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Interview: " Handel und OEM müssen sich gegenseitig zuhören"

28.06.2023 19:13 Uhr | Lesezeit: 7 min
Fiona Eidenmüller
© Foto: Auto-Scholz

Als Teil der Geschäftsleitung ist Fiona Eidenmüller für Digital Strategy und Change Management bei Auto-Scholz verantwortlich. Wie sie das Unternehmen digital fit machen möchte und was Luxuskosmetik damit zu tun hat, verrät sie im Interview.

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Der Autohandel muss sich auf die Transformation zu einem digital orientierten Wirtschaftszweig einlassen. Zu groß ist die Konkurrenz, zu verlockend das vielfältige Angebot für die Kunden, mit einem Klick woanders noch schneller und noch günstiger zu kaufen.
Fiona Eidenmüller kennt das. Nach den ersten Praxiserfahrungen im Familien­betrieb bei Auto-Scholz machte sie ihren Master in Berlin und London. Danach kehrte die gebürtige Bambergerin dem Autohandel jedoch erst einmal den Rücken und ging zum Kosmetikkonzern L’Oréal, bei dem sie die Luxusmarke Lancôme und die Einzelhandelskette Douglas im Bereich E-Commerce und Marketing betreute. Nach vier Jahren entschied sie sich für das eigene Familienun­ternehmen und zurück in die heimische ­Autohandelsbranche zu wechseln. Nicht nur eine Herzensangelegenheit, wie sie sagt, sondern eine neue Herausforderung.

Fiona Eidenmüller
© Foto: Auto-Scholz

"Jetzt im Zuge des neuen Agenturmodells kommen auch viele IT-Themen auf den Tisch. "

Fiona Eidenmüller Geschäftsleitung für Digital Strategy & Change Management bei Auto-Scholz


AH: Frau Eidenmüller, wie haben Sie sich auf Ihre Aufgabe bei der Auto-Scholz Gruppe vorbereitet?
F. Eidenmüller: Als Erstes habe ich eine Art Rundreise zu anderen Mercedes-Vertretungen gemacht und war dort jeweils einen Monat vor Ort. So konnte ich genau die Prozesse und auch die Herausforderungen kennenlernen, die mich erwarteten. Und schnell wurde mir klar: Beim Thema Digitalisierung gibt es noch viel Bedarf im Autohandel.

AH: Gab es bei Auto-Scholz damals schon eine Digitalisierungsstrategie?
F. Eidenmüller: Wir waren hier noch in den Anfängen. Unsere IT und die Fachbereiche haben gemeinschaftlich Themen angegangen und umgesetzt. Durch meine Funktion können wir jetzt strategischer vorgehen. Meine Arbeit fällt stark in den Bereich Change Management, denn es muss nicht nur eine technische Weiterentwicklung, sondern auch eine strategische und eine menschliche im Unternehmen geben. Deshalb hängt an meiner Position auch viel Geschäftsführungsarbeit.

AH: Finden Sie den menschlichen oder den technischen Aspekt bei der Digitalisierung anspruchsvoller?
F. Eidenmüller: Eindeutig den technischen. Natürlich muss man die skeptischen Mitarbeiter bei Veränderungen richtig mitnehmen. Aber es gibt auch sehr viele Kollegen, die dem Thema sehr aufgeschlossen gegenüberstehen und motiviert sind, etwas zu verändern. Die Herausforderungen bei der Technik hätte ich so im Branchenvergleich nicht erwartet. Das Auto ist ein ganz anderes Produkt und bringt im Handel riesige Systemlandschaften und unzählige, teilweise auch recht komplexe Prozesse mit sich. Diese müssen im Autohaus alle möglichst miteinander verzahnt werden, um den Kunden schlussendlich die perfekte Customer Journey zu ermöglichen.

Auto-Scholz Außenansicht
Moderner Showroom und Arbeitsplatz: das Center Of Experience von Auto-Scholz in Bamberg.
© Foto: Auto-Scholz

AH: Was war für Sie die größte Umstellung, als Sie in den Autohandel gewechselt sind?
F. Eidenmüller: Auf dem Konsumgütermarkt passiert alles extrem schnell. Man muss sofort reagieren, sonst sieht sich der Kunde oder die Kundin woanders um, da das Angebot gerade online riesig ist. Während der Pandemie hat L’Oréal einen großen Anteil des Marketingbudgets in den Onlinebereich gesteckt, da alles im stationären Handel geschlossen war. Wer dies nicht getan hat, der hat in kürzester Zeit Marktanteile verloren. Ich hatte damals eine Lead-Funktion in der Handelskette Douglas. Wir haben in dieser Zeit mehr in den Bereichen Lead Management, Social Media und CRM umgesetzt als in den fünf Jahren zuvor (lacht).

