Ausgabe 07/2010: Einer für alles

Einer für allesTheopraktiker-Konzept E Erfolgsbilanz: Seit 3 Jahren spart sich das Autohaus Hermann in Göttingen dank „Theopraktiker-Konzept“ den Serviceberater. Von Daniela Peter und Prof. Dr. Jörg Saatkamp*autohäuser praktizieren heute in aller Regel ein Service-Konzept mit Serviceberater. Aufgrund der Beteiligung mehrerer Personen (Serviceberater, Serviceassistentin, Mechaniker) an diesem Serviceprozess können Informationen fehlerhaft weitergegeben werden oder sogar verloren gehen. Diese Prozessteilung wird mit dem neuen „Theopraktiker-Konzept“ (siehe Abb. 1) aufgehoben, wie es im Renault Autohaus Herrmann in Göttingen seit 3 Jahren praktiziert wird. Welche Erfahrungen man damit gemacht hat – v. a. im Vergleich zum Hermann-Standort Northeim, an dem das klassische Servicekonzept mit Serviceberater weiter ausgeübt wird –, erläutern die folgenden Ausführungen.KundenreaktionenDie Kundenzufriedenheitsanalyse belegt, dass trotz der Einsparung des Serviceberaters die Hermann-Kunden im Autohaus in Göttingen mit dem Service „sehr zufrieden“ sind. In der Kategorie „sehr zufriedene Kunden“ erzielte man hier 82 Prozent und liegt damit über dem Bundesdurchschnitt (80 Prozent). Auch bei der Wartezeit auf einen Werkstatttermin, der Fahrzeugannahme, der Zufriedenheit der Kunden mit der Arbeitsqualität sowie mit den Erläuterungen der durchgeführten Arbeiten schnitt dieses Autohaus sehr gut ab (siehe Abb. 2). MitarbeiterzufriedenheitEine Befragung der „Theopraktiker“ hat ergeben, dass diese mit ihrem Arbeitsplatz und dem Arbeitsumfeld sehr zufrieden sind und ihre Arbeit durch das erweiterte Aufgabengebiet interessanter finden. Bei der Komplexität der Aufgaben bleibt es jedoch nicht aus, dass es an manchen Tagen etwas stressiger zugeht. Oftmals unterstützen sich die Mitarbeiter im Serviceteam, denn am Ende zählt, dass der Auftrag durchgeführt wird. Den „Theopraktikern“ ist es somit nicht immer möglich, das Konzept, dass eine Serviceperson den Kundenauftrag allein durchführt, konsequent umzusetzen. Bei der Umsetzung ist daher Pragmatismus gefragt und kein dogmatisches Festhalten an der „reinen Lehre“. Umsatz-Vergleich Die Auswertung der Umsatzanalyse an den Standorten Northeim und Göttingen belegt, dass die „Theopraktiker“ in Göttingen im Durchschnitt 5 Prozent mehr Teile, Schmierstoffe und Zubehör verkaufen als die Servicemitarbeiter in Northeim. Auch der Vergleich der Lohnumsätze verdeutlicht einen Mehrumsatz von durchschnittlich 9 Prozent jährlich. Des Weiteren ergab die Gegenüberstellung der Lohnkosten beider Standorte im Autohaus in Göttingen eine Einsparung von 13,3 Prozent pro Jahr. Insgesamt erweist der Vergleich der beiden Autohäuser ein klares „Plus“ für das „Theopraktiker-Haus“ in Göttingen. Bauliche VoraussetzungenUm das Servicekonzept ohne Serviceberater konsequent durchzuführen, müssen bestimmte bauliche Voraussetzungen gegeben sein. Sechs Einfahrtstore mit jeweils einer Werkstattbox ersetzen eine zentrale Einfahrt in die Werkstatt, die Dialogannahme entfällt beim „Theopraktiker-Konzept“ vollständig. Die Gegenüberstellung der Kosten beider Werkstattsysteme ergibt eine einmalige Einsparung bei der Implementierung des Boxensystems („Theopraktiker-Konzept“) von 96.500 Euro. Wichtig für die UmsetzungDas „Theopraktiker-Konzept“ ist nur im Team praktizierbar, da sich die „Theopraktiker“ bei erhöhtem Kundenaufkommen oder Aufträgen untereinander auch aushelfen müssen. Weiterhin sollte beachtet werden, dass die administrative Arbeit zeitintensiv ist und auch vom Servicemitarbeiter erledigt wird. Ein technischer Leiter kann das Team ebenfalls unterstützen. Vor dem Hintergrund eines ständigen Wettbewerbs- und Kostendrucks besteht weiterhin ein Bedarf an innovativen Servicekonzepten im Automobilhandel. Das „Theopraktiker-Konzept“ ist eine interessante Alternative mit einigen Vorteilen gegenüber dem konventionellen Service(berater)-Konzept. Insbesondere bei der Neugestaltung des Service-Bereichs oder einem Neubau sollte dieses Konzept ernsthaft in Betracht gezogen werden. zLesen SIe hier...…wie die Zusammenlegung der Prozesse im Kundendienst im Autohaus Hermann die gesamte Serviceleistung unter Kosten- und Nutzenaspekten verbessern kann. * Die AutorenDaniela Peter, Master-Studentin an der Handelshochschule Leipzig, schrieb ihre Bachelorarbeit an der Munich Business School über das Thema „Servicemanagement ohne Serviceberater“. Prof. Dr. Jörg Saatkamp ist Professor an der Hochschule Rosenheim. Seine Themenschwerpunkte sind Strategieentwicklung und Marktforschung im Dienstleistungsbereich, insbesondere in der Gesundheitswirtschaft. Der Artikel ist eine Zusammenfassung der Bachelorarbeit von Daniela Peter, einer vergleichenden Analyse zweier verschiedener Servicekonzepte, die in zwei Betrieben der Autohaus Hermann GmbH praktiziert werden.KurzfassungIm April 2007 führte Unternehmer Wolfgang Hermann in seinem Renault Autohaus in Göttingen das Service-Konzept ohne Serviceberater unter der Bezeichnung „Theopraktiker – Einer für alles“ ein. Mit der Konzeption eines Boxensystems im Werkstattbereich und der Einsparung der Dialogannahme schuf er die Voraussetzungen für die Umsetzung des neuen Konzepts. Der Kunde wird nur noch von einem Servicemitarbeiter betreut, der in seiner Werkstattbox für die Annahme, die Kundenberatung, die Reparatur und die Übergabe mit Rechnungserstellung verantwortlich ist. Ein Kostenvorteil entsteht dem Unternehmen einerseits beim Bau der Werkstatt (ohne Dialogannahme) und andererseits durch die Einsparung des Serviceberaters. Zugleich verkaufen die „Theopraktiker“ mehr Teile und Zubehör. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Benchmark-Analyse bei der Renault Autohaus Hermann GmbH wurde das „Theopraktiker- Konzept“ (in Göttingen) mit dem klassischen Serviceberater-Konzept (in Northeim) verglichen. Der Nutzen des Theopraktiker-Konzepts:1. Erweiterter Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Service-mitarbeiters2. Kosteneinsparungen für das Autohaus und den Kunden3. Mehr Transparenz dem Kunden gegenüber4. Weniger Schnittstellen durch integrierte Prozesse

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