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"Jahr des Lieferns": VW will Krisen abschütteln und stark investieren

14.03.2023 10:50 Uhr | Lesezeit: 2 min
Neuwagen des VW-Konzerns in Zwichkau
Volkswagen möchte in den kommenden Jahren 180 Milliarden Euro investieren.
© Foto: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Teure Energie, teure Rohstoffe, teure Autos – Volkswagen musste 2022 die Balance aus neuen Belastungen und dem Abarbeiten möglichst vieler Kundenaufträge halten. Für seine Zukunftsstrategie geht das Unternehmen finanziell in die Vollen. Der Handlungsdruck ist hoch.

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Der VW-Konzern will sein Geschäft nach dem schwierigen Jahr 2022 mit Ukraine-Krieg, Lieferproblemen und enormer Inflation deutlich ausbauen und über weitere Milliarden-Investitionen absichern. "Wir kommen aus einer Position der Stärke, ohne dabei die umfangreichen Handlungsfelder aus dem Blick zu verlieren", sagte Vorstandschef Oliver Blume am Dienstag in Berlin. Dort gab die Führungsspitze des größten Autobauers in Europa Einblick in ihre Pläne für 2023 und darüber hinaus. In den kommenden fünf Jahren steckt die Volkswagen-Gruppe mehr als zwei Drittel ihres Investitionsbudgets von rund 180 Milliarden Euro in die E-Mobilität und digitale Vernetzung.

Gleichzeitig strebt Blume mehr Effizienz in der lange schleppenden Entwicklung eigener Auto-Software an. Nach der Ablösung von Herbert Diess habe es "eine Renovierung und einige Umbauarbeiten" gegeben, erklärte der Manager. Klarere Absprachen zwischen der IT-Sparte Cariad und den Marken sowie ein entzerrter Zeitplan seien "eines der dringendsten Themen" gewesen – mit dem Ziel einer realistischeren Planung und systematischen Schnittstellen. 2022 häufte Cariad einen Verlust von mehr als zwei Milliarden Euro an, VW wies auf hohe Anlaufkosten hin. 2023 werde ein "Jahr des Lieferns", betonte Blume. 

Viel Geld soll bis 2027 in sogenannte Zukunftstechnologien fließen. In der vorangegangenen großen Planungsrunde hatte VW hierfür rund 56 Prozent der gesamten Investitionsmittel von 159 Milliarden Euro veranschlagt. 2025 soll jedes fünfte weltweit verkaufte Fahrzeug einen reinen Elektroantrieb haben. Bis zu 15 Milliarden Euro sind binnen fünf Jahren für den Aufbau weiterer Batteriezellfabriken und für die Rohstoffsicherung vorgesehen. Ob Volkswagen das zunächst schon fest eingeplante Extra-Werk für das künftige Kernmodell Trinity in Wolfsburg braucht, ist nach wie vor nicht abschließend entschieden. 

Elektro und Verbrenner: Parallele Entwicklung sorgt für "hohe Doppelbelastung"

Der Höhepunkt der Ausgaben werde voraussichtlich in zwei Jahren überschritten. "Nach 2025 können wir dann ernten", sagte Finanzchef Arno Antlitz. Vorerst gebe es eine "hohe Doppelbelastung", weil parallel zum Ausbau der E-Palette zunächst auch Verbrenner im Angebot bleiben sollen. Schärfere Abgasvorgaben der EU dürften dazu führen, dass Reinigungstechnik für Benziner und Diesel teurer wird. Umstritten ist zudem die Frage, ob mit synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) betankte Verbrenner auch nach 2035 zugelassen werden sollten. Blume ist dafür. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte wegen dieses Streitpunkts eine Abstimmung in Brüssel blockiert.

In Nordamerika wollen die Wolfsburger eine größere Rolle spielen, in China die Anstrengungen rund um die Digitalisierung im Auto stärken. Auf seinem wichtigsten Markt hatte VW Probleme, die Ansprüche junger chinesischer Kunden zu erfüllen. Für die USA kündigte der Konzern ein neues Werk in South Carolina an – dort sollen ab 2026 Pick-ups der Submarke Scout entstehen. In der südkanadischen Provinz Ontario plant VW außerdem seine erste Fabrik zur Fertigung eigener Batteriezellen für E-Autos außerhalb Europas. Produktionsstart soll 2027 sein.

