Autokauf bleibt Vertrauenssache: Digital, aber persönlich

Der Autoverkauf über Online-Kanäle oder gar der reine Online-Kauf bleiben ein großes Thema. Was für Kleidung, Bücher und Elektronik längst gilt und von Kunden akzeptiert und genutzt wird, kommt beim Autokauf aber nur langsam voran. Das hat verschiedene Gründe. Am Anfang steht da natürlich die Bereitschaft der potenziellen Kunden. Die letzte "Online Car Sales"-Studie 2023 von "MHP" zeigt, dass das Interesse weiter wächst: Rund 28 Prozent der Befragten zogen in Betracht, ihren nächsten Wagen online zu erwerben, rund 22 Prozent hatten bereits ein Fahrzeug über Online-Kanäle gekauft. Und dennoch: Trotz dieser Zunahme bleibt das klassische Autohaus, auch für die jüngere Generation Z, der bevorzugte Ort für den Autokauf. Hersteller und Onlinehändler investieren viel Geld, Zeit und Mühe, die digitale Customer Experience zu optimieren. Vom reinen Online-Vertrieb scheint die Branche dennoch weit entfernt. Frank Brecht, Geschäftsführer der Glinicke Automobil Holding, plädierte jüngst vor Studierenden der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) für den Automobilvertrieb in der aktuellen Form: "Das Autohaus der Zukunft wird digital sein. Die Menschen werden dennoch die Hauptrolle spielen", betonte er. Digitales Autohaus: digitale Tools Wer sich aktuell auf den Online-Plattformen von Händlern und Herstellern umschaut, sieht in erster Linie den Fokus auf Elektromobilität. Die Tools sollen Vertrauen schaffen und viel Beratung bieten. So bestätigt VW auf Anfrage: "Der Volkswagen Online-Marktplatz bietet verschiedene Tools speziell für Elektrofahrzeuge, um Kundenbedenken hinsichtlich des fehlenden physischen Erlebnisses beim digitalen Autokauf zu adressieren und gleichzeitig Vertrauen in die Elektromobilität zu stärken." Kurzum, Bedenken minimieren. Reichweiten-, Ladezeit- und Kostensimulatoren sollen dabei helfen, laut VW "auch ohne direkte Probefahrt". Dennoch weisen die Wolfsburger darauf hin, dass während des "digitalen Kaufprozesses" reale Probefahrten beim VW-Partner weiter möglich sind, und räumen zudem Garantien und Rückgaberechte ein. Gleiches bei Mercedes-Benz. Hier heißt es beim Thema Digitalvertrieb: "Wir bieten unseren Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, zwischen digitalen und physischen Kontaktpunkten bequem so zu wechseln und zu kombinieren, wie sie es möchten. Darüber hinaus erwarten Kundinnen und Kunden heutzutage, überall und zu jeder Zeit einen Kauf rein online abschließen zu können, und viele realisieren das auch so." Ähnliche Aussagen gibt es bei der Allane Mobility Group (Sixt) und Carwow. Der persönliche Kontakt mit einem Verkäufer und eine Probefahrt bleiben wichtig. Marc Lüers, Managing Director Commercial bei Carwow, sagt dazu passend: "Ein Auto ist nach dem Eigenheim meist die finanziell zweitgrößte Anschaffung im Leben." Aufklärung über Marken, Bedarf und Angebote sind essenziell, denn "die Loyalität zu Marken nimmt immer mehr ab, der Markenname ist nicht das entscheidende Kriterium beim Autokauf", so Lüers weiter. Markenimage allein reicht also nicht (mehr) aus. Für Vertrauen braucht es weitere Anreize, besondere Erlebnisse, Empfehlungen und Erfahrungsberichte zum Auto. Das war und ist Aufgabe des physischen Verkäufers im Autohaus. Diese emotionale Seite muss ebenfalls digital bedient werden. Digitale Berater und Storytelling Volkswagen benennt auf die Frage nach der "emotionalen Verbindung" beim digitalen Kaufprozess, die den Besuch in einem Autohaus ersetzen könnte, neben den Konfigurationstools mit realitätsnahen Bildern in 3D und 360-Grad-Optik auch "den digitalen Berater mit personalisierten Empfehlungen und emotionales Storytelling, zum Beispiel durch Online-Kampagnen". Ähnliches bei Mercedes-Benz: "Darüber hinaus steht das Mercedes-Benz Online-Beratungsteam für eine individuelle, digitale Beratung rund um den Fahrzeugkauf zur Verfügung und beantwortet alle Fragen zu Modellen, Sonder- und Serienausstattungen, Finanzierungsoptionen oder zum Online-Kaufprozess selbst." Ganz ohne Mensch-zu-Mensch-Beratung geht es im Onlinevertrieb eben nicht. So setzt auch die Allane Mobility Group auf Omnichanneling und persönlichen Kontakt im Digitalvertrieb: "Wir legen großen Wert auf Transparenz und Sicherheit. Kunden haben die Möglichkeit, ein ähnliches Fahrzeug an einem unserer Standorte persönlich zu besichtigen, es zu erleben und eine Probefahrt durchzuführen", sagt Philipp Schwenke, Division Head Online Retail. Parallel wird viel Arbeit in die digitale Beratung gesteckt, in ausführliche