HB ohne Filter: Konjunktur-Dellen +++ Gigaglobalisierter VW-Konzern +++ Neustaat
Unabhängig, scharfsinnig, auf den Punkt: der aktuelle Wochenkommentar von AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat!
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12.06.2020Dellen in der Konjunkturlandschaft +++ Der gigaglobalisierte Konzern Volkswagen +++ Mehrwertsteuersenkung ab Juli 2020 +++ Mitunternehmer - LIQUI MOLY-Geschäftsführer Ernst Prost +++ Neustaat - Politik und Staat müssen sich verändern.
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Dellen in der Konjunkturlandschaft
Der Export ist die "Achillesverse" der deutschen Wirtschaft. Deutschland exportiert nahezu die Hälfte seiner Wirtschaftsleistungen, davon gehen zwei Drittel der Exporte nach Europa. Durch den Exporteinbruch ist es sinnvoll, auf längere Zeit den Konsum im Inland anzuregen. Möglicherweise wird die Mehrwertsteuersenkung über das Jahresende 2020 hinaus fortgesetzt. Opel beispielsweise reicht jetzt schon die volle Mehrwertsteuer durch (siehe Abb.). Sinkende Exporte oder andere betriebliche Stilllegungen führen zu Arbeitsplatzabbau. Jedes Unternehmen ist versucht, seine Fixkosten zu senken, den Break-even tiefer anzulegen. Die Menschen werden in Folge dauerhaft weniger konsumieren und Firmen sich mit Investitionen zurückhalten. Sollte im Herbst, wenn sich die Menschen wieder vermehrt in geschlossenen Räumen treffen, das Infektionsrisiko wieder ansteigen, wäre das die zweite Corona-Welle, ein Worst-Case-Szenario. Die Banken werden die nächsten Monate in der Kfz-Branche besonders gefordert sein. Nahezu 30 Prozent der Autohäuser schlossen - so die Auswertung für das Jahr 2019 (siehe AUTOHAUS 1/2 2020) - das Jahr 2019 mit "roten Renditen" ab. Jetzt kommen rückläufige Umsätze, weitere Gewinnreduzierungen hinzu. Das führt zu Liquiditätsenge. Das werden nicht alle überstehen.
Die gepuschte E-Mobilität ist die nicht große Hilfsaktion, die die Branche aus der Krise führen wird. Ich darf die Prämiensätze von letzter Woche hier nochmals aufgesplittet mit dem BAFA-Anteil und dem Herstelleranteil spezifizieren, um Klarheit zu verschaffen (siehe Abb.). Denkbar, dass die neuen Fördersätze rückwirkend zum 4. Juni 2020 angewandt werden können.
Das wird die nächsten Monate ein großer Balanceakt, damit die Zahl der Neuinfektionen nicht wieder steigt und in aufkommenden Fällen die lokalen Ausbrüche eingegrenzt werden können. Die wirtschaftliche Gesamtsituation wird zu eine längeren Phase der Ungewissheit und Unsicherheit führen.
Opel-MwSt-Aktion
Die neuen Prämiensätze
Der gigaglobalisierte Konzern Volkswagen
Diese Woche wurde in Wolfsburg das Ende der Ära Herbert Diess eingeläutet. Das Tuch zum Aufsichtsrat ist zerschnitten. Herbert Dies kam 2015 als Vorstand zu Volkswagen und wurde 2018 Vorstandsvorsitzender. Er wäre nach Bernd Pischetsrieder (2002 bis 2006) der zweite BMW-Manager, der an der VW-Konzernspitze scheitert. Als mögliche Nachfolger sind Porsche-Chef Oliver Blume sowie Skoda-Chef Bernhard Maier (BFC-Absolvent Calw) im Gespräch.
Zum VW-Konzern gehören zwölf Marken. Weltweit wird an 118 Standorten produziert. 671.200 Mitarbeiter drehen bei Volkswagen weltweit das große Rad von jährlich zehn Millionen produzierten Autos. Und bei dieser Dimension soll eine Person für das Ganze weltweit die Verantwortung tragen? Es ist schlimm, dass eine Modelleinführung wie beim Golf8 nicht läuft. Oder man denke an die Superpräsentation der ID-Präsentation auf der IAA 2019 und jetzt stehen die Fahrzeuge des ID.3 in Zwickau wegen Softwareproblemen auf Halde und können nicht ausgeliefert werden. Ein Prozent der Beschäftigten sind bei VW Top-Führungskräfte. Wir sprechen von 6.700 an der Zahl. Die kann ein Vorstandsvorsitzender gar nicht alle persönlich kennen. Sie alle tragen aber maßgeblich mit an der Verantwortung für das Ganze.
