HB ohne Filter: Öffnungsperspektive, wo bleibst du? +++ GVO-Regelungen +++ Gebrauchtwagenbörsen
Unabhängig, scharfsinnig, auf den Punkt: der aktuelle Wochenkommentar von AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat!
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19.02.2021Öffnungsperspektive, wo bleibst du? - 3. März 2021? +++ Politische GVO 2022-Regungen +++ Pkw-Gebrauchtwagenbörsen der Hersteller und Importeure – mit Reserven! +++ Neue Automobilhersteller - Apple & Co.
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Öffnungsperspektive, wo bleibst du? - 3. März 2021?
Am 16. Februar 2021, also heute, lud Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier 40 Wirtschaftsverbände zum sogenannten "Wirtschaftsgipfel" in Form einer zweieinhalbstündigen Videokonferenz ein. Der ZDK saß da virtuell mit am Tisch. Auch wenn es dem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gelegentlich die Schlappen auszieht - siehe Abbildung -, so gilt er bei allem als offener und geduldiger Zuhörer.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ohne Schlappen, Schuhe kann man das ja nicht mehr nennen. (Foto: Prof. Hannes Brachat/AUTOHAUS)
Er forderte nun die beteiligten Verbände auf, kurzfristig konkrete Vorschläge für die "Öffnung" zu machen. Manche werten sein Ansinnen als politische Hinhaltetaktik, aber das ist doch ok., dass ein Politiker auch konkrete Lösungen der Verbände von und für die Basis einfordert! Frust, Enttäuschung, Ungeduld kamen seitens der Wirtschaft bei diesem Gipfel dennoch klar zum Ausdruck. Umgekehrt, die politische Furcht vor einer dritten Infektionswelle sitzt politisch tief.
Kretschmann-Losung
Die einen Verbände fordern nun die Öffnung "Schritt für Schritt", die anderen setzen auf Kriterien, die für alle gleich gelten sollen. Wie so oft schlägt Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann (72), der am 14. März 2021 sich zum dritten Mal zur Wahl stellt - wer von den Grünen könnte ihn im Ländle ersetzen? - eine kompromitable Linie zwischen politischer Verantwortung für das gesundheitliche Ganze und gesellschaftlichen wie ökonomischen Notwendigkeiten vor. Inzidenz-Ideologie um jeden Preis?
Klartext Kretschmann: "Sollten wir stabil die 35 erreichen, d. h. sollten wir diese Inzidenz im Land über drei bis fünf Tage am Stück unterschreiten, dann werde ich weitere Öffnungsschritte veranlassen." Dies unter Vorgabe entsprechender Hygienemaßnahmen. So Baden-Württemberg unter eine 7-Tage-Inzidenz von 35 kommt, kann sich der Ministerpräsident Öffnungen für den Einzelhandel vor dem 3. März vorstellen. Das ist bei aktuell gegebenen Werten von 41,6 im Ländle durchaus vorstellbar. Kretschmann weist aber gleich auf die Mutanten hin, die möglicherweise eine erneute Anpassung, eine Schließung wieder notwendig macht. Kretschmann macht sein Verständnis deutlich, was dem Einzelhandel politisch Tag um Tag zugemutet wird und auf der anderen Seite die Notwendigkeit, dass die Freiheiten Schritt für Schritt wieder herzustellen sind. Humor und Geduld sind zwei Kamele, mit denen du durch jede Wüste kommst. Man braucht sie auf dem Ritt durch die Pandemia-Wüste. Und das in der Fastenzeit?
Aktuelle Stützungsmaßnahmen
Es gibt sie, die gezielte finanzielle Unterstützung, die politisch initiiert wurde. Man darf sich ja immer mal wieder in diesen wirren Zeiten die Fragen stellen, wie man selber entscheiden würde, säße man verantwortlich am politischen Schaltpult? Hier finden sie aktuell die Unterstützungsleistungen, die seitens der Regierung zur Verfügung gestellt werden. Der ZDK hat sie aktuell aufgelistet. Sie können sie hier abrufen.
Nun weiß man, Papier ist geduldig und es braucht gar viel Zeit, bis die liquiden Mittel auf das Konto fließen. Dieses Manko-Übel musste sich der Bundesfinanzminister beim "Wirtschaftsgipfel" ebenso anhören. Altmaier trägt die Verantwortung für den Mittelfluss. Und wie so oft, steckt der Teufel im Detail. Du stellst im Verbund mit deinem Steuerberater einen Antrag, beispielsweise Überbrückungsgeld III, und dann treten Fragen auf wie folgt, wo du als Händler Verständnisprobleme hast. Hier der praktische Fall:
Behandlung von Mieten
Ein Händler aus dem Saarland schreibt mir: "Ein beutender Fixkostenposten ist bei den Autohäusern die Miete bzw. Pacht der Autohausimmobilien. Diese Mieten und Pachten sind jedoch nur dann förderfähig, wenn Autohaus und Besitzunternehmen keine verbundenen Unternehmen darstellen.
