Ausgabe 14-15/2014: Onlinevermarktung

Der Servicemarkt im Allgemeinen und der Kfz-Ersatzteil- und -Zubehörmarkt im Speziellen zeichnen sich über alle Marktstufen hinweg durch einen harten Wettbewerb der verschiedenen Anbietergruppen aus. Neue Geschäftsmodelle von freien Anbietern setzen die etablierten Vertreter unter Druck und buhlen um die Gunst der Kunden. In Deutschland und Europa sorgen insbesondere das Internet und damit verbundene Online-Kanäle für eine Vielzahl von neuen Angeboten und Serviceinnovationen für das automobile Aftersales-Geschäft. Dazu zählen die vereinfachte Zugänglichkeit zu Informationen und Produkten, die zunehmende Personalisierung von Services, neue Preismodelle, ein verbessertes integriertes Kundenerlebnis und nicht zuletzt der Online-Vertrieb. E-Commerce mit Potenzial Während sich der Online-Vertrieb von Automobilen als Vertriebsformat noch nicht durchgesetzt hat, hat der Online-Vertrieb im Aftersales schon längst Einzug gehalten. Autoteile und Autozubehör werden inzwischen gerne online gekauft - die Kunden in Europa gelten hier als überaus affin. Nicht umsonst können sich laut einer GfK-Studie von 2012 mehr als die Hälfte der europäischen Kunden vorstellen, Zubehör oder Ersatzteile online zu kaufen. Eine von NTT Data Ende 2013 durchgeführte, umfangreiche Wettbewerbsanalyse von deutschen Premium-OEMs auf dem europäischen Markt hinsichtlich ihrer E-Commerce-Aktivitäten im Zubehörund Ersatzteilbereich ist zu eindeutigen Erkenntnissen gekommen: Sämtliche Hersteller haben noch Luft nach oben, was ihre E-Commerce-Aktivitäten angeht, und überlassen das Feld bisher noch weitgehend Dritten. Dabei ist das Bewusstsein bei Herstellern, Importeuren und Händlern längst geschärft. Das bestätigt eine flächendeckende Befragung sämtlicher europäischer Importeure eines deutschen Oberklasse-Herstellers. Ein Abriss der Ergebnisse Einige ausgewählte Ergebnisse der Wettbewerbsanalyse und der Befragung: - Viele Premium-OEMs sind bereits mit einem Online-Katalog (ohne Bezahl- und Bestellfunktion) präsent. - Die meisten Importeure prognostizieren einen starken positiven Effekt einer E-Commerce-Lösung auf ihr Aftersales-Geschäft (Umsatz/Gewinn, Kundenloyalisierung, Werkstattauslastung). - Längst haben vereinzelt große Importeure in ihren Märkten Online-Shops auf eigene Faust eingerichtet und betreiben diese erfolgreich. - Sogar einige große Automobilhändler sind bereits mit einem eigenen Online-Shop vertreten. - Einige Importeure gehen auch innovative Wege, indem sie beispielsweise lokale Kooperationen mit etablierten E-Commerce-Größen wie Ebay eingehen. - Ein Online-Vertriebskanal ist nicht nur für die großen europäischen Märkte (z.B. Deutschland) sinnvoll, sondern auch für die meisten der kleineren Märkte wirtschaftlich überaus rentabel. - Die beiden Faktoren Betreibermodell und Händler sind die mit Abstand größten Herausforderungen für eine mögliche Implementierung. Interessant ist, dass keiner der deutschen Premium-OEMs bisher auch nur ansatzweise eine flächendeckende und einheitliche E-Commerce-Lösung für Zubehör oder Ersatzteile in Europa etabliert hat. Die Gründe dafür sind, so die These, weniger am mangelnden Potenzial, sondern an den komplexen Herausforderungen einer Implementierung festzumachen. Automobilhersteller stehen vor einigen Herausforderungen, die eine schnelle und effektive Einführung des Online-Vertriebs maßgeblich beeinflussen. NTT Data empfiehlt deshalb Premium Automobilherstellern eine wirtschaftliche, fachliche und marktspezifische Evaluierung vor einer Entscheidung und einem letztendlichen Roll-out vorzunehmen. Nur so kann eine geeignete E-Commerce-Lösung gefunden werden, die neben den aktuellen Trends und geforderten Funktionalitäten auch ein passendes Betreibermodell berücksichtigt und somit Implementierungshürden frühestmöglich entgegenwirkt. Handelspartner berücksichtigen Bei der Implementierung kommt es deshalb vor allem darauf an, ein geeignetes Kosten- und Betreibermodell (Wer verkauft an wen?) zu wählen, ein passendes Online-Preismodell zu finden, den Faktor Händler im dreistufigen Vertrieb zu berücksichtigen, und nicht zuletzt darum, eine stabile Logistiklösung aufzubauen. Fällt die Entscheidung auf ein Direktvertriebsmodell, das einen Verkauf vorbei an den Händlern bedeuten würde, ergeben sich zusätzliche Herausforderungen. Die nationalen europäischen Händlerverbände sind bekanntlich sehr einflussreich und haben verständlicherweise nicht unbedingt Interesse daran, die Hoheit über den Kunden und den entgangenen Umsatz ohne weiteres zu akzeptieren. Teilweise fungieren auch bestehende Vertragswerke zwischen Hersteller/Importeur und Händler als zusätzliche Hürde. Es ist daher absolut erfolgskritisch, die richtigen Anreize für Händler zu setzen, die ihnen nicht nur die Vorteile einer E-Commerce-Lösung schmackhaft machen, sondern sie auch entsprechend mit einbeziehen. Von einem Online-Vertrieb können nämlich alle profitieren: Hersteller, Importeure und Händler. Hierbei kann es keine Standardlösung aus der Schublade geben. Die Vermutung liegt aber nahe, dass ein Einverständnis der Händler auch maßgeblich davon abhängt, in welchem Maße sie eingebunden werden und wer letztlich von den erwarteten Umsatzsteigerungen des Online-Vertriebs profitiert. Darüber hinaus spielt auch die sensible Handhabung und Hoheit von Kundendaten, seit jeher Gegenstand der Diskussion im dreistufigen automobilen Vertrieb, eine Rolle. Aus prozessualer Sicht ist insbesondere eine sinnvolle Integration des neuen Vertriebskanals in bestehende und bewährte Abläufe spannend. In der Regel sind beispielsweise die Logistikprozesse eines Automobilherstellers noch nicht auf eine Endkundenbelieferung frei Haus ausgelegt. Um den Kundenanforderungen an eine "State-of-the-art"-E-Commerce-Lösung gerecht zu werden, kann also durchaus eine organisatorische Transformation notwendig sein. An dieser Stelle empfiehlt es sich für Automobilhersteller, punktuell von den Marktführern im E-Commerce zu lernen, anstatt das Rad neu zu erfinden. Die nächsten drei bis fünf Jahre werden zeigen, welcher Hersteller es schafft, den Online-Vertriebskanal am besten zu erschließen und in der Fläche davon zu profitieren. Das Potenzial und der Handlungsbedarf stehen zumindest bereits außer Frage. Sebastian Tschödrich ist Senior Berater bei NTT Data. Über den Autor Sebastian Tschödrich ist Senior Berater in der deutschen Automotive Practice von NTT Data, einem Anbieter von Business- und IT-Consulting. Er berät vornehmlich Automobilhersteller zu strategischen und prozessualen Implementierungsfragestellungen rund um das Customer Management. Seine fachlichen Schwerpunkte sind dabei (Online-)Vertriebsoptimierung, CRM, Change Management sowie Rollouts von Konzepten und Programmen.

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