Nachbesserungskosten: Grenzwertig

Vor gut einem Jahr haben wir an dieser Stelle die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16.10.2013 zur Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserungskosten besprochen. Ausgangspunkt war der Kauf eines Neuwagens, bei dem die elektrischen Außenspiegel nicht zuverlässig funktionierten. Nachdem das Autohaus keinen (erheblichen) Mangel feststellen konnte, hatte es die Nacherfüllung abgelehnt und der Kunde daraufhin auf Ersatzlieferung eines Neufahrzeugs geklagt. Der anschließende Rechtsstreit hatte dann ergeben, dass ein elektronisches Bauteil defekt und das Nacherfüllungsverlangen gerechtfertigt war. Der - erstmals im Prozess - erhobene Einwand des beklagten Autohauses, die Ersatzlieferung würde unverhältnismäßig hohe Kosten im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB verursachen, wurde vom Berufungsgericht allein deshalb zurückgewiesen, weil die Nacherfüllung zu Unrecht verweigert worden sei. Der Bundesgerichtshof ist dem nicht gefolgt und hat in seinem Revisionsurteil klargestellt, dass § 439 Abs. 3 BGB ein echtes Leistungsverweigerungsrecht begründet, das nicht allein deshalb verfristet, weil der Verkäufer vorprozessual den Mangel bestritten und die Nacherfüllung deshalb abgelehnt hat. Von daher ist es ihm nicht verwehrt, sich erst im Rechtsstreit über den Nacherfüllungsanspruch auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten zu berufen. Die daran anschließende Frage, ob die Funktion der Außenspiegel mit verhältnismäßig geringen Kosten durch den Austausch eines elektronischen Bauteils wiederhergestellt und die Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung damit verweigert werden kann, wurde vom BGH allerdings offen gelassen und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Mit Urteil vom 28.05.2014 hat dann der 8. Zivilsenat ein anderes Revisionsverfahren über eine Rückabwicklungsklage zum Anlass genommen, diese praxisrelevante Streitfrage höchstrichterlich zu klären. Der Sachverhalt Der Kläger kaufte von dem beklagten Autohaus einen Neuwagen zum Preis von rund 30.000 Euro und machte in der Folgezeit mehrere Mängel, insbesondere Fehler der akustischen Warnfunktion bei der Einparkhilfe geltend. Eine von ihm gesetzte Frist zur Mängelbeseitigung hatte die Beklagte erfolglos mit dem Hinweis verstreichen lassen, die Einparkhilfe funktioniere nach einem vorangegangenen Nachbesserungsversuch einwandfrei und entspreche dem Stand der Technik. Der Käufer hatte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und Klage erhoben. Diese wurde in beiden Instanzen abgewiesen, weil der Sachverständige für einen ordnungsgemäßen Einbau der Einparkhilfe-Sensoren einen Kostenaufwand von 1.960 Euro brutto ermittelt hatte, was 6,5 Prozent des Kaufpreises entsprach. Das Berufungsgericht ging deshalb von einem geringfügigen Mangel bzw. einer unerheblichen Pflichtverletzung i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB aus. Zur Begründung wurde u. a. darauf abgestellt, dass beim Gewährleistungsrecht, wie etwa der Abweichung des Kraftstoffverbrauchs eines Neufahrzeuges die Erheblichkeitsgrenze bei 10 Prozent liege und dieser Maßstab auch auf die Mängelbeseitigungskosten bzw. Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5. 2 BGB anzuwenden sei. Nachdem diese Frage allerdings noch nicht höchstrichterlich geklärt war, wurde die Revision ausdrücklich zugelassen. BGH-Urteil vom 28.05.2014 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist bei einem behebbaren Sachmangel die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung nicht erst dann als erheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB anzusehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand 10 Prozent des Kaufpreises übersteigt. Bei welchem Prozentsatz des Kaufpreises bei einem - wie hier - behebbaren Mangel die Geringfügigkeitsgrenze in der Regel überschritten und deshalb nicht mehr von einer unerheblichen Pflichtverletzung gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB auszugehen ist, hat der Senat bislang offen gelassen. Auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte werden zu der Frage, bis zu welchem Prozentsatz des Kaufpreises bei einem behebbaren Mangel noch von einem geringfügigen Mangel und damit von einer unerheblichen Pflichtverletzung ausgegangen werden kann, unterschiedliche Auffassungen vertreten. Der BGH entscheidet die umstrittene Frage nunmehr dahin, dass bei einem behebbaren Mangel im Rahmen der nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel dann nicht mehr auszugehen ist, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand mehr als 5 Prozent des Kaufpreises beträgt. Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über den vorstehend genannten Prozentsatz hinaus sei mit dem durch den Gesetzeswortlaut und die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren. Verbraucherschutz Die Erheblichkeitsschwelle von nur 5 Prozent des Kaufpreises steht auch im Einklang mit den Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Diese sieht für den Fall einer Vertragswidrigkeit u. a. das Recht des Verbrauchers auf Vertragsauflösung insbesondere für den Fall vor, dass der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat. Nach Art. 3 dieser Richtlinie hat der Verbraucher jedoch bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit keinen Anspruch auf Vertragsauflösung. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB, der durch den Art. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie umgesetzt worden ist, ist demnach richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es den Mitgliedstaaten unbenommen bleibt, durch strengere Bestimmungen ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen. Der vom Kläger erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag ist nach alldem nicht gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen, weil der vom Berufungsgericht festgestellte Mängelbeseitigungsaufwand mit 6,5 Prozent des Kaufpreises die Schwelle von 5 Prozent überschreitet. Besondere Umstände, die Anlass gäben, die in dem vorstehend genannten Mangel liegende Pflichtverletzung entgegen der Regel ausnahmsweise gleichwohl als unerheblich anzusehen, wurden vom Berufungsgericht nicht festgestellt. Sie sind auch nicht ersichtlich, zumal der streitgegenständliche Mangel, insbesondere die während der Fahrt fehlerhaft ertönenden Warnsignale auch für die Fahrsicherheit von Bedeutung sind. Kurzfassung 1. Der Verkäufer ist nicht daran gehindert, sich erstmals im Prozess auf eine Kostenunverhältnismäßigkeit der von ihm konkret verlangten Nacherfüllung zu berufen.2. Ob eine Pflichtverletzung unerheblich i.S.d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles.3. Bei einem behebbaren Mangel ist im Rahmen dieser Interessenabwägung von einer Geringfügigkeit des Mangels bzw. Unerheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von 5 Prozent des Kaufpreises übersteigt. Kommentar Nachdem die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB seit mehr als 10 Jahren die Gerichte beschäftigt und Spannbreiten zwischen 3 und 20 Prozent vertreten wurden, war ein Machtwort aus Karlsruhe längst überfällig. Der Bundesgerichtshof hat allerdings betont, dass die Mängelbeseitigungskosten von 5 Prozent des Kaufpreises nur als Richtschnur für den Regelfall gelten sollen.Von daher bleibt zu hoffen, dass die Instanzgerichte die Frage der Pflichtverletzung nicht schematisch bzw. rein rechnerisch bewerten, sondern eine umfassende Interessenabwägung und Würdigung der Einzelfallumstände vornehmen. Eine gewisse Rechtsunsicherheit wird also verbleiben, die jedoch mit Blick auf die Einzelfallgerechtigkeit hinzunehmen ist.Rechtsanwalt Walter Sattler

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