Ausgabe 17/2012: Klare Grundsätze

Klare GrundsätzeAusgleichsanspruch – Details zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 89b HGB analog AUTOHAUS-JURISTEN Rechtsanwälte G. Haug & PartnerSeit dem 1. Januar 2012 ist die Zuständigkeit für das Handelsvertreterrecht beim BGH auf den 7. Senat übergegangen. In den letzten zwei Kalenderjahren seiner Zuständigkeit hat der 8. Senat mit vier einschlägigen Urteilen zum Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers nochmals seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und weitere Detailfragen entschieden (Urteile vom 13.01.2010 – Aktenzeichen VIII ZR 25/08; 06.10.2010 – Aktenzeichen VIII ZR 209/07; 16.02.2011 – Aktenzeichen VIII ZR 226/07; 13.07.2011 – Aktenzeichen VIII ZR 17/09). Zusammengefasst gilt Folgendes:Vorteile des HerstellersEntgegengetreten ist der Bundesgerichtshof der Argumentation, dem Hersteller bzw. Importeur würden aus der Werbetätigkeit des Händlers schon deswegen keine Vorteile zufließen, weil dem Hersteller/Importeur ein Direktvertrieb von Fahrzeugen nicht möglich sei und im Handelssystem die Verpflichtung zur Zahlung der Provision für Geschäfte mit vom Händler geworbenen Kunden nicht entfalle, sondern dann gegenüber einem anderen Händler bestehe.Klargestellt wurde, dass § 89b HGB dem Handelsvertreter bezogen auf sein konkretes Vertragsverhältnis einen Ausgleich für den Wert des von ihm geschaffenen Kundenstammes gewährt, der von den bisherigen Provisionszahlungen nicht vollständig abgedeckt ist. Der nachfolgende Händler verdient dagegen Provisionen für die von ihm vermittelten Geschäfte. Eine monierte Doppelbelastung des Herstellers/Importeurs ist als zwangsläufige Folge der gesetzlichen Bestimmungen des Handelsvertreterrechtes hinzunehmen.MehrfachkundeneigenschaftBestätigt wurde noch einmal, dass als Mehrfachkunden auch diejenigen gelten, welche innerhalb des letzten Vertragsjahres zwei oder mehr Fahrzeuge kaufen. Dies gilt unabhängig davon, ob die verschiedenen Kaufverträge auf unterschiedlichen Kaufentschlüssen beruhen oder ob zeitgleich mehrere Fahrzeuge erworben werden. Auch dann ist zu unterstellen, dass dem Hersteller erhebliche Vorteile nach Vertragsbeendigung verbleiben. Mehrfachkunden sind auch nahe Familienangehörige wie Ehefrau, Kinder oder Eltern. Nicht erforderlich ist, dass sie in häuslicher Gemeinschaft leben.Vertretertypische TätigkeitenWeiterhin sind für die Ermittlung der Provisionsverluste diejenigen Vergütungen und Provisionsteile auszublenden, die nicht für dem Handelsvertreter vergleichbare Tätigkeiten bezahlt werden. Nicht ausgleichsfähig sind also Teile des Händlerrabattes oder andere Vergütungen, die für händlertypische Aufwendungen bezahlt werden, wie beispielsweise Personal, Betriebsausstattung, Werbung, Präsentation, Lagerhaltung und Vorführfahrzeuge. Diese für die bis Mitte 2009 geltende Fassung des § 89b HGB entwickelte Rechtsprechung bleibt weiterhin aktuell, da faktisch die Provisionsverluste weiterhin Rechengrundlage für den auszugleichenden Vorteil des Herstellers sind, auch wenn sie die Höhe des Ausgleichsanspruches nach der aktuellen Gesetzeslage nicht mehr beschränken.BerechnungsmethodenDer BGH lässt weiterhin verschiedene Berechnungsmethoden für die Ermittlung des Ausgleichsanspruchs zu und sieht die Gerichte auch bei übereinstimmender Anwendung einer Berechnungsmethode durch beide Parteien nicht gebunden. Konkret gebilligt wurde die Zugrundelegung eines Fünfjahreszeitraumes für die Berechnung des Ausgleichsanspruches durch das Berufungsgericht wegen atypischem Verlauf des letzten Geschäftsjahres, dessen Zahlen beide Parteien ihrem Vortrag zugrunde gelegt hatten. Auch kürzere Zeiträume als fünf Jahre hält der BGH für berücksichtigungsfähig.RohertragsmethodeBei Anwendung der Rohertragsmethode – d. h. bei Ermittlung der Provisionen des Händlers durch Abzug der Händlereinkaufspreise von den Verkaufspreisen – sind auch erst nachträglich bezahlte Boni, Prämien und Verkaufshilfen hinzuzurechnen, sofern sie nicht speziell für händlertypische oder verwaltende Tätigkeiten geleistet wurden. Mit einzubeziehen sind hierbei auch Vergünstigungen, die dem Händler ohne konkreten Rechtsanspruch gewährt wurden. Voraussetzung ist lediglich, dass der Händler weiterhin mit diesen Zahlungen rechnen konnte und