Wie kann das sein! Erstens ist dies bei Autohäusern gängige Praxis, und zweitens müssen auf der anderen Seite ja auch noch eventuelle Kredite gezahlt werden! Klar müssen die Mieten marktentsprechend sein. Dafür sorgt ja das Finanzamt bei jeder Betriebsprüfung! Wenn die Mieten in 2021 die gleichen sind wie in 2020 dann sehe ich auch keine Bereicherung darin! Miete ist Miete! Ob extern oder intern."
Barbara Muggenthaler, Wirtschaftsprüferin und Partnerin der Kanzlei RAW gibt die Antwort: "Die Mieten werden nicht übernommen, da das Autohaus und das Besitzunternehmen als ein Unternehmen (verbundene Unternehmen) zu betrachten sind, wenn diese einer natürlichen Person gehören. Im Rahmen der Überbrückungshilfe III werden verbundene Unternehmen als ein Unternehmen betrachtet. Für diese darf in der Folge nur ein gemeinsamer Antrag gestellt werden.
Mieterträge der Besitzgesellschaft werden dabei nicht als Umsätze und Mietaufwendungen des Autohauses nicht als förderfähige Fixkosten betrachtet. Die Fixkosten der Besitzgesellschaft (Zinsen und 50 Prozent der Abschreibung auf das Anlagevermögen) können grundsätzlich im Rahmen des Antrages als förderfähige Fixkosten geltend gemacht werden, wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind.
Hintergrund ist dieser, dass die Immobilie, wäre sie im Autohaus, auch "nur" in Höhe der Zinsen und anteiligen Abschreibung im Rahmen der Überbrückungshilfe III berücksichtigt würde. Dies ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, die meines Erachtens korrekterweise erfolgt." Immer diese speziellen Komplexitäten!
Politische GVO 2022-Regungen
Vergangene Woche hatten wir mit Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europa-Parlament, dem er seit 2004 angehört, ferner stellv. Parteivorsitzender der CSU eine halbstündige Telefonkonferenz zum Thema GVO. Bayerns Innenminister Joachim Hermann hatte uns die persönliche Brücke zu ihm gebaut. ZDK-Geschäftsführerin und für den ZDK GVO-Verhandlungsführerin in Brüssel, Antje Woltermann, artikulierte wie folgt die aktuelle GVO-Situation:
"Die für den Vertrieb von Neufahrzeugen relevante Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung VO 330/2010 läuft am 31.5.2022 aus, die für den Aftersales relevante Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung VO 461/2010 am 31.5.2023. Beide Verordnungen werden zurzeit von der EU-Kommission überprüft, wobei das Verfahren betreffend die Vertikal-GVO schon wesentlich weiter fortgeschritten ist. Es steht bereits fest, dass es eine neue Vertikal-GVO geben wird. Ob es auch eine neue, spezielle Kfz-GVO geben wird, ist noch offen. Aus Sicht des europäischen Kfz-Gewerbes wäre es sinnvoll, wenn es eine neue Verordnung für unsere Branche geben würde. Derartige branchenspezifische Verordnungen hatten wir von 1985 bis 2010. Danach entschied die EU-Kommission, dass zumindest für den Neufahrzeugvertrieb die branchenübergreifende Vertikal-GVO ausreichend wäre.
Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Automobilindustrie, die mit einer kompletten Transformation der Wertschöpfungskette einhergehen, sind wir der Ansicht, dass sektorspezifische Wettbewerbsregeln künftig wieder erforderlich sein werden. Denn die Automobilhersteller übernehmen zunehmend den Vertrieb von Neufahrzeugen und treten damit in den direkten Wettbewerb zu ihren Vertragshändlernetzen. Die Händler werden zu erheblichen Investitionen in das traditionelle Geschäftsmodell verpflichtet, obwohl ihnen aufgrund der Direktvertriebsaktivitäten der Hersteller Umsätze wegbrechen. Hinzu kommt, dass die Händler verpflichtet werden, ihre Kundendaten in einen gemeinsamen Datenpool zu übertragen, wobei diese Daten von den Herstellern dann zusammen mit den Daten, die vernetzte Fahrzeuge liefern, von den Herstellern für neue datenbasierte Dienstleistungen genutzt werden können.
Wir wenden uns keineswegs gegen Innovation und Fortschritt, aber wir vertreten die Ansicht, dass es dafür Rahmenbedingungen braucht, die einen fairen Wettbewerb auf EU-Ebene gewährleisten."
Manfred Weber machte deutlich, dass die GVO nicht vom EU-Parlament, sondern von der EU-Kommission entschieden werde. Dennoch werde er dazu mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Gespräch führen. Er interessierte sich vor allem für die Begründung einer kfz-spezifischen GVO. Hier vertieften wir – vergleichbar Österreich – die Forderung nach einem Investitionsschutz, einer geregelten zweijährigen Vertragskündigung, die Ausgewogenheit von Standards und deren Investitions- und Rückflussvolumen, möglicher Marktmacht-Missbrauch beim Direktvertrieb, der Umgang mit Daten oder im Falle von Stellantis, wie der Wegfall einer Marke geregelt wird. Antje Woltermann wird die Aspekte für Manfred Weber aufbereiten. Er sagte Offenheit für den weiteren politischen Austausch zu. Eine wirkungsvolles Polit-Gespräch!
Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europa-Parlament (Foto: Tobias Koch)
Pkw-Gebrauchtwagenbörsen der Hersteller und Importhersteller – mit Reserven!
Wer die Ergebnisse im aktuellen Markenmonitor aufruft, wird unter den insgesamt 38 gewichteten Kriterien sechs in der Gattung Gebrauchtwagen finden. Die Gebrauchtwagenförderung für den Handel fällt dort seit Jahren mit unterbelichteten Notengraden aus. Ein Kriterium ist die GW-Börse des Herstellers-Importherstellers. Vorab, nicht jeder Importhersteller ist überhaupt mit einer eigenen GW-Börse mit im Rennen. Oder MB offeriert ausschließlich GW der eigenen Marke. Andere wie "Hyundai Promise Gebrauchtwagen" versuchen mit ganzen 2.418 Gebrauchtwagen ihr Glück! Oder Opel offeriert als einzige Plattform eine mobile App.
Wer die Bewertungskriterien für die einzelnen GW-Plattformen analysiert staunt, wie zahlreich die Einzelkriterien sind. Von der Usability und User-Experience, E-Commerce, Kontaktmöglichkeiten, Verkauf, Social-Commerce und Mobile-Commerce. Wer diese dann in einer Nutzwertanalyse für die Gebrauchtwagenbörsenanbieter gewichtet, kommt auf folgende Prioritäten:
- Sicherstellung einer hohen Angebotsvielfalt
- Implementierung eines Online-Finanzierungsrechner
- Ein elektronisches Kontaktformular
- Implementierung des Responsive Webdesign (Darstellung der Webseite auf allen mobilen Endgeräten)
- Implementierung grundlegender Elemente des User Experience Designs zur Gewährleistung einer hohen Benutzerfreundlichkeit (Contentdarstellung, Dialoggestaltung, Navigation, Such- und Filterfunktion, Vergleichsfunktion u.a.)
Wer nun die GW-Börsen der Hersteller und Importhersteller unter den eben genannten Aspekten durchgeht, wird Volkswagen (autosuche.de) und Toyota (gebrauchtwagen.toyota.de)vorne an finden. Die Stärken beider Plattformen liegen in der Navigation, der Vergleichsfunktion sowie den sozialen Interaktionsmöglichkeiten. Toyota bietet zusätzlich die Möglichkeit eine Suche mit ausgewählten Suchkriterien zu speichern. Ferner ermöglicht die Plattform einen Vergleich zweier Gebrauchtwagen, welcher übersichtlich dargestellt wird. Das Teilen des Inserats in sozialen Netzwerken (Twitter, Facebook) wird besonders gut unterstützt. GW-Fremdfabrikate zu finden bedarf besonderer Pfadfindererfahrungen. Eine besondere Stärke der Volkswagen-Plattform ist der telefonische Kundenservice.
Fazit: Sämtliche GW-Börsen zeigen Verbesserungspotenziale auf. So der GW-Onlineverkauf 2030 einen Marktanteil von 50 Prozent schreiben soll, gilt es kontinuierlich an den Verbesserungen zu arbeiten, vor allem an den weiteren Technologien für die Produktpräsentation, die das Produkterlebnis online besser nachbilden kann.
Ein Blick auf die GW-Börse von Volkswagen
Ein Blick auf die GW-Börse von Toyota
Neue Automobilhersteller - Apple & Co
Apple will angeblich keine eigenes iCars bauen, sondern auf einer fertigen Plattform aufsetzen. Dazu werden bzw. wurden Verhandlungen mit Hyundai, KIA, Nissan, angeblich mit GM und auch Stellantis geführt. Die genannten Hersteller sollen das Wichtigste, ihre Marke sichtbar abstreifen und künftig exklusiv unter dem Apple-Symbol durch die Lande fahren. Automobilhersteller werden zu reinen Hardware-Lieferanten, Auftragsfertiger degradiert. Es wird sich also beim weiteren Übergang zur E-Mobilität und zum autonomen Fahren noch einiges bewegen. Beim autonomen Fahren beispielsweise durch Waymo (Google).
Da wären allerdings noch weitere E-Auto-Produzenten denkbar, und zwar aus dem Reich der Zulieferer. Bosch, Benteler, Schaeffler, Continental (Vitesco), Canoo, Foxcom. Man denke an der Verbund von Sony mit Magna oder auch Samsung mit gigantischen Bildschirmen und sensiblen Lautsprechern, mit extra buchbarer 3D-Klang-Soundquality. Die Konzerthalle Auto als Entertainment-Kapsel. Was da manche nicht wahrhaben wollen, sie alle brauchen ein Händlernetz, After-Sales-Service und das alles mit eigenen Ladesäulen!
Spruch der Woche
"Wenn Deutschland sich nicht bei elektrischen Autos durchsetzen kann, wäre das eine riesige Tragödie." (Bill Gates)
Mit humoriger und geduldiger Zuversicht auf sich öffnende Verkaufsräume
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
www.brachat.de
Der nächste HB ohne Filter erscheint am 26. Februar 2021!
Bernd Schürmann