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Digitalstudie 2023: "Es braucht maximale Kundenzentrierung"

15.11.2023 14:08 Uhr | Lesezeit: 5 min
Digitalisierung im Autohaus-Showroom
© Foto: snvv - stock.adobe.com

Prof. Benedikt Maier vom Institut für Automobilwirtschaft (IfA) und Hartmut Abeln, Vorsitzender der Geschäftsführung von TÜV Nord Mobilität, stellen die neue Branchenstudie "Digitalisierung und Transformation 2023" vor.

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AH: Die TÜV Nord Digitalstudie erscheint 2023 in der fünften, aktualisierten Auflage. Worauf dürfen wir uns freuen?

B. Maier: Die Digitalstudie hält an Bewährtem wie beispielsweise der Untersuchung von 15 Kundenkontaktmomenten in Verkauf und Service fest. Dies erlaubt die Aufdeckung von Entwicklungen. Ebenso wurde wieder großen Wert auf eine belastbare Datenbasis gelegt. Die nahezu gespiegelte Befragung von Fahrzeugkäufern und Autohausverantwortlichen liefert wieder spannende Insights. Ergänzt wurde die 2023er Auflage um Fragestellungen bezüglich neuer Automobilhersteller aus China, den Geschäftsmodellen rund um die Elektromobilität und Functions on Demand.

AH: Sie öffnen den thematischen Rahmen der Studie also?

H. Abeln: Korrekt, wir stellen die Studienreihe unter eine neue Überschrift: Digitalisierung und Transformation. Wir betrachten weiterhin die Kundenverhaltensweisen, ergänzen diese aber um jährlich wechselnde Sonderthemen, die die Branche aktuell bewegen. Neu in diesem Jahr sind auch die Top-Level-Interviews, die wir mit Vertretern chinesischer Automobilmarken führten. Freuen Sie sich also auf eine äußerst aktuelle und relevante Branchenstudie "Digitalisierung und Transformation" 2023.

AH: Die Studie 2023 hat bei der Kundenbefragung nach Altersgruppen unterschieden. Verhalten sich Kunden bei der Kontaktaufnahme zum Händler je nach Alter anders?

B. Maier: Pauschale Aussagen über Verhaltensweisen von Clustern sind immer mit Unschärfen verbunden und daher mit Vorsicht zu genießen. Was definitiv nicht zutrifft ist, dass ältere Fahrzeugkäufer ausschließlich das Autohaus besuchen und Kunden unter 30 Jahren alles online machen. Das wäre zu einfach und auch nicht korrekt. Es geht also immer darum, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Was wir dem Datenmaterial aber entnehmen können ist die überdurchschnittlich hohe Bedeutungszumessung jüngerer Neuwagenkäufer bezüglich der Meinungen ihres sozialen Umfelds und Kundenempfehlungen. Dies hat zweifelsohne auch mit Unsicherheit beziehungsweise fehlender Erfahrungen im Autokauf zu tun. Auch Suchmaschinen oder Online-Bewertungsportale werden von jüngeren Kundengruppen intensiver genutzt. Bei den unter 29-jährigen Neuwagenkäufern sind Online-Bewertungsportale bereits das Online-Medium mit der höchsten Wirkungsstärke innerhalb der Händlerwahl.

AH: Unterscheiden sich im Fahrzeugkaufprozess Käufer konventioneller Fahrzeuge von BEV-Käufern?

H. Abeln: Ja, besonders in den Kundenkontaktsituationen "Probefahrt" und "Nachkaufbetreuung" konnten wir signifikante Unterschiede feststellen. Währen rund 58 Prozent der Neuwagenkunden mindestens eine Probefahrt durchführen, scheinen BEV-Kunden einen großen Bedarf nach einer Probefahrt zu haben: 70 Prozent nutzen dieses Angebot. Die große Nachfrage unter den BEV-Kunden ist zweifelsohne mit Unsicherheiten und geringen Erfahrungswerten in Zusammenhang mit dem elektrischen Antriebssystem zu bringen. Ein ähnliches Bild zeichnet sich innerhalb der Nachkaufsituation. Käufer konventionell angetriebener Fahrzeuge haben unterdurchschnittlich und Käufer von BEV/PHEV überdurchschnittlich oft Rückfragen zu ihrem Fahrzeug. Diese Zahlen legen nahe, dass BEV/PHEV-Kunden auch höhere Zeitbudgets der Verkaufsmitarbeiter einfordern. Dies erhöht die Vermarktungskosten auf Seiten der Händler.

Fraglich bleibt, inwiefern sich diese Beratungsbedarfe mit dem Kauf des zweiten und dritten batterieelektrischen Fahrzeuges auf den heutigen Wert der verbrennungsmotorangetriebenen Fahrzeuge absenkt. Wir werden dies aber in den kommenden Auflagen der Studienreihe weiter beobachten.

AH: Wie unterscheiden sich Autohausunternehmen hinsichtlich ihrer "digitalen Reife"?

B. Maier: Sowohl Autohäuser als auch Werkstätten legten hinsichtlich ihrer digitalen Reife zu. Dennoch ist der digitale Reifegrad weiterhin als nicht ausreichend einzustufen. Um ortsungebunden für die Kunden erreichbar zu sein, setzen die befragten Händler durchschnittlich 2,9 (2021: 2,0; 2022: 2,4) Online-Kommunikationsmedien ein – so viel wie nie zuvor. Wenig Überraschendes zeigt der Blick auf die Betriebsgrößen. Größere Betriebe weisen nicht nur eine höhere digitale Reife im Bereich der Online-Kommunikationskanäle auf, sondern zeigen sich auch bezüglich des Digitalisierungsgrades ihrer Showrooms digital reifer.