AH: Auch im Autohandel waren die Lockdowns eine Art Katalysator für digitale Projekte.
F. Eidenmüller: Der Vorteil in der Automobilbranche ist, dass es dagegen ein eher entschleunigter Markt ist. Die Kunden sind weniger entscheidungsfreudig, da hinter einem Autokauf so ein großes Investment steht. Da haben wir im Vergleich zur Konsumgüterbranche mehr Zeit, die wir wegen der komplexen Prozesse aber auch brauchen. Wir haben bei Auto-Scholz damals während Corona vieles probiert. Zum Beispiel die digitale Dialogannahme mit Hilfe von Chats und Videos. Allerdings war, ehe das Tool vollständig eingeführt war, die Pandemie schon so gut wie vorbei. Das lag in erster Linie an der Komplexität der Prozesse. Das muss in Zukunft alles schneller gehen. Die Hersteller, Drittanbieter und der Handel müssen da noch enger zusammenarbeiten.

AH: Wie könnte es denn besser gehen?
F. Eidenmüller: Das Erste wäre, dass Prozesse merklich entschlackt werden. Es sind immer noch zu viele Arbeitsschritte, Medienbrüche und Unterschriften notwendig, die uns da ausbremsen. Da sollten uns vor allem die OEM unterstützen, denn wir müssen in vielen Fällen mit ihren Systemen arbeiten. Hat ein OEM keine verzahnte IT-Landschaft, muss der Handel selbst ergänzende Workflows mit aufwendigen Schnittstellen (API) programmieren oder Bots einsetzen, um Daten nicht händisch mehrfach pflegen zu müssen. Und das ist ex­trem teuer. Der Händler muss also genau abwägen, ob es sich für ihn lohnt, in eigene Lösungen zu investieren, wenn vom OEM über kurz oder lang kein verzahntes System in Sicht ist.

Eidenmüller Werkstatt
Auch in der Werkstatt ist es das Ziel von Auto-Scholz, möglichst auf Papier zu verzichten.
© Foto: Auto-Scholz

AH: Wie könnte aus Ihrer Sicht die Zusammenarbeit mit den OEM noch besser funktionieren?
F. Eidenmüller: Ich finde, beide Seiten sollten immer dasselbe Interesse verfolgen: Kundenzufriedenheit. Daten sind dafür eine wichtige Grundlage, aber wenn nur um die Daten gekämpft wird, geht das zu Lasten der Kunden. Am Ende ist es doch egal, ob die Kunden off- oder online kaufen. Wenn der Kundenfokus im Vordergrund steht, dann profitieren schlussendlich alle davon.

AH: Gelingt Ihnen das bei Auto-Scholz?
F. Eidenmüller: Es ist auch für uns nicht immer einfach. Wir suchen aber stets den Austausch mit unseren Herstellern wie Mercedes. Außerdem bekommen wir auch sehr gute Unterstützung vom Verband der Mercedes-Benz Vertreter (VMB). Jetzt im Zuge des neuen Agenturmodells kommen da auch viele IT-Themen auf den Tisch. Diese Herausforderungen können nur gemeinsam gelingen und das geht nur, wenn Handel und OEM sich gegenseitig zuhören.

AH: Stichwort Agentur. Können Sie nachvollziehen, warum die OEM diese Umstellung pushen?
F. Eidenmüller: Aufgrund meiner Zeit bei L’Oréal kann ich das sogar sehr gut nachvollziehen. Der Handel in der Konsumgüterbranche ist ganz anders strukturiert. Die Händler vertreiben zum einen viele verschiedene Marken. Zum anderen liegen die Kundendaten nicht beim Hersteller, sondern ausschließlich beim Händler. Das bringt dem Handel viel Macht, auch in der Preisgestaltung, was zu extremen Rabattschlachten im ­E-Commerce führt. Diese Preiskämpfe schaden wiederum der Marke. Das Agenturmodell bringt den OEM, in unserem Fall Mercedes, die Preishoheit zurück und kann langfristig die Marke als Premiumprodukt stärken.

AH: Vorteile vor allem für die OEM.
F. Eidenmüller: Für den Handel muss es in jedem Fall lukrativ bleiben. Die Kunden müssen on- und offline denselben Preis und eine Omnichannel-Customer-Journey vorfinden. Der Handel muss entsprechend bonifiziert werden, egal auf welchem Wege gekauft wird. Natürlich ist die Preisgestaltung der OEM auschlaggebend für den Erfolg der Marke. Wenn im Vergleich zum Wettbewerb die Produkte zu teuer platziert werden, verlieren wir Kunden und damit Marktanteile. Man kann das auch nicht so schnell wieder zurückdrehen. Das betrifft vor allem das Luxussegment, in dem wir mit Mercedes unterwegs sind. Nur wenn die Qualität im Vergleich zum Preis stimmt und die Kunden ein tolles Kauferlebnis haben, akzeptieren sie auch höhere Preise. Wenn das garantiert ist, kann diese Strategie auch Vorbildcharakter für die Branche haben.


"Gerade ergebnisrelevante Bereiche im Autohaus eignen sich für Prozessoptimierungen und Digitalisierungen."

