Ausgabe 11/2011: Klagen auf hohem Niveau

Klagen auf hohem NiveauLieferzeiten E Lange Lieferzeiten machen Herstellern, Händlern und Kunden derzeit zu schaffen. Der Umgang damit ist aber unterschiedlich. Von doris PlateEigentlich ist es ein Luxusproblem: lange Lieferzeiten. Es trifft fast alle Marken gleichermaßen: Im Schnitt warten die Kunden über alle Marken und Modelle hinweg zurzeit 13 Wochen auf ihr bestelltes Fahrzeug, ergab die pulsSchlag-Umfrage von AUTOHAUS. Wie die Hersteller damit umgehen, ist aber durchaus unterschiedlich.„Wir klagen auf hohem Niveau“, sagt zum Beispiel Volkswagen/Audi-Händlerverbandspräsident Michael Lamlé, denn die Verkaufszahlen sind sehr gut. Probleme mit Zielerreichung, Lager- und Vorführwagenvorgaben gibt es nach seinen Angaben derzeit bei diesen Marken nicht.Auch BMW-Händlerverbandspräsident Werner Entenmann sieht das entspannt. Er teilte mit, dass der Hersteller bereits zugesagt habe, dass es eine kulante Regelung gebe, wenn es am Jahresende wegen der langen Lieferzeiten Probleme mit den Boni gebe. Auch für letztes Jahr sei das schon verabredet gewesen, aber nicht zum Tragen gekommen. Ähnlich äußert sich Dr. Peter Ritter vom Mercedes-Vertreterverband. Auch er setzt darauf, dass mit dem Hersteller eine einvernehmliche Lösung gefunden werden wird, wenn es am Jahresende Probleme mit den Boni geben solle.Renault handhabt die Festlegung der Monatsziele „flexibel“, um eine optimale Volumen- und Bonuszielerreichung für die Händler zu ermöglichen. „Wer in dieser Situation die Händlernetzrentabilität außer Acht lässt, begeht mittelfristig gesehen einen Fehler“, meint Renault-Deutschland-Chef Achim Schaible. Manche Marken mehr betroffenEs gibt aber einige Marken, die größere Schwierigkeiten mit den Lieferungen haben, dazu gehören die Franzosen, teilweise die Japaner und die Koreaner. Aber auch hier sind die Fabrikate sehr unterschiedlich betroffen, und nicht immer hat es etwas mit den Vorkommnissen in Japan zu tun. Oft sind auch einfach eine falsche Einschätzung der Marktentwicklung und die damit verbundene Produktionsplanung schuld am langen Warten. Bei manchen sind auch andere Märkte derzeit interessanter. Aber auch hier ist der Umgang mit den Problemen sehr unterschiedlich.Toyota hat zum Beispiel alle Händler für die Boni so gestellt, als ob sie zu 100 Prozent ihr Ziel erreicht hätten – auch wenn dies wegen der langen Lieferzeiten nicht der Fall ist. Für betroffene Kunden werden zum Beispiel jetzt auslaufende Leasingverträge zu gleichen Konditionen verlängert. Wenn das Auto beim späteren Rückgabetermin weniger wert ist, zahlt der Hersteller die Differenz. Darüber hinaus gibt es für die Kunden ein Wartezeitenbetreuungsprogramm, bei dem sie mit kleinen Zuwendungen und aktuellen Informationen bei Laune gehalten werden. Bei Subaru werden die Bestimmungen zu Lager- und Vorführwagen ebenso wie zur Zielerfüllung gelockert. Unerbittlich zeigen sich aber (bislang) die Koreaner. Sie helfen lediglich in Einzelfällen, generelle Regelungen für alle Händler gibt es nicht. Und auch bei den Franzosen zeigt sich derzeit eher eine Salami-Taktik: Die Lieferzeiten werden scheibchenweise verlängert. zLesen SIe hier...... wie Hersteller und Importeure derzeit wegen der langen Lieferzeiten mit ihren Netzen umgehen und wie die Rechtslage ist. KurzfassungBei den meisten Fabrikaten ziehen derzeit Hersteller/Importeur und Händler bei den Lieferzeiten an einem Strang. Für diejenigen, die sich (bisher) nicht einvernehmlich auf eine Vorgehensweise einigen konnten, beleuchtet AUTOHAUS-Jurist Robert Glocker die Rechtslage. Tenor: Bei gravierenden Abweichungen besteht ein Anspruch des Händlers auf Anpassung der vertraglichen Vereinbarungen. Wir befragten AUTOHAUS-Jurist Robert Glocker von der Kanzlei Haug & Partner zur rechtlichen Stellung der Händler bei Konsequenzen aus langen Lieferzeiten. AH: Herr Glocker, wegen langer Lieferzeiten haben derzeit einige Händler Probleme, genügend Zulassungen zu machen, um ihre Boni zu bekommen. Gibt es rechtliche Möglichkeiten, diese dennoch durchzusetzen?R. Glocker: Zunächst ist von Bedeutung, woran der Bonusanspruch nach dem Vertrag geknüpft ist. Lösen die Fahrzeugbestellungen Bonusansprüche aus, stehen diese dem Händler unabhängig von Lieferzeiten zu. Knüpft der Bonus an die Fahrzeugauslieferung oder Zulassung an, kann er nur dann durchgesetzt werden, wenn der Hersteller oder