Anspruch auf Servicevertrag? (Teil 1): Ein Jaguar ist kein MAN

Am 03.05.2016 wurde eine Entscheidung des BGH von Ende Januar veröffentlicht zu den Voraussetzungen, unter denen ein Werkstattbetrieb gegen den Kfz-Hersteller einen Anspruch auf Abschluss eines Servicevertrages besitzen kann (BGH, KZR 41/14). Eine abschließende Beurteilung im konkret zu entscheidenden Fall konnte der BGH aber wegen noch zu klärender Sachverhalte nicht treffen. Mit der Zurückverweisung an das Berufungsgericht zeigte er jedoch zwei wesentliche Rechtsfehler der Vorinstanzen auf, die den bislang erfolglos auf Abschluss eines neuen Vertrages klagenden Werkstattbetrieb zumindest wieder ins Rennen bringen und hoffen lassen können. Nachdem das Urteil teilweise bereits mit Euphorie als generelle Bestätigung eines Zulassungsanspruchs von Werkstätten gewertet wurde, lohnt sich zur Dämpfung überzogener Erwartungen eine nähere Betrachtung. Der Fall Zu Grunde lag die Klage eines ausgeschiedenen Jaguar Service-Vertragspartners. Jaguar hatte bekanntlich den Servicepartnern flächendeckend mit zweijähriger Frist zum 31.05.2013 gekündigt wegen Neuordnung des Servicenetzes. Der klagenden Werkstatt war bereits mit der Kündigung mitgeteilt worden, dass sie bei der Neuplanung nicht berücksichtigt werden kann. Während die meisten der gekündigten Servicepartner ein Angebot zum Abschluss eines neuen Werkstattvertrags erhalten hatten, war der Antrag der Klägerin auf Abschluss eines neuen Vertrags von Jaguar abgelehnt worden. Vorinstanzen Das Landgericht Frankfurt verneinte einen Rechtsanspruch der Klägerin auf Abschluss eines neuen Vertrags und wies die Klage ab. Das OLG teilte in der Berufungsinstanz diese Rechtsansicht, gab aber einem neu gestellten Hilfsantrag statt, gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und Fortbestehen des alten Vertragsverhältnisses. Es folgte damit der Hilfsargumentation der Klägerin, die formelhafte Begründung der ausgesprochenen Kündigung genüge nicht den Anforderungen des Vertrags, der eine objektive und transparente Begründung verlange. Die Kündigung wurde als unwirksam erachtet, weshalb auch Jaguar Revision einlegte. Beide Instanzen schlossen aber einheitlich einen Verstoß der Herstellerseite gegen kartellrechtliche Vorschriften und einen sich hieraus ergebenden Anspruch auf Abschluss eines neuen Werkstattvertrags aus. Dies mit der übereinstimmenden Beurteilung, unter Anwendung der Grundsätze der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2011 zur MAN-Vertragswerkstatt besitze Jaguar-Deutschland keine marktbeherrschende Stellung und unterfalle daher nicht den allenfalls hilfreichen Beschränkungen des GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Ein Abhängigkeitsverhältnis der Klägerin stehe der Kündigung nicht entgegen, da die Kündigungsfrist ausreichend lang bemessen war für eine mögliche Neuorientierung der Werkstätte auf dem Markt. Verständnisgrundlagen Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verbietet marktbeherrschenden Unternehmen die missbräuchliche Ausnutzung ihrer Stellung zur Einschränkung des Wettbewerbs. Marktbeherrschend ist ein Unternehmen, wenn es auf dem maßgeblich relevanten Markt keinen Wettbewerber hat, keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder im Verhältnis zu seinen Mitbewerbern zumindest eine überragende Marktstellung besitzt. Missbräuchlich ist unter anderem die unbillige Behinderung eines anderen Unternehmens oder die Ungleichbehandlung gleichartiger Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund. Die Verbote der unbilligen Behinderung und der nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gelten aber auch für nicht marktbeherrschende Unternehmen gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen, wenn diese aufgrund der von ihnen angebotenen Leistungen in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, ohne die zumutbare Möglichkeit zu besitzen, auf andere Lieferanten oder Produkte auszuweichen. Mit dem Urteil zur MAN-Vertragswerkstatt (KZR 6/09) hatte der BGH im Streit einer Mercedes-Vertragswerkstatt auf Zulassung auch zum Werkstattnetz von MAN die Frage einer wettbewerbsrechtlich unzulässigen Behinderung zulasten der Werkstätte entschieden. Eine Diskriminierung der Werkstätte durch Verweigerung des Vertragsabschlusses wurde abgelehnt. Begründet wurde dies mit einer fehlenden Marktdominanz von MAN auf dem relevant zu beurteilenden Markt. Dieser sei nicht die Ebene des Endkundengeschäftes, sondern der sogenannte "vorgelagerte Markt", also die Verhältnisse von Angebot und Nachfrage zwischen dem Nutzfahrzeughersteller und den Reparaturbetrieben. Diesen vorgelagerten Markt grenzte der BGH markenübergreifend ab, weil nach den Feststellungen der Vorinstanzen Reparaturen an Nutzfahrzeugen überwiegend in freien Werkstätten ausgeführt werden. Damit sei nicht zu erkennen, dass "das Angebot von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für Nutzfahrzeuge ohne eine Zulassung als (MAN-)Vertragswerkstatt unmöglich oder wirtschaftlich sinnlos wäre". Die Erbringung von