Fiona Eidenmüller, Geschäftsleitung für Digital Strategy & Change Management bei Auto-Scholz


AH: Sollten Händler als Agenten auch verstärkt an der eigenen Marke arbeiten?
F. Eidenmüller: Die Eigenmarke eines Autohauses ist natürlich sehr wichtig, weil man dem Kunden als Händler ja ein Qualitätsversprechen gibt. Gleichzeitig erwartet der Kunde auch ein gewisses Markenerlebnis. Es macht daher auch manchmal Sinn, dass die Händlermarke in den Hintergrund rückt. Unser oberstes Ziel muss sein, die Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Die Porsche-Kunden beispielsweise suchen im Internet als Erstes nach der Marke. Sucht ein Kunde „Porsche Bamberg“ und nicht nach ­„Porsche Auto-Scholz“, ist die Porsche Herstellerwebsite ausschlaggebend. Wir haben uns deswegen entschieden, die Marke Porsche nicht auf unserer eigenen Auto-Scholz Händlerwebsite zu integrieren, weil die Kunden direkt zur Marke wollen. Der Händler muss den Spagat zwischen Händlermarke und Fahrzeugmarke hinbekommen.

AH: Wie geht man als Händler in Ihren Augen das Thema Digitalisierung am ­besten an?
F. Eidenmüller: Am wichtigsten ist, die größten Hebeleffekte für das Unternehmen zu identifizieren. Gerade ergebnis­relevante Bereiche im Autohaus eignen sich ideal für Prozessoptimierungen und Digitalisierungen. Durch Effizienzsteigerungen kann man das Unternehmensergebnis noch weiter verbessern und so die Investitionen schnell wieder amortisieren. Hat man diese ergebnisrelevanten Bereiche identifiziert, muss man im zweiten Schritt überlegen, welche Prozesse man davon inhouse digitalisieren kann und bei welchen man einen Drittanbieter ins Boot holen muss.

AH: Haben Sie dafür Beispiele aus Ihrem Unternehmen?
F. Eidenmüller: Der Gebrauchtwagenbereich wird immer wichtiger und ist inzwischen ein wahrer Ergebnistreiber für den Handel geworden. Hier digitalisieren wir aktuell etliche Prozesse, sodass wir komplett papierlos werden. Auch in der Werkstatt passiert bei uns aktuell noch sehr viel auf Papier. Das ist ein wahres Mammutprojekt, da im Backend oft sehr komplexe IT-Landschaften vorhanden sind. Zudem gibt es im Kundenkontakt Herausforderungen. Wichtige Prozesse mit Potenzial sind hier zum Beispiel die Onlinebuchung von Serviceterminen und eine hohe Erreichbarkeit. Da hat der gesamte Handel noch damit zu kämpfen. Aktuell sehen wir uns nach Lösungen um, die für uns geeignet sind.

Auto-Scholz
Auto-Scholz ist der zweitälteste Mercedes-Benz-Partner weltweit.
© Foto: Auto-Scholz

AH: Spielt Künstliche Intelligenz (KI) da auch schon eine Rolle?
F. Eidenmüller: KI weniger, aber Bots können durchaus einen Mehrwert bieten. Dennoch sollte man sich vorher überlegen, an welchen Stellen man sie einsetzen möchte. Es gibt noch viele Kunden, die den persönlichen Kontakt wünschen oder komplexere Fragen haben, die nur Mitarbeiter beantworten können. Da kann ein Bot im Kundenkontakt auch nach hinten losgehen. Ich sehe solche Anwendungen eher im Backend, wo sie Prozesse verschlanken und den Mitarbeitern monotone Aufgaben abnehmen.

AH: Bei aller Technik: Wie nehmen Sie bei der Digitalisierung die Mitarbeiter mit auf die Reise?
F. Eidenmüller: Man muss die Kollegen von Anfang an einbeziehen. Der neue Prozess muss auf die Mitarbeiter ausgelegt und ihre Expertise genutzt werden, damit ihre Arbeit am Ende auch leichter wird. Wenn das der Fall ist, dann sind zum Schluss alle happy.

AH: Das sagt sich so einfach.
F. Eidenmüller: In der Tat ist es sehr aufwändig. Man muss im ständigen Austausch mit den Mitarbeitern sein, Programmierer briefen und alle bei Laune halten, denn eine Prozessumstellung dauert sehr lange. Kommunikation ist das A und O. Drei Rollen sind dabei essentiell: der Fachbereich, das Projektmanagement und die IT. Der Fachbereich leistet Hilfestellung mit seiner Expertise. Die IT kann einen analogen Prozess noch mal komplett hinterfragen, da im Digitalen viel mehr möglich ist, und programmiert den Endprozess. Die Projektleitung betrachtet das Ganze objektiv und ist für die Koordination und Prozessverbesserung verantwortlich. Sie muss also Fachbereich und IT-Know-how zusammenbringen, um den bestmöglichen Prozess zu erzeugen.

AH: Vielen Dank für das Gespräch!


Die Auto-Scholz Gruppe

Gegründet: 1894 (zweitältester Mercedes-Benz Partner weltweit)
Marken: Mercedes, Porsche, Volkswagen, Smart, Setra, Fuso, Omniplus, Audi Service
Mitarbeiter: 1.336
Standorte: 20 Autohäuser, 15 Städte/Orte
www.auto-scholz.de



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