AH: Welche digitalen Medien kommen im Showroom zum Einsatz?

H. Abeln: Es ist festzustellen, dass digitale Medien – mit Ausnahme von Tablets und QR-Codes – bislang eher ein Schattendasein in den deutschen Autohausunternehmen führen. Dieses Bild blieb über die vergangenen Jahre unverändert und Showrooms sind weiterhin von einer analogen Präsentation von Fahrzeugen geprägt. Sollten die befragten Autohausmanager ihre Pläne in Taten umsetzen, so wird sich dies aber ändern. Insbesondere LED-Wände, Möglichkeiten der kontaktlosen Fahrzeugabgabe und -abholung sowie digitale Preisschilder sind aus Perspektive der Autohausverantwortlichen die nächsten Schritte in Richtung einer Digitalisierung der Showrooms.

AH: Im Rahmen der Fokusthemen haben Sie Geschäf tsfelder rund um die Elektromobilität und die Markteintrittsbestrebungen chinesischer Marken beleuchtet. Wo stehen wir im Bereich der chinesischen Marken?

B. Maier: Chinesische Automobilhersteller unternahmen in der Vergangenheit bereits mehrere Versuche, einen Fuß in den europäischen Markt zu bekommen. Nun scheinen die Produkte aber die erforderliche Marktreife erreicht zu haben. Die gewählten Vertriebs- und Servicestrategien weisen jedoch kein einheitliches Muster auf. Klar ist, allen Marken wird der Durchbruch nicht gelingen. Klar ist aber auch, dass der Eintritt eines neuen Wettbewerbers in einen gesättigten Markt nur durch Verdrängungen erfolgen kann. Jedes neu zugelassene chinesisches Fahrzeug bedeutet daher ein Fahrzeug der traditionellen Hersteller weniger.

Benedikt Maier und Hartmut Abeln
Prof. Benedikt Maier (li.) und Hartmut Abeln
© Foto: IfA/TÜV Nord

H. Abeln: Insbesondere die völlig neu aufgebauten chinesischen Marken wie beispielsweise Xpeng oder auch Ora kämpfen aktuell mit einer geringen Produkt- und Markenbekanntheit. Um einerseits die Vorurteile bezüglich der Produktqualität und der Sicherheit abzubauen und andererseits die Bekanntheit zu erhöhen, kommt der physischen Präsenz im Markt eine entscheidende Bedeutung zu. Interessierte müssen Möglichkeiten erhalten, chinesische Marken und deren Produkte erleben sowie die Fahrzeuge Probe fahren zu können. Die in der Studie enthaltenen Experteninterviews mit Führungskräften von Nio, BYD und MG lassen tief in die aktuelle Situation und die Strategie blicken.

AH: Welchen Stellenwert geben Sie den Geschäftsfeldern rund um die Elektromobilität?

B. Maier: Die Elektromobilität wird zu oft als Risiko für das Geschäftsmodell Autohaus betrachtet. Zweifelsohne reduzieren sich durch die Elektrifizierung des Antriebsstrangs Wartungs- und Teilebedarfe. Auch das ertragreiche Ölgeschäft fällt weg. Parallel eröffnen sich aber zahlreiche Dienstleistungsfelder. Diese gilt es zu erschließen und nicht an neue Anbieter abzutreten. An dieser Stelle muss sich das Autohaus als kompetenter Lösungsanbieter positionieren und ein ganzes Ökosystem an Produkten und Dienstleistungen rund um die Elektromobilität anbieten. Dies kann unter Umständen auch über eine Einbindung von Kooperationspartnern umgesetzt werden. Kunden werden dabei schätzen, einen zentralen Ansprechpartner für all ihre Fragen zu haben. Die Studie benennt zehn konkrete Geschäftsfelder.

AH: Welches Fazit ziehen Sie zur Studie 2023?

B. Maier: In der Zusammenfassung stehen Autohäuser und Werkstätten heute sprunghaften Always-on-Konsumenten gegenüber, die ihre individuellen Bedürfnisse ununterbrochen anpassen und individuelle Wege zur Umsetzung ihrer Customer Journey fordern. In dieser Welt lösen sich Abgrenzungsmöglichkeiten des Händlers über das technische Produkt Auto oder die Preissetzung sukzessive auf. Mehr denn je macht nicht das Produkt, sondern die Ausgestaltung der Kundenbeziehung den Unterschied. Erforderlich ist daher ein Paradigmenwechsel vom Transaktionsmarketing hin zum Beziehungsmarketing.

H. Abeln: Es gilt maximale Kundenzentrierung! Dabei ist das gesamte unternehmerische Handeln auf den Kunden auszurichten, verhaltensrelevante Informationen zu sammeln und in ein hyperpersonalisierte Kundenbeziehungsmanagement zu überführen. Autohäuser und Werkstätten, die denCustomer-Centricity-Ansatz erfolgreich umsetzen, binden alle Funktionseinheiten der Organisation ein.

AH: Vielen Dank für das Gespräch.


Kostenloses Webinar zur Digitalstudie 2023

Am 27. November 2023 stellen Prof. Benedikt Maier, Hartmut Abeln und AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel in einem Online-Seminar von 10 Uhr bis 11.30 Uhr die Ergebnisse der Digitalstudie 2023 vor. Die Teilnehmer erhalten die Studie kostenfrei.

Weitere Informationen und Anmeldung online unter www.autohaus.de/digitalstudie2023




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