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Versicherungstag: „Wir leiden in Deutschland unter einem Bürokratie-Burnout“

14.10.2024 06:16 Uhr | Lesezeit: 6 min
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Die Erfüllung aller Berichtsanforderungen nehme zu viele Ressourcen in Anspruch, kritisierte GDV-Präsident Norbert Rollinger.
© Foto: GDV

Auf dem Versicherungstag beklagt GDV-Präsident Norbert Rollinger ein Übermaß an Bürokratie. Bundesjustizminister Marco Buschmann pflichtet ihm bei und verspricht Entlastungen. Nur: Allein auf nationaler Ebene lässt sich das Problem nicht lösen.

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Die Versicherer beklagen ein Übermaß an Bürokratie und fordern eine Harmonisierung von sich überlappenden Vorgaben. "Es gibt zahlreiche Beispiele für Über- oder Doppelregulierung, wenn ein und derselbe Regelungsinhalt europäisch und national durch unterschiedliche Vorschriften geregelt wird. Die zahlreichen Berichtspflichten fressen immer mehr Ressourcen", sagte Norbert Rollinger, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), auf dem Versicherungstag Ende September in Berlin. Für kleine und mittlere Unternehmen seien die Vorgaben schon jetzt nicht mehr zu bewältigen.

Für eine Entlastung sprach sich auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bei seinem Auftritt auf dem Versicherungstag aus: "Wir leiden in Deutschland unter einem Bürokratie-Burnout", sagte er. Die Bundesregierung habe sich zum Ziel gesetzt, die Regeln zu entschlacken. Buschmann verwies auf das Meseberger Bürokratieabbauprogramm, mit dem die Bundesregierung ein umfangreiches Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht habe. Damit würden die Unternehmen mit rund 3,5 Mrd. Euro entlastet. 

"Schlimmste Quelle von Bürokratie"

Buschmann schränkte jedoch ein, dass der Bürokratieabbau allein auf nationaler Ebene nicht gelingen könne. "60 Prozent des Erfüllungsaufwands haben ihren Ursprung in europäischen Gesetzen", betonte er. Die Europäische Union (EU) sei die "schlimmste Quelle von Bürokratie". Jedem eingesparten Euro durch den Wegfall von Vorschriften standen 2022 auf EU-Ebene vier Euro zusätzliche Kosten durch neue Gesetze gegenüber. 

Als prominentes Beispiel für überbordende EU-Regeln nannte GDV-Präsident Rollinger die CSRD-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in Unternehmen. Der Grundgedanke dahinter sei richtig, viele Berichtsanforderungen lieferten jedoch keinen Mehrwert. "Lasst uns bei der CSRD auf die Daten konzentrieren, die für Unternehmen Steuerungsimpulse setzen, etwa bei der Kapitalanlage oder im Risikomanagement", forderte Rollinger. 

Über ein "CSRD-Reparaturgesetz" sprechen

Buschmann äußerte Verständnis, auch wenn der nationale Gesetzgeber bei der CSRD-Richtlinie in der Pflicht stehe, die Vorgaben umzusetzen. Deutschland werde sich jedoch gemeinsam mit Frankreich dafür einsetzen, dass die kommende EU-Legislatur eine Phase des Bürokratieabbaus sein werde, kündigte der Bundesjustizminister an. Dabei müsse man auch über ein "CSRD-Reparaturgesetz" sprechen, wie Buschmann es nannte: "Wenn sich die EU ranmacht, ein paar der Berichtspflichten zurückzunehmen, unterstützen wir das Projekt."

"Als größter institutioneller Investor sind wir ein langfristiger Finanzierer für die öffentliche Hand und für die Privatwirtschaft", hob GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen hervor. Die Versicherungsunternehmen in Deutschland investierten jedes Jahr 300 Mrd. Euro neu – und seien damit ein zentraler Akteur in der Finanzierung der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Insgesamt verfügt die deutsche Versicherungswirtschaft über Kapitalanlagen in Höhe von 1,9 Billionen Euro. "Wir sind stark und stabil. Und damit in einer Welt voller Herausforderungen auch ein idealer Partner", ergänzte Rollinger.

Geoökonomische Zeitenwende fordert Deutschland heraus

Wie sich die geoökonomische Zeitenwende darstellt, skizzierte Moritz Schularick, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Dazu zähle beispielsweise die Zunahme protektionistischer Tendenzen im Welthandel, eine teils kritische Rohstoffabhängigkeit sowie die Notwendigkeit, angesichts der Zunahme geopolitischer Konflikte die eigene Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Deutschland müsse sich resilienter aufstellen, dieses "De-Risking" werde aber auch einiges kosten. "Die Geoökonomik der Zeitenwende wird uns einiges abverlangen", betonte Schularick. Deutschland und Europa müssten sich auch die Frage stellen, ob sie strukturell für die Herausforderungen gerüstet sind.

"Die Strukturen sind teilweise sehr verkrustet", räumte ebenfalls CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ein. Dies gelte beispielsweise auch für die kapitalgedeckte Zusatzvorsorge, die reformiert werden müsse. Als Beispiele nannte Linnemann eine bessere Portabilität in der betrieblichen Altersversorgung sowie eine Lockerung der 100-prozentigen Beitragsgarantie bei Riester. "Bei dem Garantieniveau sind wir zu restriktiv gewesen", sagte Linnemann.

"Verrentungsprinzip erhalten!"

Die Versicherer plädieren ebenfalls für eine Reform der geförderten privaten Altersvorsorge. Den Gesetzentwurf hat das federführende Bundesfinanzministerium noch für diesen Herbst angekündigt. GDV-Präsident Rollinger kritisierte, dass der Fokus in der Reformdebatte zu sehr auf dem Vermögensaufbau liege und die lebenslange Absicherung nur noch eine Option unter mehreren sein soll. Die Menschen bräuchten die Sicherheit, dass ihre Ersparnisse ein Leben lang reichen, wie sie eine Rentenversicherung biete. Ein reiner Auszahlplan sei für die breite Bevölkerung ungeeignet: "Eine Altersvorsorge, die mit einem bestimmten Geburtstag aufgebraucht ist, ist eher ein Konsumförderprogramm für ältere Menschen als eine Absicherung des Alters", so Rollinger. 

 

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