Liqui Moly: "Wir legen immer eine Schippe drauf"

AH: Herr Hiermaier, im Februar 2022 wird sich Ernst Prost nach 31 Jahren aus dem Unternehmen zurückziehen. Angekündigt ist ein "geschmeidiger und zukunftsorientierter Übergang". Werden Sie neue Akzente setzen? G. Hiermaier: Geschmeidig und auf die Zukunft gerichtet beschreibt den Übergangsprozess treffend. Definitiv werde ich nicht alles auf links drehen, nur um eine Duftmarke zu setzen. Das hat man schon zur Genüge aus anderen Unternehmen vernommen. Selten hat es die jeweilige Firma entscheidend nach vorne gebracht. Vielmehr sorgt es für Unruhe. Ernst Prost und ich gehen seit beinahe vier Jahrzehnten beruflich einen gemeinsamen Weg. 1990 haben wir zusammen bei Liqui Moly angefangen und seither die Entwicklung der Firma geprägt. Wir verstehen einander blind. Oder, als Analogie zum Fußball, wir kennen unsere Laufwege in- und auswendig. Wir sind das sprichwörtlich eingespielte Team. Wir kennen die Faktoren, um in unserer Branche erfolgreich zu sein. Ernst Prost mag sich zwar in den Ruhestand verabschieden, aber die Philosophie und der Geist dieser Firma bleiben bestehen. Da ich Liqui Moly genauso lange kenne bzw. dort wirke wie Ernst Prost, bin ich mit allen Projekten, Prozessen und vor allem mit den Menschen vertraut. Und die Menschen im Unternehmen und in der Branche kennen mich. Das hat den immensen Vorteil, dass ich mich nicht erst durch Neues werde bemerkbar machen müssen. Das gewährleistet einen ruckelfreien Übergang. Bei neuen Vorgesetzten respektive einem neuen Geschäftsführer stellen sich die Mitarbeiter häufig folgende Fragen: Wie lange wird der "Neue" wohl bleiben? Ist er zugänglich? Hört er zu? Ist sein Verhalten konsistent? Gibt er ein klares Bild von seinen Ansprüchen und Anforderungen? Das sollten eigentlich meine Kolleginnen und Kollegen beantworten. Aber ich bin mir sicher, dass ich in deren Sinne spreche, wenn ich alles mit "ja" beantworte. Außerdem bin ich schon so lange im Unternehmen. Wie sagt man doch so schön: "Einen alten Baum verpflanzt man nicht." Also werde ich Liqui Moly gewiss die Treue halten. AH: Was ist der USP von Liqui Moly? Werden Sie weiterhin auf ungewöhnliche Marketingideen setzen? G. Hiermaier: Unsere enorme Bandbreite an Produkten und Services sucht in der Branche ihresgleichen. Wir sind Vollsortimenter. In der Regel wird man bei Liqui Moly fündig. Und dann hat man einen Ansprechpartner für alles, bekommt also alles aus einer Hand. Für den Kunden spart das viel Zeit, weil er sich nur um einen und nicht um viele Lieferanten kümmern muss. Außerdem ist es günstiger, viel Ware von einem Anbieter zu beziehen als weniger Ware von vielen unterschiedlichen Firmen. Sponsoring macht einen großen Teil unseres Maßnahmenpaketes im Marketing aus. Unsere wichtigsten, weil reichweitenstärksten Sponsorings sind langfristiger Natur. Sie laufen auch nach dem Abschied von Ernst Prost weiter. Wir sind eine besondere Marke und werden es auch bleiben. Corona-Krise AH: Corona hat der Branche zuletzt heftig zugesetzt. Wie ist Liqui Moly bislang durch die Pandemie gekommen? G. Hiermaier: Sehr gut. In jeder Krise haben wir uns aufgebäumt und uns nicht von der Wucht der Ereignisse wegreißen lassen. Vielmehr legen wir immer eine Schippe drauf. Das ist Teil unserer Firmen-DNA. Der Erfolg unserer Strategie spiegelt sich im Umsatz wider. Selbst im von vielen Unwägbarkeiten geprägten Jahr 2020 haben wir den Jahresumsatz gesteigert und dieses Jahr verzeichnen wir seit Februar jeden Monat einen neuen Rekordumsatz. AH: Die Umsatzentwicklung war zuletzt sehr positiv, beim Ertrag gibt es eine Corona-Delle. Wo liegen die Herausforderungen? G. Hiermaier: Diese Delle ist die logische Folge unserer Strategie. Wir haben in der Krise nicht den Rotstift angesetzt, sondern ganz im Gegenteil unsere Investitionen erhöht. So haben wir letztes Jahr unser Marketingbudget verdoppelt. Wir nutzten die Gelegenheit, als sich viele Wettbewerber ängstlich zurückgezogen haben. Das half uns sehr, die Markenbekanntheit zu erhöhen und neue Marktanteile zu gewinnen. Natürlich kostet das Geld und geht zulasten des aktuellen Ertrags, aber das ist eine kluge Investition, die sich langfristig auszahlen wird. Und wir dürfen nicht vergessen, dass wir trotz aller Zusatzausgaben nach wie vor schwarze Zahlen schreiben. AH: Die Pandemie habe das Liefersystem aus dem Tritt gebracht, hieß es neulich aus Ihrem Unternehmen. Was bedeutet das für Lieferfähigkeit und Preise? G. Hiermaier: Generell beobachten wir zwei Tendenzen. Erstens die Verknappung von Rohstoffen. Zweitens die auch daraus resultierenden Preisanstiege. Wie in anderen Branchen auch, stellt sich uns bei der Beschaffung nicht in erster Linie die Frage des Preises, sondern der Verfügbarkeit. Nehmen wir unsere wichtigsten Rohstoffe, die Grundöle. Sie werden in einer