Anspruch auf Servicevertrag? (Teil 2): Ein Jaguar ist kein MAN

In Autohaus Heft 11 haben wir im ersten Teil dieses Beitrags die Hintergründe der aktuellen BGH-Entscheidung zu den Voraussetzungen eines Kontrahierungszwanges der Hersteller dargestellt und die mit dem Urteil verbundene Klarstellung, dass für den Bereich von Pkw-Reparaturen andere Beurteilungsvoraussetzungen gelten können als für den Bereich von Nutzfahrzeugen. Für diesen Bereich hatte der BGH mit seinem Urteil zur MAN-Vertragswerkstatt (KZR 6/09) keine Verpflichtung gesehen, mit einer sich bewerbenden Werkstatt einen Servicevertrag abzuschließen. Für den Bereich hochpreisiger Pkw kann sich die Sache anders darstellen (BGH KZR 41/14). Zur Erinnerung Der BGH hat auf Revision beider Prozessparteien die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, die einem zum 31.05.2013 gekündigten Jaguar/Land Rover-Servicepartner unter Bezugnahme auf das MAN-Urteil einen Anspruch auf Abschluss eines Folgevertrags versagt, wohl aber den Fortbestand des alten Vertrags wegen Unwirksamkeit der Kündigung zugesprochen hat. Im Streit steht, ob Jaguar eine marktbeherrschende Stellung besitzt oder zumindest ein Abhängigkeitsverhältnis der Werkstätte vorliegt. Nach den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) kann dann zugunsten der Werkstatt ein Verbot der unbilligen Behinderung bzw. der sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung eingreifen und in der Folge ein Anspruch auf Abschluss eines neuen Servicevertrags bestehen. Der BGH verwies das Verfahren zurück, weil zu den maßgeblichen Punkten des Hauptantrages auf Abschluss eines solchen neuen Vertrags vom Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden waren. Bemängelt wurde vom BGH der bereits besprochene Umstand, dass eine marktbeherrschende Position von Jaguar nicht ohne konkrete Feststellung für den vorliegenden Fall hätte verneint werden dürfen. Die Entscheidung MAN beruht auf der Annahme, dass in der Gesamtbetrachtung die Kunden im Nfz-Bereich Reparaturaufträge überwiegend an freie Werkstätten erteilen. Für den Bereich hochpreisiger Pkw - so der BGH - kann dies nicht ohne weiteres unterstellt werden. Keine Diskriminierung erlaubt Bestätigt sich nach Zurückverweisung im Verfahren vor dem OLG, dass die Besitzer von Jaguar- und Land Rover-Fahrzeugen auch nach Ablauf der Fristen für Sachmängelhaftung und Garantie gesteigerten Wert darauf legen, ihr Fahrzeug in einer Vertragswerkstätte des Herstellers warten und instand halten zu lassen, wäre ein Zugang zum Markt der Reparaturen an solchen Fahrzeugen ohne Servicevertrag des Herstellers sinnvoll ausgeschlossen. Die marktbeherrschende Stellung würde Jaguar dann eine Ungleichbehandlung der klagenden Werkstatt verbieten. Erfüllt die Werkstatt die qualitativen Standards des neuen Servicesystems, darf sie bei der Vergabe der neuen Verträge nicht ohne sachlich begründete Rechtfertigung vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Jaguar muss dann also stichhaltige Gründe nachweisen, weshalb mit dieser Werkstatt kein neuer Vertrag abgeschlossen werden sollte. Aufgabe des OLG wird es sein, solche Gründe zu prüfen und gegen das Interesse des freien Wettbewerbs abzuwägen. Möglicher Anspruch wg. Abhängigkeit Wie bereits im Heft 11 dargelegt, kann aber auch im Fall des Bestehens einer lediglich "relativen Marktmacht" für nicht marktbeherrschende Unternehmen gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen ein Verbot der unbilligen Behinderung und der sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gelten. Voraussetzung ist, dass diese Unternehmen aufgrund der von ihnen angebotenen Leistungen in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen und nicht die zumutbare Möglichkeit besitzen, auf andere Lieferanten oder Produkte auszuweichen. Nach Ablehnung einer marktbeherrschenden Stellung von Jaguar lag für das Berufungsgericht ein solches Abhängigkeitsverhältnis der vorliegend spezialisierten und vorangehend in das Servicesystem des Herstellers eingebundenen Werkstatt nahe. Es ging der Sache hier jedoch nicht weiter auf den Grund und stützte eine Ablehnung des Anspruchs auf Abschluss eines neuen Servicevertrags in diesem Punkt alleine darauf, dass die zweijährige Kündigungsfrist in jedem Fall ausreichend für eine zumutbare Umorientierung der Werkstatt auf Reparaturen anderer Fahrzeuge war. Der BGH unterstellt für den vorliegenden Fall jedenfalls die unternehmensbedingte Abhängigkeit der Werkstatt von Jaguar. Gleichzeitig bestätigt er grundsätzlich die freie Entscheidungsmöglichkeit des nicht marktbeherrschenden Herstellers, sein Vertriebs- oder Servicesystem nach eigenen Vorstellungen zu gestalten einschließlich der Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit kooperierenden Unternehmen ohne Begründung