sie deshalb als Bestandteil seiner Preiskalkulation zu betrachten sind. Auch Zuschüsse für Geschäfte mit Großabnehmern und für Leasinggeschäfte werden als Ausgleich für die verkaufsfördernden Preisnachlässe des Herstellers gewertet und sind dem Rohertrag zuzurechnen.Nachdem nur solche Zusatzleistungen dem Rohertrag zuzuschlagen sind, die für handelsvertretertypische Leistungen bezahlt wurden, ist eine Kürzung dieser Zusatzleistungen um Anteile für händlertypische Aufwendungen nicht zulässig. Abzüge für Rabattanteile, die für Verwaltung, Personal- und Geschäftsausstattung etc. bezahlt werden, sind also nur vom Rohertrag selbst ohne Einbezug von Großabnehmer-, Gebrauchtwagen- und Leasingzuschüssen vorzunehmen. Nicht entschieden ist bislang, wie Boni einzuordnen sind, die für die Erfüllung von Qualitätskriterien bezahlt werden.BilligkeitsabzügeWeiterhin gilt, dass ein Billigkeitsabzug für die Sogwirkung der Marke gerechtfertigt ist. Die Höhe des Abzuges unterliegt dem richterlichen Ermessen, wobei der BGH von der Üblichkeit eines Abzuges in Höhe von zehn bis 25 Prozent ausgeht und darauf hinweist, dass die 25 Prozent keinen Regelwert, sondern den bisher höchsten angenommenen Wert darstellen. Eine Verpflichtung der Gerichte zur Erholung von angebotenen Sachverständigengutachten sieht der BGH auch dann nicht, wenn die Sogwirkung mit 60 oder 70 Prozent behauptet wird. Ein Billigkeitsabzug kann auch vorgenommen werden, wenn der Händler nach Vertragsbeendigung als Servicepartner tätig ist und damit noch im Bereich der Werkstattleistungen Vorteile aus seinem Kundenstamm ziehen kann.Ausschluss des VertreterausgleichsUnter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BGH nach Vorlage an den Europäischen Gerichtshof konform zur Handelsvertreterrichtlinie 86/653/EWG entschieden, dass ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs wegen schuldhaften Verhaltens des Händlers nur dann anzunehmen ist, wenn ein unmittelbarer Ursachenzusammenhang mit der Kündigung besteht. Im entschiedenen Fall hatte der Importeur ordentlich gekündigt und erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erfahren, dass der Händler 28 Fahrzeuge an eine personell verbundene Autovermietung veräußerte mit der Absprache, dass die notwendige Haltefrist vertragswidrig nicht eingehalten wird. Die vom Importeur zu Unrecht bezahlten Zuschüsse betrugen ca. 27.000 Euro. Eine fristlose Kündigung konnte nicht mehr erfolgen und war damit im Sinne der genannten Richtlinie nicht Ursache der Vertragsbeendigung. Zur Herstellung der Gerechtigkeit kann jedoch die Berücksichtigung des vertragswidrigen Verhaltens im Rahmen eines Billigkeitsabzuges erfolgen. Rechtsanwalt Robert Glocker, kanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung1. Zum 01.01.2012 ist die Zuständigkeit für das Handelsvertreterrecht beim BGH auf den 7. Senat übergegangen.2. Der bislang zuständige 8. Zivilsenat hat über lange Jahre stringent das Recht des Vertragshändlers auch im Detail weiterentwickelt wie vorstehend dargestellt. Mit seinen Entscheidungen hat der BGH für die Anwendungspraxis klar formulierte Grundsätze aufgestellt.3. Versuche der Hersteller und Importeure, den Ausgleichsanspruch der Vertragshändler auszuschalten, sind bislang weitgehend an der Rechtsprechung des BGH gescheitert.Kommentar< Tendenziell ist festzustellen, dass in den letzten Jahren die Einwendungen der Hersteller und Importeure gegen die Berechnungen des Ausgleichsanspruches sowohl außergerichtlich als auch im Prozessfalle filigraner werden. Dementsprechend hatte sich auch die Rechtsprechung mit immer mehr Einzelheiten zu beschäftigen, die dann – wie in diesen Streitigkeiten zu erwarten – letztlich dem BGH zur abschließenden Klärung vorgelegt werden. Der 8. Zivilsenat hat in jahrelanger Zuständigkeit die Rechtsprechung zum Recht des Handelsvertreters mit bemerkenswerter Stringenz fortgeschrieben und weiterentwickelt. Seine Urteile markieren für den nach dem Geschäftsverteilungsplan ab 2012 zuständigen 7. Senat mögliche Anknüpfungspunkte für eine Fortführung der bisherigen Linie. Jedenfalls aber werden sich die neu zuständigen Richter im Falle einer beabsichtigten Änderung der Rechtsprechung mit den bisherigen Urteilen auseinanderzusetzen haben. >

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