Ein Roboter innerhalb der Robotic Process Automation – kurz RPA – funktioniert ähnlich wie ein maschineller Roboter: eine Maschine führt einprogrammierte Aufgaben aus. Allerdings arbeitet der RPA-Roboter nur innerhalb von Softwaresystemen, indem er andere Programme steuert.
In diesem Aufgabenfeld kann er vor allem repetitive und monotone Aufgaben übernehmen, zum Beispiel, wenn viele Daten per Copy & Paste in ein anderes Programm kopiert werden müssen. „RPA ist eine workflowbasierte Lösung. Alles, was der Roboter tut, ist vorher einprogrammiert. Das bedeutet, ein Mensch hat jede Entscheidung des Roboters vorher gecheckt und entschieden, wie der Roboter handeln soll“, erklärt Sebastian Reinemann, Senior Consultant bei der Star Corporation. Wie ein RPA-Bot arbeitet, zeigt das Video auf S. 23.
Keine Künstliche Intelligenz
Auch wenn es auf den ersten Blick so wirkt, RPA hat zunächst nichts mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu tun. Das ist laut Sebastian Reinemann auch sehr wichtig, denn in den Bereichen, in denen sie im Autohaus zum Einsatz kommt, soll vermieden werden, „dass die Maschine Entscheidungen trifft, von denen wir im Vorfeld nicht genau wissen, welche das sind, und so gegebenenfalls Fehler produziert werden.“ Erst im nächsten Schritt kann ein RPA-Roboter durch maschinelles Lernen eigene Entscheidungen treffen, indem er bei einer Entscheidung immer wieder fragt, wie er handeln soll. Allerdings lernt er nicht, eigene Entscheidungen daraus abzuleiten.
Das ist wiederum der KI vorbehalten. Diese muss auch zunächst die Prozesse wie bei der RPA lernen und fragt an Entscheidungspunkten nach, wie sie handeln soll. Allerdings kann sie ab einem gewissen Punkt auch eigene Entscheidungen treffen. „Irgendwann lernt die KI dann, wenn die Parameter stimmen, Korrelationen herzustellen und auch eigene Entscheidungen zu treffen. Darin liegt der entscheidende Unterschied: RPA basiert auf einem klar kommunizierten Ablauf, KI handelt selbstständig“, so Sebastian Reinemann. Da das Erreichen eines ROI (Return of Invest) bei KI sehr lange dauert, konzentrieren sich die Autohäuser vorerst auf einfache Lösungen wie RPA.
RPA in der Mercedes-Welt
Die RPA im Aftersales wurde von der Star Corporation zusammen mit Autohaus Kunzmann entwickelt. „Am Anfang überlegten wir gemeinsam, wo man eine RPA am besten einsetzen könnte“, erinnert sich Marten Kalmbach, Leitung Digital-Aftersales bei Autohaus Kunzmann. Da die Auftragsqualifizierung damals noch ausschließlich von den Mitarbeitern gemacht wurde und sehr zeitintensiv war, bot sich der Bereich für den Bot-Einsatz sehr gut für den ersten Testbetrieb an. So wollte man bei Kunzmann herausfinden, wie viele Kapazitäten durch RPA gebunden werden konnten.
Nach dem positiven Feedback der ersten Betriebe wurde das RPA-Tool dann 2021 auch auf weitere Kunzmann-Standorte ausgerollt. Zwischen dem Entwicklungsstart und der flächendeckenden Anwendung verging laut Marten Kalmbach in etwa ein Jahr. In den Folgejahren kamen auch die Mercedes-Händler Herbrand, Nord-Ostsee Automobile und Beresa mit an Bord und setzten die RPA nach und nach in ihren Betrieben ein.
API nicht mehr zwingend notwendig
Im Autohaus arbeiten unzählige Systeme parallel. Damit diese Daten miteinander austauschen, muss dies entweder manuell durch die Mitarbeiter geschehen oder aber über eine Schnittstelle (API). Doch eine API ist teuer und nicht immer realisierbar. Hier kann die RPA ihr volles Potenzial entfalten. Anstatt die Systeme miteinander sprechen zu lassen, übernimmt sie die manuellen Arbeitsschritte der Mitarbeiter. Ist eine API vorhanden, nutzt der Bot diese, um die Arbeit schneller zu erledigen.