zu beenden. Auch wenn der abhängige Betrieb dies grundsätzlich hinzunehmen hat, macht der BGH mit der vorliegenden Entscheidung aber deutlich, dass diese Gestaltungsfreiheit für die Hersteller keinen Freibrief darstellt und nur im Rahmen der vom Kartellrecht vorgegebenen Zielsetzungen gelten kann. Konkret für den vorliegenden Fall des qualitativ selektiv organisierten Servicesystems reklamiert der BGH die Abwägung der Interessen und in diesem Zusammenhang eine nicht erfolgte Aufdeckung der Gründe, weshalb Jaguar der Werkstatt den Zugang zu einem laut Kündigung neu gestalteten Servicenetz verweigerte. Sollte die Verweigerung den Zweck gehabt haben, die Netzumstellung außerhalb qualitativer Kriterien zu einer quantitativen Selektion zu benutzen, kann ein solches grob wettbewerbsbeschränkendes Interesse keine Berücksichtigung finden. War also lediglich eine Ausdünnung des Netzes der Servicebetriebe zur Verringerung des Wettbewerbs beabsichtigt, kann das eine Vorenthaltung des Servicevertrags nicht rechtfertigen. Beendigung des alten Servicevertrags Aufgehoben hat der BGH das Berufungsurteil auch in Bezug auf die Fortgeltung des alten Servicevertrags. Die Kündigung war wirksam. An die vertragliche Vereinbarung, dass die Kündigung des Vertrags eine objektive und transparente Begründung zu enthalten hat, dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Dies vor dem Hintergrund, dass ein Begründungserfordernis gesetzlich gar nicht vorgesehen ist und sich die entsprechenden Formulierungen des Vertrags ersichtlich an die entsprechenden Bestimmungen in der Gruppenfreistellungsverordnung 2002 anlehnen. Deshalb kann auf die dortigen Auslegungsgrundsätze zurückgegriffen werden, die lediglich eine zutreffende Wiedergabe der vollständigen Kündigungsgründe verlangen, wenn darüber hinaus deutlich wird, dass die Kündigung nicht zur Einschränkung des Wettbewerbs erfolgt. Diese Anforderungen erfüllt die hier vorliegende Kündigung. Weil sie nur der Beendigung des alten Vertragsverhältnisses dient, muss sie auch nicht die Gründe erklären, weshalb die Werkstatt nicht in das neu gestaltete Servicesystem aufgenommen werden soll. Wie immer es am Schluss ausgehen wird, die Parteien besitzen mit dem Urteil des BGH einen klaren Leitfaden für die Notwendigkeiten ihres weiteren Prozessvertrags. Kurzfassung 1. Besitzt der Hersteller marktbeherrschende Stellung, muss er die Werkstätten bei der Vergabe der Serviceverträge gleich behandeln. Erfüllt eine Werkstatt die qualitativen Standards, kann eine Versagung des Vertrags nur erfolgen, wenn sachliche Gründe dies im Einzelfall rechtfertigen.2. Besteht ohne marktbeherrschende Stellung des Herstellers aufgrund besonderer Spezialisierung ein Abhängigkeitsverhältnis der Werkstatt, kann ihr bei ausreichender Frist zur Umstellung ein Anschlussvertrag versagt werden. Dies gilt nicht, wenn der Hersteller außerhalb qualitativer Standards wettbewerbsbeschränkend eine Ausdünnung des Netzes vornehmen möchte.3. Die ordentliche Kündigung eines Servicevertrags bedarf von Gesetzes wegen keiner Begründung. Ist eine solche vertraglich vorgesehen, sind im Normalfall inhaltlich keine hohen Anforderungen zu stellen. Kommentar Es wird davon auszugehen sein, dass sich im weiteren Verfahren ein vom BGH als "nicht fernliegend" bezeichnetes Verhalten der Reparaturkunden nachweisen lässt, Jaguar- und Land Rover-Fahrzeuge auch außerhalb der Fristen für Sachmängelhaftung und Garantie bevorzugt in Vertragswerkstätten des Netzes warten und reparieren zu lassen. Wegen des dann grundsätzlich bestehenden Anspruchs auf Abschluss des Servicevertrags wird umgekehrt dann Jaguar die Karten auf den Tisch legen müssen, weshalb sie dieser Werkstatt dennoch keinen neuen Servicevertrag geben möchte. Wenn diese Gründe nicht stichhaltig sind und eine Ungleichbehandlung gegenüber den anderen mit neuen Serviceverträgen ausgestatteten Werkstätten sachlich nicht rechtfertigen, kann die Werkstatt mit einem Prozesserfolg rechnen.Sollte keine marktbeherrschende Stellung von Jaguar festgestellt werden und nur auf der Grundlage eines Abhängigkeitsverhältnisses zu entscheiden sein, ist die rechtliche Position der Werkstatt insoweit eingeschränkter, als Jaguar lediglich darzulegen haben wird, dass die Vorenthaltung des Servicevertrags nicht dem Ziel dient, abseits von der Erfüllung qualitativer Kriterien eine quantitative Selektion zur Verringerung des Wettbewerbs durchzusetzen.Es wäre erfreulich, wenn die Werkstatt am Ende jubeln könnte. Ein genereller Anspruch der Werkstätten auf Abschluss von Pkw-Serviceverträgen anderer Hersteller wird sich aber deshalb gleichwohl nicht ergeben. Eine Prüfung im Einzelfall wird erforderlich bleiben.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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