Importeur die lange Lieferzeit verschuldet.Wenn dies nicht der Fall ist– etwa bei höherer Gewalt, wie zum Beispiel durch die Naturkatastrophe in Japan – gilt Folgendes: Die Abnahmezahlen wurden zwischen Händler und Hersteller/Importeur unter der Prämisse vereinbart, dass die zur Abnahme vorgesehenen Fahrzeuge in der entsprechenden Zahl tatsächlich im Abnahmezeitraum geliefert werden können.Entfällt diese Voraussetzung, besteht – zumindest bei gravierenden Abweichungen – ein Anspruch des Händlers auf Anpassung der vertraglichen Vereinbarungen nach den Grundsätzen der „Störung der Geschäftsgrundlage“ gemäß § 313 BGB. Das heißt, der Händler kann eine Anpassung der vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere der Abnahmezahlen und/oder der Boni verlangen. Voraussetzung ist, dass der Händler die bisherigen Bonusziele nicht akzeptiert hätte, wenn er die veränderten Bedingungen hätte vorhersehen können und ihm ein Festhalten an den bisherigen Konditionen nicht zumutbar ist. Die Anpassung zielt aber nicht darauf ab, den Händler komplett schadlos zu stellen. Vielmehr sind die beiderseitigen Interessen zu berücksichtigen.Keine VertragsverletzungAH: Auch können unter Umständen Lager- und Vorführwagenstandards nicht eingehalten werden. R. Glocker: Können aufgrund langer Lieferzeit von Lager- und Vorführwagen Standards nicht eingehalten werden, kann dies dem Händler nicht als Vertragsverletzung vorgehalten werden. Wird die Einhaltung der diesbezüglichen Standards durch Boni vergütet, gilt das eben Gesagte.AH: Im Schnitt werden die Neuwagen drei Wochen später als im Vertrag zugesagt an den Kunden ausgeliefert. Kann der Händler wegen dieser Verzögerung gegen den Hersteller vorgehen?R. Glocker: Wegen Lieferverzögerung kann der Händler nur dann vorgehen, wenn sich der Hersteller im Verzug befindet, d. h. wenn verbindliche Liefertermine vereinbart waren oder bei unverbindlichen Terminen angemessene Frist gesetzt und die Lieferung dann angemahnt wurde. In allen Fällen ist auch hier Voraussetzung, dass der Hersteller die Verzögerung zu vertreten hat. Dann kann der Händler Schadenersatz verlangen.AH: Manchmal treten die Kunden wegen der Lieferverzögerung von ihrem Kauf zurück. Wer muss den Schaden tragen?R. Glocker: Tritt der Kunde berechtigt vom Kaufvertrag zurück, kann der diesbezügliche Schaden vom Händler nur dann an den Hersteller weitergegeben werden, wenn sich dieser mit der Lieferung in Verzug befand oder andere Vertragspflichten verletzt hat.Freiwillige LeistungenAH: Bei insgesamt 62 Prozent der Händler gibt es Kundenentschädigungen für Lieferverzögerungen. Mehrheitlich werden die Entschädigungen vollständig vom Händler übernommen. Kann der Handel eine Beteiligung des Herstellers verlangen?R. Glocker: Bei Kundenentschädigungen für Lieferverzögerung dürfte es sich um freiwillige Leistungen außerhalb konkreter Schadenersatzansprüche des Kunden handeln. Ohne entsprechende Vereinbarung zur Weitergabe oder Beteiligung des Herstellers kann der Händler nicht verlangen, dass solche freiwilligen Leistungen ersetzt werden.Grundsätzlich ist aber jeder Vertragspartner gehalten, Schaden für den anderen Vertragspartner zu vermeiden. Insofern kann selbstverständlich die Unterstützung des Herstellers verlangt werden. Diese muss allerdings dem Vertragszweck entsprechen und zumutbar möglich sein.AH: Vor allem große und sehr große Händler profitieren von Herstellerunterstützungen, wenn der Liefertermin nicht eingehalten wird. Anders kleine und mittelgroße Händler: Können die Händler gegen diese Ungleichbehandlung vorgehen?R. Glocker: Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass die Hersteller ihre Unterstützung im Rahmen der Vertriebsverträge nicht einseitig zu leisten haben und denjenigen Händlern schuldhaft Schaden zufügen, die nicht „proportional“ gleichwertige Unterstützung erhalten. Werden verfügbare Fahrzeugkontingente bevorzugt an große Händler ausgeliefert und Bestellungen kleinerer Händler gleichzeitig nicht bedient, können grundsätzlich Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Theoretisch sind diese auch auf Belieferung mit Fahrzeugen gerichtet, soweit noch verfügbar. Hier wird jedoch wohl den nächsten Kollegen auf die Füße getreten.AH: Herr Glocker, danke für das Gespräch!

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Klagen auf hohem Niveau

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