HB ohne Filter vom 5. September 2014
präsentiert von
Datum:
05.09.2014Heute: 23. AUTOHAUS-Sommerakademie, Start ins neue Ausbildungsjahr, Kia-Überflieger van Vugt ist abgetreten, BFC-Calw mutiert zum Freudenhaus.
Steigen Sie ein in die Diskussion! Am Ende des Beitrags finden Sie den Button "Kommentare". Klicken Sie darauf und kommentieren Sie Prof. Brachats Kommentar!
23. AUTOHAUS-Sommerakademie
Über 80 Teilnehmer trafen sich bei der 23. AUTOHAUS-Sommerakademie vom 27. bis 29. August im "Liebherr-Hotel" auf dem Seefelder Hochplateau in Telfs/Innsbruck zum Gedankenaustausch.
ZDK-Präsident Jürgen Karpinski referierte als Ehrengast in der Abendveranstaltung über "Weichenstellung für das Autohaus der Zukunft". Gewichtige verbandspolitische Aussage dabei: "Gut ist, was den Betrieben nutzt!" (Hier finden Sie den gekürzten Redetext)
Hier gewichtige Thesen der Veranstaltung in Kurzform:
- Wir sind gehalten, uns mehr mit der Zukunft und Innovationen zu beschäftigen.
- Die automobile Handelsorganisation kann sich weder auf den Kunden noch auf den Hersteller verlassen.
- Wo bleibt die gemeinsame digitale Gesamtstrategie Hersteller – Handel? (NW-Börsen, Service-Börsen u.a.)
- Die Hersteller ziehen das Großabnehmergeschäft immer mehr an sich.
- Die Kundenbindung im Großabnehmergeschäft wird eher über das Fuhrparkmanagement und Leasingprozesse erzeugt, weniger über das Produkt.
- Im Flottenmarkt werden die Mietmodelle zunehmen.
- Stillstand kostet mehr als Wachstum!
- Man sollte nicht expandieren, wenn man seinen Laden nicht im Griff hat.
- Stärkere Kundenbindung erhöht die Vertriebskosten zu Lasten des Handels.
- Erst vertikal wachsen, Markt ausschöpfen, dann horizontal.
- Das Wesen und der stärkste Differenzierungsfaktor im Autohaus ist die Kundenbeziehung. Alles andere ist austauschbar.
- Kundendaten gibt es im Autohaus im Überfluss.
- 50 Prozent der Daten im Autohaus haben Fehler.
- Der Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität ist eine Mär.
- Das Wesen von CRM ist der Vernetzungsgedanke.
- Facebook ist für bestimmte Zielgruppen das beste Marketinginstrument.
- Die IT-Systeme der Hersteller sind vielfach veraltet.
- Mit 1 Prozent Umsatzrendite kann man nicht in IT investieren, wie es erforderlich wäre.
- Ab 80 Mitarbeiter braucht man im Autohaus einen Personalverantwortlichen.
- Mitarbeiter wollen Transparenz. Ergo: informieren, kommunizieren.
- Verkäufer braucht drei Jahre, um einen Kundenstamm aufzubauen.
- Die Entlohnungsstrukturen im Fahrzeugverkauf bestehen zu 43 Prozent aus festem Entgeltbestandteil (Grundgehalt), zu 57 Prozent aus variablen Anteilen (Provisionen, Boni & Prämien, Erfolgsbeteiligungen).
- Ein guter Verkäufer sollte mehr als sein Tarifentgelt verdienen!
- Leistungssteigerung der Serviceberater durch Zielvereinbarungen herbeiführen.
- Dem Fixum stets einen Sinn geben.
- Bei Mitarbeitern die Stärken sehen und gezielt fördern.
- Das Segment Classic Cars boomt - nachhaltig! Es sind allein 400.000 Fahrzeuge mit H-Kennzeichen unterwegs.
- Wo Geld ist, da ist der Teufel, wo keines ist, da ist er zweimal.