Ferdinand Piech hat dieses gigantische Werks-Konglomerat als Eigentümer-Patriarch ab 1992 aufgebaut. Martin Winterkorn hat ihn dabei 35 Jahre begleitet, bis ihn der Dieselbetrug 2015 aus dem Amt drängte. Das Landgericht Braunschweig traut sich immer noch nicht, eine Anklage gegen ihn zuzulassen. Rupert Stadler, Audi-Chef, war über Jahre Piechs Büroleiter in Wolfsburg. Diese Woche hat das Landgericht München die Anklage gegen ihn, den früheren Audi-Chef zugelassen. Prozessbeginn 30. September. 176 Verhandlungstermine sind angesetzt. Der Prozess soll bis 2022 dauern. Sprich, VW bleibt - unabhängig der Kosten - noch lange im Negativ-Gerede.
Diess hat VW auf alle Fälle den strategischen Wandel zum E-Auto verpasst, den die gesamte deutsche Autoindustrie inklusive Zulieferer über Jahre gezielt verhindert haben. Tesla ist nun mit der Lithium-Ionen-Batterie vermutlich nicht mehr einzuholen. Die Konzentration muss auf die Feststoff-Batterien gesetzt werden. E-Auto ja, aber auch Wasserstoff-Brennstoffzelle, synthetische Kraftstoffe sind gleichermaßen essentielle Gestaltungsfaktoren. Neben den E-Autos wird sich aber ein Konzern wie Volkswagen mit 671.000 Beschäftigten noch längere Zeit um seine Brot- und Butterautos kümmern müssen, um alle in Brot und Spiele zu halten. Wolfsburg war als IG-Metallgetriebener Staatskonzern schon immer ein Unding zu steuern. Möglicherweise sollte man sich von einigen Marken verabschieden, um diesen Riesendampfer wieder fahrbar zu machen. Mit dem Wechsel des Vorstandsvorsitzenden allein lässt sich die Zukunft in dieser Dimension nicht gestalten. Das Land Niedersachsen sollte seine 20-Prozent-Beteiligung am Konzern veräußern. Ist es so staatstragend, dass ein Ministerpräsident und sein Wirtschaftsminister im Aufsichtsrat von Volkswagen sitzen müssen? Die Kompetenz ist das eine, aber sie haben doch in Hannover genügend zu tun. Politik gestalten. Der gigaglobalisierte Konzern: Unregierbar!
Mehrwertsteuersenkung ab Juli 2020
Vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020 wird der Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 Prozent und von sieben auf fünf Prozent gesenkt. Zuletzt haben wir die Umstellung zum 1. Juli 2007 geübt, als die MWSt von 16 auf 19 Prozent erhöht wurde. Drei Prozent! Ohne Frage, die Umstellung ist wieder formeller buchhalterischer Aufwand und wird später in Betriebsprüfungen wieder zu Sonderfällen führen. Neue Preisschilder, Preislisten, Werbung, Kasse etc. kommen hinzu. Was jetzt aber wichtig ist: Entscheidend für die Anwendung der jeweiligen Steuersätze ist stets das Liefer- bzw. Leistungsdatum. Viele Kunden oder Kaufinteressenten sind der Meinung, sie könnten erst nach dem 1. Juli einen Kaufvertrag zu neuen MWSt-Sätzen abschließen. Das trifft eben nicht zu und ist kommunikativ richtig zu stellen. Klarheit schaffen. Weitere Details siehe AUTOHAUS SteuerLuchs.
Mitunternehmer - LIQUI MOLY-Geschäftsführer Ernst Prost
Ernst Prost, eine unternehmerische Ausnahmeerscheinung, wendet sich seit Corona-Ausbruch mit Tagesbotschaften an die Branche. Details unter www.liquimoly.de. Aktuell stellt er dar, weshalb er nicht von Mitarbeitern, sondern von Mitunternehmern spricht. Und das Thema Mitarbeitermotivation ist gegenwärtig von ganz großer Bedeutung. Lesen sie, was Ernst Prost zu sagen hat:
"Das Wort Mitunternehmer wird von manchem Zeitgenossen in Anführungszeichen gesetzt und ich muss immer noch erklären, dass dies kein Etikettenschwindel ist, sondern die Beschreibung unserer Art als Team, als Mannschaft, zum Wohle des Unternehmens – und damit zum Wohle aller – zu arbeiten. Wir unternehmen etwas gemeinsam. Das ist schon mal geil. Einem Unternehmer braucht man auch nicht sagen, mit welchem Hammer er welchen Nagel in welches Brett zu klopfen hat. Das weiß er selbst. Kosten sparen, Umsätze erhöhen, Gewinne erwirtschaften – die Königsdisziplinen im Unternehmertum werden von Mitunternehmern tausendmal selbstständiger, zuverlässiger und engagierter erledigt als von reinen Befehlsempfängern. Wir sind gut zur Firma und die Firma ist gut zu uns. Eine simple Beschreibung gegenseitiger Fürsorge zum Vorteil aller in dieser Gemeinschaft.