Raffinerie durch die Destillation von Rohöl gewonnen. In diesem Destillationsprozess wird auch Kerosin gewonnen sowie weitere Erdölprodukte. Als der weltweite Bedarf an Kerosin und anderen Kraftstoffen durch Corona drastisch rückläufig war, wurde weniger produziert. Das wirkte sich auch auf die hergestellte Menge von Grundölen aus. Aufgrund langfristiger Partnerschaften und eines sehr guten Einkaufs schlagen wir uns wacker. Aber das hat seinen Preis. Ist die Ware endlich produziert, muss sie zum Kunden gelangen. Das ist die nächste Hürde, denn Container beispielsweise für Überseetransporte sind auch rar und ebenfalls massiv teurer geworden. Diese Mehrkosten können wir nicht eins zu eins an unsere Kunden weitergeben. Letztendlich wird das auch beim Blick auf den Ertrag sichtbar. Langfristig, da bin ich zuversichtlich, werden wir auch wieder den Ertrag auf das Niveau bringen, das wir uns zum Ziel gesetzt haben. AH: Ernst Prost sprach von einer "antizyklischen Investitionsstrategie" in der Corona-Krise. Was ist damit gemeint? G. Hiermaier: Mit Beginn jeder Krise im Allgemeinen und mit der Pandemie im Besonderen geht Verunsicherung einher. Viele Branchen und Unternehmen treten dann auf die Kostenbremse und sparen in der Regel zuerst dort, wo es der Firma nicht wehtut: bei den Ausgaben für externe Dienstleister. Da gehört die Branche der Werbetreibenden dazu. Während viele Unternehmen ihre Ausgaben für Werbung und Sponsoring eingefroren hatten, haben wir bestehende Verträge erfüllt. Wir sind sogar in die Offensive gegangen und haben unsere Ausgaben erhöht. Wenn sich alle von der Bühne zurückziehen und am Ende nur noch einer darauf steht, fällt das gesamte Licht auf ihn. Genau das ist der Fall gewesen. Wir wurden und werden wahrgenommen. Außerdem war Kurzarbeit bei uns kein Thema, sondern Mehrarbeit. Auch in der Krise war Liqui Moly immer erreichbar. Und, das ist das I-Tüpfelchen, mit einer Corona-Prämie an die Mitunternehmer zu Beginn der Pandemie haben wir den Mitunternehmern ganz klar signalisiert: Es geht weiter. Jeder muss eine Schippe drauflegen. Dann werden wir auch diese Krise meistern. Schmierstoffe und Pflegeprodukte AH: Gibt es bei Schmierstoffen noch Spielraum für neue Produkte? G. Hiermaier: Man mag es kaum für möglich halten, aber dieser Spielraum ist noch da. Im Schmierstoffbereich steigt die Zahl der angebotenen Produkte seit Jahren. Allein auf dem deutschen Markt werden ungefähr 250 Ölsorten angeboten. Nahezu zu jedem neu entwickelten Motor wird ein eigenes Motoröl entwickelt. Das hat einerseits mit den unterschiedlichen Philosophien der Fahrzeughersteller zu tun. Andererseits müssen diese den permanent wachsenden Ansprüchen der Politik in punkto Umweltschutz Rechnung tragen. Dabei hat sich das Motoröl zu einem Konstruktionsbauteil entwickelt, das in der entsprechenden Modifikation einen Beitrag zur Reduktion von CO2-Emissionen leisten kann. Hier geht der Trend eindeutig zu dünnflüssigen Ölen. Denn je dünner ein Motoröl ist, desto geringer ist die Energie, die der Motor aufwenden muss, damit der Schmierstoff an alle wichtigen Stellen gelangt. AH: Neben den Schmiermitteln sind Sie auch im Bereich Fahrzeugpflege aktiv? G. Hiermaier: Exakt. Es ist ein Bereich, der schon lange Teil unseres Produktportfolios ist. Diesem widmen wir uns inzwischen noch stärker. Wir wollen seine Bedeutung stärken. AH: Gibt es bei Pflege- und Reinigungsprodukten noch Potenzial im Markt? G. Hiermaier: Auf jeden Fall. Die Welt ist unser Markt. Entsprechend groß ist das Potenzial für Produkte zur Reinigung und Pflege von Fahrzeugen. Zumal es einer Politur egal sein wird, ob sie auf einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor oder auf einem E-Auto aufgetragen wird. Außerdem sind die Märkte offen für neue Produkte wie unseren Detailer zur Lackschnellpflege. Dieses Spezialmittel trifft auf riesigen Zuspruch. In heiß umkämpften Märkten wie beispielsweise dem deutschen, entsteht Wachstum nur durch Verdrängung. Aber auch diese Spielart beherrschen wir, weil wir mit einer für die Branche überraschend großen Außendienstmannschaft direkt beim Kunden sind und nicht vom Schreibtisch aus verkaufen. Persönliche Betreuung ist das A und O. AH: Wie unterstützen Sie Autohäuser und Werkstätten beim Verkauf von Pflegeprodukten? G. Hiermaier: Das fängt mit der eben genannten persönlichen Betreuung an. Gemeinsam mit dem Autohaus und der Werkstatt werden die passenden Produkte identifiziert. Dieses spezielle Sortiment helfen wir zu vermarkten. Das reicht von Displays über Aufsteller bis hin zur Unterstützung beim Onlineauftritt bzw. der digitalen Vermarktung. Wenn der Kunde unser Produkt hat, endet die Beziehung nicht; die Partnerschaft nimmt dann erst richtig Fahrt auf. AH: Vielen Dank für das Gespräch!

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