- Der stationäre Handel sollte dringlich über elektronische Preisschilder im Neu- und Gebrauchtwagenbereich aufgerüstet werden.
- Der Motor im GW Geschäft ist der Einkauf.
- Umsatz ist der Applaus der Kundschaft.
- Verkäufer muss man sehen.
- Wirkungsvolles Controlling zeigt sich in Daten zum aktuellen Tagesgeschehen.
- Freiwillige Sachzuwendungen an Arbeitnehmer sind bis zu 40 Euro (brutto) aus besonderem persönlichen Anlass lohn- und sozialversicherungsfrei. Waren- und Dienstleistungsgutscheine pro Arbeitnehmer 44 Euro (brutto) Klassiker: Tankgutscheine
- Zuwendungen für Betriebsveranstaltungen sind mit 110 Euro neu geregelt worden.
- Aufgrund aktueller Rechtssprechung sollen Streuwerbeartikel bis 10 Euro ebenso pauschal mit 30 Prozent zzgl. SoliZ und Kirchensteuer wie Geschenke versteuert werden.
- Servicebörsen werden nach und nach Realität.
- Werkstattauslastung durch überfabrikatliche Glasreparatur, Fahrzeugpflege und Räder-Hotels absichern.
Start ins neue Ausbildungsjahr
In zahlreichen Autohäusern wird das neue Ausbildungsjahr mit einer Einführungsveranstaltung zelebriert, an der neben den neuen Auszubildenden auch deren Eltern teilnehmen. Bei der Emil Frey Gruppe in Stuttgart konnte diese Woche CEO Rudolf F. Wohlfarth dazu 220 Gäste begrüßen.
In der Emil Frey Gruppe werden insgesamt 419 junge Menschen ausgebildet, davon 232 in der technischen und 187 in der kaufmännischen Linie. In der BMW-Niederlassung Stuttgart begrüßte Niederlassungsleiter Erwin Mayer 17 neue Auszubildende. 56 stehen dort insgesamt im Ausbildungsstatus. In allen deutschen BMW-Niederlassungen beginnen 380 Menschen ihre Ausbildung. BMW-Opel Kohl in Aachen freut sich auf 26 "Neue". Dort sind von 500 Mitarbeitern insgesamt 90 Auszubildende beschäftigt.
Ohne Frage, die Zahl der Schulabgänger sinkt. Im vergangenen Jahr blieben in Deutschland insgesamt 80.000 Lehrstellen offen. 1993 wählten 279.000 junge Menschen ein Studium, heute sind es jährlich gut 500.000. Der Philosoph und SPD-Politiker Julian Nida-Rümelin macht einen "Akademisierungswahn" zu Lasten der betrieblichen Lehre aus. Die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und Griechenland geht u.a. auch auf die Überakademisierung zurück. Schon geht die Angst um, wenn einmal alle Akademiker geworden sind, keiner mehr ein Auto reparieren kann.
Zwei Aspekte sollte man bei dieser Diskussion sehr deutlich machen. Bildung sollte und darf man nicht nur zur wirtschaftlichen Zweckerfüllung anlegen. Es sollte jeder junge Mensch seine Stärken entfalten können. Nur so kommt im Endergebnis ein zufriedener Mensch heraus. Tatsache ist, wir brauchen in Deutschland eine starke Facharbeiterschaft. Schlimm, wenn ein handwerklicher Beruf als Abstieg gesehen wird. Das ist das eigentliche Übel, die mangelnde Wertschätzung. Ein Beispiel zum Nachdenken: Wenn selbst in Nummerus-Clausus-Fächern 20 Prozent der Studenten/Studentinnen nach dem ersten Studienjahr abbrechen, dann ruft das in einem viele Fragezeichen auf. Im Klartext, es gehören wirklich nicht alle an die Hochschule, die dort gegenwärtig anzutreffen sind.