Auch meine Liqui Moly/Meguin family worldwide wird gerne in Anführungszeichen gesetzt. Doch sagen Sie mir bitte, welche Form des Zusammenlebens mehr Stabilität, Fürsorge und Hilfsbereitschaft für die einzelnen Mitglieder mit sich bringt als die Familie? Klar gibt es auch in der Familie Krach, aber man hält zusammen und hilft sich und stützt einander. Auch dieser Teil unserer Firmen-Architektur geht auf unsere Unternehmensphilosophie der Menschlichkeit zurück. Da wird nicht reingeprügelt und auch keiner im Stich gelassen. Da ist niemand nur eine Nummer und auch kein Rationalisierungsopfer, um Gewinne zu steigern. Und genau deshalb; weil wir 1.000 Mitunternehmer sind und alle unsere Kunden, Geschäftsfreunde und Partner in der großen weltweiten Liqui Moly/ Meguin Familie vereinigt haben, erzielen wir Jahr für Jahr herausragende wirtschaftliche Erfolge.' Der monetäre Aspekt zählt nach wie vor, genauso wie die Wertschätzung, der Respekt, das gepflegte Miteinander und das zielgerichtete Arbeiten aller, die alle ein gemeinsames Ziel haben, nämlich, dass es dem Unternehmen gut geht, damit die Arbeitsplätze sicher sind und die Arbeit Spaß macht."
Neustaat - Politik und Staat müssen sich verändern.
So lautet der Titel des Buches der Bundestagsabgeordneten Thomas Hellman & Nadine Schön, das diese Woche erschien. Beide, im Verbund mit anderen CDU-Bundestagsabgeordneten machen 103 konkrete Vorschläge für eine Radikalkur von Politik und Verwaltung. Die Initiative wird auch von CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus und Gesundheitsminister Jens Spahn unterstützt. Es ist ein Masterplan für die Nach-Merkel-Ära.
Klare Aussage: Wenn es so weitergeht, droht dem Staat die Handlungsunfähigkeit. Ein nicht leistungsfähiger Staat verliert erst seine Kompetenz, dann das Vertrauen und dann seine Macht. Das Leitbild der Autoren ist der lernende Staat. Oder: Ohne KI (Künstliche Intelligenz) gehen wir K.O. Oder: Digitale Leitkultur als wichtigste Aufgabe der Wirtschaftspolitik. Weiter: Wie funktioniert Blockchain? Zum Klima: Die grüne Null - Der richtige Rahmen für die Klimaziele. In der Verwaltung ist einiges faul - aber nicht die Beamten. Neue Gesetze: Sie erzählen von dem berühmten Storch aus Ochsenwerder, dem das Bezirksamt die Nutzung eines Storchennests untersagte, weil kein Bauantrag vorlag. Ob es am Ende gar keine Ministerien mehr geben wird? In 15 Jahren könnten alle Angestellten der Bundesverwaltung einen Pool an Arbeitskräften bilden, die dann je nach Bedarf flexibel eingesetzt werden. Ein Drittel der gut 4,7 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst geht in den kommenden Jahren in Rente. Welche Chance! Ja, die gesamten Ausführungen der jungen Abgeordneten sind ein Plädoyer für einen staatlichen Mutanfall.
Wer politische Lösungswege sucht, der findet sie hier. Warum? Das sind junge Abgeordnete, die vor Ort das politische Berlin im Alltag erleben und wissen, was wie läuft und eben beherzt aus ihrer Sicht in eineinhalb Jahren ganz konkret zusammengetragen haben, was zu ändern ist. Ein optimistisches Buch, das in diesen schwierige Corona-Zeiten neue Wege für die Zukunft aufzeigt. Klasse gemacht!
Spruch der Woche:
Zum Schmunzeln! Unser Angebot: Heute Frauenwaschtag! - Gesehen in Wiesentheid.
Mit meinen besten Grüßen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
www.brachat.de
Der nächste HB ohne Filter erscheint am 19. Juni 2020!