Garantie-, Kulanz- und Serviceleistungen innerhalb der Garantiefrist würden als Teilbereich der möglichen Leistungen keinen abgegrenzten eigenen Markt darstellen und die Werkstätte habe die Möglichkeit, Reparaturen an MAN- und anderen Nutzfahrzeugen außerhalb des begehrten Servicevertrages zu generieren. Eine marktbeherrschende Stellung von MAN auf dem vorgelagerten Markt wurde somit verneint, weil "die Zulassung als MAN-Vertragswerkstatt keine Ressource ist, die für den Zugang zum Endkundenmarkt unerlässlich ist". Mangels vorangehender Spezialisierung auf Reparaturen von MAN-Fahrzeugen stellte sich die Frage einer Abhängigkeit der Werkstätte in diesem Fall nicht. Relativierung durch den BGH Im nunmehr entschiedenen Fall stellt der BGH zu seiner auch von anderen Gerichten zuvor als generell und unumstößlich verstandenen Beurteilung klar: Eine bloße Übertragung der im Fall MAN getroffenen Bewertung vorliegend ohne nähere Begründung auf den für die Reparatur von Jaguar-Fahrzeugen vorgelagerten "Ressourcen-Markt" ist unzureichend, um eine marktbeherrschende Stellung des hier verklagten Herstellers zu verneinen. Notwendig wäre eine Beurteilung der konkreten Bedingungen für den vorliegenden Fall gewesen, insbesondere ob die klagende Werkstätte eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit besitzt, ohne den Status eines autorisierten Servicebetriebes auf dem nachgelagerten Endkundenmarkt Reparaturleistungen für Jaguar-Fahrzeuge anzubieten. Im Unterschied zum kostenorientierten Nutzfahrzeugmarkt liegt es für den BGH "nicht fern", dass Eigentümer hochpreisiger Pkw wie solchen der Marke Jaguar "gesteigerten Wert darauf legen, ihr Fahrzeug auch nach Ablauf der Garantiefrist von einer Jaguar-Vertragswerkstatt warten und instand halten zu lassen, auch wenn sie dafür höhere Preise zahlen müssen". Sollte dies der Fall sein, wäre der Erhalt eines Servicevertrags auf dem vorgelagerten Markt Voraussetzung, um überhaupt einen sinnvollen Zugang zum Endkundenmarkt der Reparatur von Jaguar-Fahrzeugen zu besitzen. Damit hätte der Hersteller als einziger Anbieter des Zugangs zu seinem Servicesystem marktbeherrschende Stellung. Die Klägerin hat sich dann bei Erfüllung der erforderlichen Qualitätsanforderungen grundsätzlich nicht verweisen zu lassen auf die Möglichkeit einer Bewerbung um den Servicevertrag einer anderen Marke oder auf die Möglichkeit der Tätigkeit als freie Werkstätte. Erfüllt sein müssen jedoch weitere Voraussetzungen. Lesen Sie hierzu weiter Teil 2 in AUTOHAUS Heft Nummer 12. Kurzfassung 1. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verbietet marktbeherrschenden Unternehmen die missbräuchliche Ausnutzung ihrer Stellung zur Einschränkung des Wettbewerbs. Hieraus kann sich bei unsachgemäßer Diskriminierung ein Anspruch des Werkstattbetriebs gegen den Hersteller auf Abschluss eines markenspezifischen Servicevertrags ergeben.2. Marktbeherrschende Stellung besitzt der Hersteller, wenn ohne den Servicevertrag für die Werkstatt kein sinnvoller Zugang zum Markt der Reparaturkunden möglich ist, die Kunden der Marke also typischerweise Reparaturen und Wartungen an ihrem Fahrzeug auch außerhalb von Garantie und Sachmängelhaftung nur in einer markengebundenen Werkstätte vornehmen lassen.3. Für den Markt der Reparatur von hochpreisigen Pkw liegt für den BGH eine solche Annahme nicht fern. Soweit er eine marktbeherrschende Stellung von MAN im Bereich der Serviceverträge für Nutzfahrzeuge verneint hat, sind die zu Grunde liegenden Feststellungen nicht ohne Prüfung übertragbar. Zu prüfen sind aber auch noch weitere Anspruchsvoraussetzungen. Kommentar Kein Fall ist gleich. Diese Erkenntnis wird zurückgedrängt durch die Tendenz der Instanzgerichte, sich zunehmend an schnell verfügbaren "Grundsatzentscheidungen" des BGH zu orientieren und deren Ergebnisse den eigenen Beurteilungen undifferenziert zugrunde zu legen. Gebotene Korrekturen muss überwiegend der BGH selbst vornehmen und die Unterschiede in den entschiedenen Sachverhalten aufzeigen. So auch vorliegend. Mit dem MAN-Urteil hat der BGH nur den dortigen Sachverhalt "in Stein gemeißelt" unter der Prämisse, dass Reparaturen an Nutzfahrzeugen überwiegend in freien Werkstätten ausgeführt werden. Ob und in welchen Bereichen diese Annahme auf die Reparaturen von Pkw übertragbar ist, bedarf nun der Prüfung. Eingegrenzt hat der BGH seine Überlegungen wiederum auf den konkret zu beurteilenden Fall von hochpreisigen Jaguar-Fahrzeugen. Sollten sie sich bestätigen, wird aber auch hier nicht ohne weiteres eine Übertragung auf alle anderen Pkw-Fabrikate möglich sein.Erfreulich und wichtig ist, dass das vermeintliche Dogma des MAN-Urteils gebrochen ist, es gäbe grundsätzlich keinen Anspruch der Werkstätte auf Abschluss eines Servicevertrages. Zu warnen ist aber gleichzeitig vor überzogenen Erwartungen. Das aktuelle Urteil macht den steinigen Klageweg zu einem Servicevertrag im PKW-Bereich sicher etwas ebener, zur gut ausgebauten Straße wird er deshalb aber nicht. Rechtsanwalt RobertGlocker

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