Kia-Überflieger van Vugt ist abgetreten
Die Presse tut so, als wäre der Abgang von Kia-Geschäftsführer Martin van Vugt am 12. August 2014 der Gattung "überraschend" und "auf eigenen Wunsch" zuzuordnen. Wer glaubt, wird selig! Wer van Vugt bei seinem letzten Auftritt auf der Händlerverbandstagung am 17. Mai in Hamburg beobachtete, konnte einen Manager erleben, der in Nadelstreifen gekleidet völlig außer oder gar neben sich war. Nie habe ich im direkten Dialog Importeur-Händler live ein derart eisiges Schweigen seitens der Händlerschaft erlebt wie bei diesem originären Gastauftritt. Van Vugts Darstellungen blieben ohne jeglichen Beifall. Es sollte sein letzter offizieller Auftritt vor Händler sein. ZDK-Vizepräsident Ulrich Fromme agierte vor Ort als diplomatischer Brückenbauer.
Was van Vugt seit seinem Amtsantritt im Februar 2011 bewerkstelligte, war alles andere als gelebte Partnerschaft. In einem Interview mit einem namhaften Fachmagazin soll er unlängst auf die Frage nach der unzulänglichen Händlerrenditen gesagt haben, dass Rentabilität für die Händlerschaft ein Dauerthema sein wird. Aber man kann nicht sechs Wochen Urlaub auf Mallorca machen und sich dann über eine zu geringe Rentabilität beklagen. Eigentlich gefallen mir diese Typen, die offen ihre Meinung sagen. Klar, derartige "Mallorca- Äußerungen" werden dann von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit gestrichen. Dennoch, zeigt dieses Beispiel die wahre Wertschätzung eines GFs für die Händlerschaft.
1,1 Prozent KIA-Händlerrendite interpretiert van Vugt dann mit der weiteren Anmerkung, dass sich über Rechtsformgestaltungen im Autohaus viel Spielraum ergebe. Meine Erfahrung ist die: Wenn ein Hersteller oder Importeur Renditezahlen bekannt gibt, muss man immer 0,5 bis ein Prozent davon abziehen. Dann kommt man zu realistischen Größenordnungen! Meine Erfahrung ist die: Sobald ein Hersteller/Importeur erkennt, dass der Handel zwei Prozent Rendite einfährt, wird kräftig an der Margenschraube nach unten gedreht. Würde der ZDK endlich seine Zahlensammlung öffnen, würde man feststellen, dass allein die Grundmarge für zahlreiche Modelle innerhalb von zehn Jahren von 17 Prozent auf zehn Prozent heruntergesetzt wurden. Im variablen Margenbereich ist man heute dem "Wohlwollen" des Herstellers/Importeurs ausgesetzt. Klassischer Machtmissbrauch!
Ein Typ wie van Vugt würde das in seiner authentischen Ader noch klarer formulieren: Wem das mit der Rendite nicht genug ist, der kann ja gehen. Ich habe über einen Manager noch nie so viele persönliche Händlerbriefe mit entsprechenden Anmerkungen erhalten wie zur polarisierenden Person van Vugt. 100.000 Einheiten pro Jahr wollte er bis 2016 erreichen. Dazu wurde das Händlernetz restrukturiert. Im Klartext blieben dabei bislang 120 Standorte auf der Strecke. Manche hat er mit Erfolg mit großen Handelsgruppen besetzt und dafür richtig die Kasse aufgemacht. Man ziehe sich dazu eine weitere Stilblüte rein: "Wir hatten geplant, dass die gekündigten Händler rund 50 Prozent ihres früheren Volumens erbringen - aber sie haben keine 15 Prozent geschafft." Auf welchem Stern lebt van Vugt? Er will nicht wahrhaben, dass es für einen Händler einen großen Unterschied macht, ob er ein Auto verkaufen will oder muss. Nochmals im Klartext, es gab bei Kia unter der Regentschaft van Vugts 300 Händlerbewegungen, davon 150 neue Händler. Und darauf konzentrierte er sich mit unbändigem Fleiß. Das war wohl seitens der Koreaner seine Hauptaufgabe! Mal sehen, bis wann die Bastion fällt, dass der erste Kie-Händler auch Hyundai vertreiben darf.
