Der Angriff Russlands auf die Ukraine und der Sprung beim Ölpreis haben sich vorerst nicht an den deutschen Tankstellen bemerkbar gemacht. Die Preise für Benzin und Diesel lagen am späten Donnerstagvormittag gleichauf mit den vergleichbaren Werten vom Mittwochvormittag, wie der ADAC auf Nachfrage mitteilte. Am Mittwoch hatten sich im bundesweiten Tagesdurchschnitt allerdings bereits Allzeithochs von 1,750 Euro je Liter Super E10 und 1,663 Euro je Liter Diesel ergeben.
ADAC-Kraftstoffmarktexperte Jürgen Albrecht erwartet steigende Spritpreise. "Es ist zu befürchten, dass die Höchstpreise von gestern nicht die letzten bleiben werden", sagte er. Tendenziell geht er von weiter steigenden Ölpreisen aus. Und dann würden auch die Spritpreise anziehen. Ein Benzinpreis von zwei Euro im bundesweiten Tagesdurchschnitt sei aber "in absehbarer Zeit nicht zu erwarten", beruhigte Albrecht. "Dafür müsste der Ölpreis in ganz andere Größenordnungen vordringen, als er das zuletzt getan hat."
Der volatile Ölpreis, der am Donnerstag erstmals seit Jahren wieder die Marke von 100 Dollar je Barrel (159 Liter) überschritt, ist typischerweise der wichtigste Treiber bei den Veränderungen der Spritpreise. Dabei macht er nur einen Teil der Kosten an der Zapfsäule aus. Große Teile der Besteuerung und die Vertriebskosten sind dagegen nicht vom Ölpreis abhängig, was die Schwankungen der Spritpreise dämpft. Grob überschlagen macht ein Anstieg des Ölpreises um einen Dollar weniger als einen Cent bei Benzin oder Diesel aus.
Allerdings kann der Spritpreis sich auch unabhängig vom Ölpreis entwickeln, wie sowohl Albrecht als auch der für Raffinerien und Markentankstellen zuständige Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x) betonten. Die Mineralölkonzerne hätten einen gewissen Spielraum, sagte Albrecht.
Sorgen um die Versorgungssicherheit mit Treibstoff in Deutschland macht sich Albrecht nicht. Er habe keinerlei Anzeichen dafür. Allerdings gebe es keine Vergleichsfälle. Auch der Verband en2x erklärte, die Versorgung in Deutschland sei gesichert. So gebe es entsprechend der gesetzlich vorgeschriebenen Bevorratung Reserven: 90 Tage bei Mineralöl und auch bei den wichtigsten Produkten. Zudem ließen sich Öl und Ölprodukte auch auf dem Seeweg handeln. Letzteres könne aber zu höheren Transportkosten führen.
Aktuell verzeichne man normalen Betrieb, betonte en2x. "Sowohl die Produktion in den Raffinerien als auch die Versorgung der Tankstellen läuft unverändert." Rund ein Drittel der deutschen Rohölimporte kommt dem Verband zufolge aus Russland.