VW-Chef Oliver Blume vor einem Logo der neuen Marke Scout
VW-Konzernchef Oliver Blume vor dem Logo der neuen Submarke Scout. Ab 2026 sollen die ersten Pick-ups in den USA gebaut werden.
© Foto: picture alliance / EPA | Clemens Bilan

Mit der Entscheidung für den Standort des vierten europäischen Zellwerks nach Nordschweden, Salzgitter und Valencia in Spanien will sich VW Zeit lassen. Man werde gründlich "abwägen, wo neue Fabriken errichtet werden", sagte Blume. Derzeit sei dies nicht einfach, und manche EU-Länder seien bei den Energiekosten im Vergleich zu anderen Weltregionen nicht wettbewerbsfähig. In Europa plant Volkswagen insgesamt sechs Akkuzellfabriken, um unabhängiger von asiatischen Zulieferern zu werden. Osteuropäische Länder sowie weitere mögliche Kandidaten in Ostfriesland und in Sachsen hoffen auf einen Zuschlag. 

Seine wichtigsten Zahlen hatte der Konzern bereits vorgelegt. Nachdem die Auslieferungen der nach Toyota zweitgrößten Autogruppe 2022 vor allem wegen der Zulieferprobleme um sieben Prozent auf knapp 8,3 Millionen Fahrzeuge abgerutscht waren, peilt sie für 2023 nun 9,5 Millionen Stück an. Der Umsatz soll um zehn bis 15 Prozent zulegen. 

VW will den Produktionsstau auflösen und die Bestellungen abarbeiten – im Fall stabilerer Versorgung mit Mikrochips und Rohstoffen soll das die Verkäufe wieder anschieben. Kunden mussten zuletzt oft lange warten. Das Ergebnis nach Steuern verbesserte sich im Vergleich zu 2021 um knapp drei Prozent auf 15,84 Milliarden Euro. Die Erlöse stiegen auch aufgrund höhere Autopreise von 250,2 auf 279,2 Milliarden Euro.

Trotz rückläufiger Verkäufe schaffte die Kernmarke VW Pkw ebenfalls einen Gewinnsprung. Das Ergebnis im laufenden Geschäft nahm 2022– Sonderfaktoren herausgerechnet – um 22,5 Prozent auf knapp 2,65 Milliarden Euro zu. Der Umsatz der Hauptsparte kletterte um 8,7 Prozent auf 73,8 Milliarden Euro. VW sprach von einer "verbesserten Preisdurchsetzung". Auch sei der Umfang der Verkaufshilfen gesunken – bei vielen Händlern gingen die Rabatte zurück. Porsche verdiente operativ sogar 28,3 Prozent mehr als im Vorjahr, der Ertrag stieg auf 6,42 Milliarden Euro. Bei Audi (inklusive Bentley und Lamborghini) war das Plus ähnlich groß, der Gewinn lag bei 7,62 Milliarden Euro.

VW gab sich zuversichtlich für die kommenden Monate. Aber die Risiken blieben zahlreich, so Blume: "Die geopolitische und wirtschaftliche Ordnung unserer Welt wird aktuell massiv auf die Probe gestellt." Die Autobranche brauche freien Handel und funktionierende Lieferketten. "Rohstoffe haben sich ganz erheblich verteuert", ergänzte Antlitz.

Neue Plattform für alle Marken

Große Teile der beim Porsche-Börsengang eingenommenen Mittel sollen in die Technologie-Entwicklung fließen. Laut Blume will der Konzern die neue Plattform SSP bis zum Ende des Jahrzehnts "über alle Marken ausrollen". Wo genau welche Modelle gebaut werden, entscheide man noch. Die Zusammenarbeit mit Ford beim aktuellen Elektro-Baukasten MEB werde mit einem weiteren Modell des US-Autobauers erweitert.

Zu seinem Vorgänger Diess gebe es weiter eine "kollegiale Beziehung", meinte Blume. Direkt beraten lasse er sich von ihm nicht. "Aber wir haben und uns hin und wieder bei einer Veranstaltung getroffen."


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