Dass van Vugt - wie seine zahlreichen Vorgänger - bei den Koreanern einen schwierigen Stand hatte, sei positiv erwähnt. Dabei kam ihm offensichtlich seine spezifische Machart zugute, hier auch den Händlern. 2013 wollte er 70.000 Einheiten absetzen. 55.564 sind es dann geworden. Sein Nachfolger wird sich zentral dem Thema widmen müssen, wie Kie das Vertrauen der angestammten Händlerschaft, nicht nur der neu zugekauften zurückgewinnt. Vertrauen kann man nicht kaufen, man muss Vertrauen gewinnen. Eben das seines wichtigsten Kunden, der Händlerschaft!
BFC-Calw mutiert zum Freudenhaus
Die Hermann-Hesse-Stadt Calw steht mit ihrem größten Sohn und dessen musealer Verkörperung im sehenswerten Hesse-Museum für Eigensinn, für Individualität. Aus der historischen "Spöhrer-Schule" Calw entwickelte sich ab 1963 der Fachzweig BFC. Ein Werk von Adelbert Moll, Schwabe, VW-Händler zu Düsseldorf. Er war der eigentliche Weichensteller und Macher. Auch dem ZDK, dem Träger der Schule gegenüber. Über 5.000 Schüler haben in der BFC Automobiles "Unternehmertum" mit hess'scher Buchhaltungs- und Kostenrechnung gepauckt und die Freizeit im "Rössle", Hesses liebste Perspektive zu Calw, bei einem Dreigang-Menü genossen: Zwei Halbe und einmal Maultaschen.
Im Januar 2012 schlug der BFC-Blitz in der Branche ein: Calw wird geschlossen, Northeim zum alleinigen Standort erkoren. Eine schlimme ZDK-Verbandsblamage, wer immer sie auch in Wahrheit zu vertreten hat. Der bisherige ZDK-Präsident Robert Rademacher verzichtete zum Abschied seiner achtjährigen Präsidentschaft auf Abschiedsgeschenke. Am 24. Juni 2014, sechs Monate vor Weihnachten, wurden dort hoch über Bonn auf dem Petersberg 23.000 Euro abgegeben. Diese respektable Summe hat der ZDK-Ehrenpräsident nunmehr auf 50.000 Euro aufgestockt. "Man setze Zeichen der Hoffnung", sagte schon H. Hesse.
ZDK-Hauptgeschäftsführer Dr. Axel Koblitz war nun seit 2012 mit der BFC-Abwicklung Calw betraut. Nun scheint der letzte Immobilienteil, das Wohnheim in Bad Liebenzell, abgestoßen zu sein. Jeder Ehemalige bzw. jede Ehemalige wird verdutzt sein, dass möglicherweise gerade in seinem oder ihrem ehemaligen Zimmer dieses Wohnheimes künftig horizontale Freudendienste angeboten werden. Bei aller Ehre, bei wissenschaftlicher Betrachtung von Standortfragen im Einzelhandel würde man nie und nimmer an dieser Stelle auf die Idee für ein florierendes Freudenhaus kommen. Vielleicht geht es dem neuen Betreiber wie jenem, der in der Wüste ein Café unterhielt. Er meinte: "Los ist nichts, aber wehe, es kommt einer." Vermutlich ist das die hintergründige Geschäftsidee, dass jeder Ehemalige bei entsprechender Vergangenheitsbewältigung jetzt viel lieber an seine frühere "Anstalt" zurückkehrt. In der Sprache von Hermann Hesse: "Ohne das Tier in uns sind wir kastrierte Engel." Nochmals Hermann Hesse: "Schicksal kann man nur durch Begreifen überwinden."
Spruch der Woche:
"Es ist nicht Sache des Verbandspräsidenten, allen zu gefallen."
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
www.brachat.de