"RPA ist eine workflowbasierte Lösung. Alles, was der Roboter tut, ist vorher einprogrammiert. Das bedeutet, ein Mensch hat jede Entscheidung des Roboters vorher gecheckt und entschieden, wie der Roboter handeln soll."
Sebastian Reinemann, Senior Consultant Star Corporation
Copy & Paste ist damit obsolet. „Im Autohaus gibt es etliche sich wiederholende Arbeitsschritte, wie die Auftragsvorbereitung, die immer gleich ablaufen. Das birgt auch Anfälligkeit für Fehler durch den Menschen“, ergänzt Patrik Pietryga, Leiter Digital Service bei Nord-Ostsee Automobile. Während ein Mitarbeiter den Auftrag im Terminplanungssystem mit allen notwendigen Daten anlegt, musste bisher ein anderer Mitarbeiter sämtliche Daten noch mal im DMS eingeben. „Der RPA-Roboter packt sämtliche Daten in einen einzigen Auftrag, der am Schluss nur noch von einem Mitarbeiter geprüft werden muss“, so Pietryga weiter.
RPA ersetzt keine Menschen
Die Einführung eines Systems, das den Mitarbeitern Aufgaben abnimmt, ist auch ein großes Change-Thema. „Die Mitarbeiter sind anfangs oft kritisch. Man muss viel Zeit und Energie investieren und sie mitnehmen, dass sie den Bot nicht als Konkurrenz, sondern als Assistenten sehen. Beim Roll-out können die Mitarbeiter mithelfen, indem sie ihre fachliche Expertise einbringen“, berichtet Patrick Kröger, Head of RPA and Roll-out For Digital Workshop bei Evosec, dem Softwareunternehmen von Herbrand. RPA verdrängt folglich niemand. Im Gegenteil: Die Mitarbeiter bekommen so wieder mehr Zeit, sich mit ihrem Fachwissen wieder voll auf den Kunden konzentrieren zu können. Dafür setzen die beteiligten Mercedes-Händler einen sogenannten Key User in den Fachbereichen ein, der das System und die Prozesse sehr gut kennt. „Er bildet die Schnittstelle zu den IT-Unternehmen. Wenn es zu einer Störung kommt oder etwas angepasst werden muss, erhält der Key User eine Meldung und verständigt das interne RPA-Team. Dann kümmert sich die Star Corporation um die Behebung des Fehlers“, erklärt Kurt Weinrich, Projektmanager bei Beresa und Head of Business Development bei auto dm.
Einsatz im Autohaus
Aktuell übernimmt der Bot bei Herbrand laut Patrick Kröger bereits die gesamte Auftragsvorqualifizierung. Davon sind 10 bis 15 Prozent der Aufträge vollständig und müssen nicht mehr durch einen Mitarbeiter überprüft werden. Diese Zahl soll perspektivisch auf bis zu 80 Prozent steigen. „Selbst wenn der Bot nur einen Teil der Aufträge abwickelt, ist das schon eine spürbare Zeitersparnis“, erläutert Patrick Kröger. „Auch kann der Roboter bereits selbst entscheiden, ob ein Auftrag reif zur Kundenunterschrift ist oder ob ihn ein Mitarbeiter vorher noch mal kontrollieren soll. Diese Rückmeldung des Bots ermöglicht das System Workshop Control von Evosec. Hier verzahnen sich dann schlussendlich die komplett digitale Auftrags- und Werkstattsteuerung mit der Automatisierung von Auftragsprozessschritten. Das Ergebnis ist ein enormer Effizienzgewinn.“
"Im Autohaus gibt es etliche sich wiederholende Arbeitsschritte, wie die Auftragsvorbereitung, die immer gleich ablaufen. Das birgt auch Anfälligkeit für Fehler durch den Menschen."
Patrik Pietryga, Leiter Digital Service bei Nord-Ostsee Automobile
Lead Management der Connectivity Systeme, Gebrauchtwagenvertrieb, Rechnungsstellung, Reklamationsmanagement, Reifenangebote – die Einsatzgebiete von RPA werden sich im Handel in Zukunft noch mehr ausweiten. Deshalb ist auch eine Entwicklung für andere Herstellermarken geplant. Ziel ist es, die Händler in die Entwicklung miteinzubinden und Synergien zu nutzen. „Alle Händler stehen vor denselben Herausforderungen. Man sollte also mehr zusammenarbeiten und sich auch markenübergreifend austauschen“, betont Marten Kalmbach. Recht hat er.