Fahrzeugberichte oder auch die Wartungshistorie angebotener Modelle. Carwow führt hier sogar an, mittlerweile beim Thema Neuwagen "mehr als 1.600 News- & Ratgeber-Artikel und weit über 700 Testberichte und Videos" auf dem eigenen YouTube-Kanal anzubieten. Digitale "Preisverhandlung" Der wichtigste Punkt beim Autokauf ist der Preis. Selbstverständlich bieten heute alle großen Onlinehändler und OEMs Finanzierungs- und Leasingrechner und die Möglichkeit der digitalen Unterschrift für den abschließenden Kaufprozess. Aber was ist mit dem guten alten Verhandeln? Volkswagen verweist neben den digitalen Rechenschiebern für Anzahlung, Rate, Laufzeit wieder auf seine Händler, "um ein individuelles Angebot zu erhalten. Dies ermöglicht eine Art der Preisverhandlung oder die Klärung spezieller Fragen zur Finanzierung oder Ausstattung". Mercedes-Benz fährt bekanntlich im Agenturmodell einen Einheitspreis. Dieser "Prozess der Preisgestaltung ist effizienter und transparenter für unsere Kunden (.) und sorgt online wie offline für den besten Preis. Aufwendige Preisvergleiche und -verhandlungen entfallen damit." Soweit bekannt, aber gut? BRANDNEUE STUDIE! Die brandneue Studie "Digitalisierung und Transformation 2024" von AUTOHAUS, TÜV NORD und Institut für Automobilwirtschaft (IfA) untersucht Kundenverhaltensweisen entlang der Customer Journey bei Kauf von Neu- und Gebrauchtwagen sowie beim Service - und stellt dabei die Kunden absolut in den Mittelpunkt. Die Aussagen und Empfehlungen bauen auf den Meinungen von über 1.200 Autokäufern auf. Persönlich-stationäre Formate sind demnach weiterhin nicht überholt. Aber die Kunden informieren sich immer stärker auf den Websites von Händlern und Herstellern. Ob ein Händler die Aufmerksamkeit eines Fahrzeuginteressenten erfährt, entscheidet sich somit maßgeblich anhand seiner Online-Sichtbarkeit. Auch Carwow nennt direkt keinen "Verhandlungsspielraum", führt aber an, dass Kunden immer "einen fairen Preis erhalten, ohne verhandeln zu müssen". "Unser Algorithmus spielt dem Kunden immer fünf Angebote aus, in denen insbesondere das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Lokalität berücksichtigt sind." Nach der Kontaktaufnahme mit dem anbietenden Händler könnten sich Kunden weiter beraten lassen oder telefonisch in den Austausch treten. Beim Portal Allane.de, das bald sixt-neuwagen.de ersetzen wird, beruft man sich auf die Markenunabhängigkeit und Transparenz, "sodass wir unsere Kunden individuell und flexibel zu ihren Bedürfnissen und finanziellen Anforderungen beraten können", sagt Schwenke. Die Verunsicherung bei E-Autos Hier gibt Carwow interessante Kundeneinblicke, die zeigen, dass beim Thema E-Auto weiter Verunsicherung herrscht: "Kunden konfigurieren mehr Modelle, ehe sie eine Entscheidung treffen. Sind es bei Verbrennern durchschnittlich vier Modelle von drei Marken, sind es bei E-Autos doppelt so viele Modelle. Viele Fragen (...) drehen sich um die Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur, Garantien und Reparaturkosten", so Marc Lüers, und weiter, "interessant auch, dass die beliebteste Laufzeit bei Verbrennern 48 Monate, bei E-Autos aber nur 24 Monate ist." Am Ende entscheidet gerade bei der E-Mobilität der Preis. Noch immer sind konfigurierte Stromer im Schnitt 10.000 Euro teurer als vergleichbare Verbrenner, sagt Carwow weiter. Der Preis ist aber für 70 Prozent aller Interessenten entscheidend. Studie "Digitalisierung und Transformation 2024" Der digitale Vertrieb ersetzt nicht das Autohaus oder den stationären Handel. Wer aber erfolgreich sein will, muss digital denken. Die Suche startet im Netz, Kaufentscheidung und Kaufabschluss folgen noch oft lokal vor Ort. Gefragt und gewollt sind weiterhin die "Beratung am Auto" und die Probefahrt. Das gilt besonders für BEV-Kunden. Fakt ist, Kunden müssen in Zukunft die Wahl haben, ob sie mit einem virtuellen Assistenten oder einem menschlichen Ansprechpartner kommunizieren möchten. Die On-und-Offline-Prozesse müssen nahtlos ineinander übergehen. Oder wie es Prof. Dr. Benedikt Maier im Vorwort zur Studie "Digitalisierung und Transformation 2024" von AUTOHAUS, TÜV NORD und IfA formuliert: "Es geht nicht um künstliche, sondern um ganz menschliche Intelligenz. Entscheidend sind die Basics im Verkauf: Freundlichkeit, Fachkompetenz und Empathie. Der Touchtable, der AI-Agent oder die VR-Brille machen nicht den Unterschied. Es muss wieder sorgfältiger auf jeden Lead, jeden Walk-in und jede vermeintliche Karteileiche geschaut werden."

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