid-Entwicklungen "streckenbasierte Betriebsstrategie". Der Modus Charge schließlich lädt die entleerte Batterie durch den Verbrenner auf - ein Vorgang, der allenfalls 30 bis 40 Minuten in Anspruch nehmen soll. Für Chefstatistiker am Steuer gibt es zusätzlich noch anwählbare graphische Darstellungen, die informieren, wie viele Kilometer im E-Antrieb oder mit der Kraft der zwei Herzen absolviert wurden. Die Fahrt mit Harald Mauer führte über 85 Kilometer, bergauf und bergab rund um den Piz Buin. Das verblüffende Ergebnis: 35 Kilometer davon (41 Prozent) wurden ausschließlich unter Strom bewältigt, 52 Prozent im Hybrid-Betrieb.
Was Preise betrifft, hüllt man sich bei Mercedes noch in Schweigen. Aber vermutlich gibt es auch für die S 500-Klientel eine Schmerzgrenze. Der Hybrid-Vorreiter, der vor allem in den USA und China Anklang finden soll, wird mit der künftigen Plug-In-Version der C-Klasse und anderen möglichen Modellen nicht lange allein sein. Ab Ende des Jahres wird auch die neue B-Klasse Electric Drive erhältlich sein, die als reines E-Fahrzeug eine Reichweite von 200 Kilometern haben soll, 132 kW / 180 PS Höchstleistung und 340 Nm Drehmoment. (sp-x)
D.Buschhorn