Damit werde seit Einführung einer gesamtdeutschen Unfallstatistik erst zum zweiten Mal die Zahl der Todesopfer in 2014 voraussichtlich sogar wieder ansteigen. Das EU-weite Ziel einer Reduzierung der Verkehrstotenzahlen um die Hälfte zwischen 2010 und 2020, welches der VDI in seiner 2011 veröffentlichten "Berliner Erklärung zur Fahrzeugsicherheit" ausdrücklich unterstützt, erweist sich nun zumindest in Deutschland anspruchsvoller als zunächst gedacht. Der lang anhaltende Trend zu weniger Todesopfern seit 1991 war bisher in hohem Maße auf den verbesserten Insassenschutz in Pkw zurückzuführen. Pkw-Insassen stellen heute nur noch etwa die Hälfte der Verkehrstoten.
Ohne Fokus auf Fußgänger und Zweiradfahrer keine weiteren Fortschritte
Entsprechend geraten ungeschützte Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Zweiradfahrer zunehmend in den Fokus. Sie verunglücken zwar zumeist in Unfällen mit Pkw oder Nutzfahrzeugen, sind aber durch Aufprallmaßnahmen an Fahrzeugen nur schwer zu schützen. Langfristig werden laut den VDI-Experten zwar Fahrerassistenzsysteme helfen, Unfälle mit ungeschützten Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern und Radfahrern zu vermeiden und komplexe Verkehrssituationen wie Kreuzungen zu entschärfen, deren Anteil am Unfallgeschehen steigt.
Zeit der spektakulären Entwicklungen vorbei
Allerdings dauere die Marktdurchdringung solch neuer Systeme mehrere Jahrzehnte – darüber waren sich die VDI-Mitglieder auf ihrem Workshop in Karlsruhe einig. Spektakuläre Fortschritte, wie früher bei der Einführung der Anschnallpflicht in Deutschland, werde es durch neue Fahrzeugtechnologien daher nicht kurzfristig geben.
Mobile Internetnutzung und Alter als neue Gefahren
Der Expertenkreis des VDI – Fachleute aus Unfallforschung, Industrie und Hochschule – empfiehlt daher, eine Vielzahl von Ansätzen parallel zu verfolgen. So sollten bei der Umgestaltung von Infrastruktur besonders innerorts grundsätzlich Unfallforscher zurate gezogen werden, um die Entstehung künftiger Gefahrenherde zu vermeiden. Erziehung und Aufklärung von Verkehrsteilnehmern sollte verstärkt werden, um neue Gefahren – wie etwa durch demographischen Wandel und mobile Internetnutzung – zu adressieren.
Pedelecs könnten künftig zu mehr Verkehrstoten führen
Besonderes Augenmerk verdient der Trend zu den sogenannten Pedelecs (oder E-Bikes), mit denen auch Untrainierte deutlich höhere Geschwindigkeiten erreichen als normale Radfahrer, und deren Fahrer schwerer verunglücken, aber sich nicht besser schützen als Radfahrer. Die zunehmende Beliebtheit dieser Fahrzeuge lasse einen künftigen Anstieg an tödlichen Unfällen befürchten.
"Nutzfahrzeug-FAS gesetzlich vorschreiben!"
Auch bei den Nutzfahrzeugen sind laut dem VDI noch ungenutzte Potenziale zum Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer zu heben, etwa bei der Überwachung des toten Winkels. Immerhin jeder vierte Verkehrstote stirbt bei einem Unfall, an dem ein Nutzfahrzeug beteiligt ist. Fahrerassistenzsysteme im Nutzfahrzeug könnten durch entsprechende gesetzliche Vorgaben wegen der überwiegend kürzeren Haltedauer relativ rasch auf die Straße gebracht werden, müssten allerdings auf die Bedürfnisse der Berufskraftfahrer ausgelegt sein, forderten die VDI-Experten.
VDI – größte Ingenieurvereinigung in Deutschland
Ingenieure brauchen eine starke Vereinigung, die sie bei ihrer Arbeit unterstützt, fördert und vertritt. Diese Aufgabe übernimmt der VDI Verein Deutscher Ingenieure. Seit über 150 Jahren steht er Ingenieurinnen und Ingenieuren zuverlässig zur Seite. Mehr als 12.000 ehrenamtliche Experten bearbeiten jedes Jahr neueste Erkenntnisse zur Förderung unseres Technikstandorts. Das überzeugt: Mit 152.000 Mitgliedern ist der VDI die größte Ingenieurvereinigung Deutschlands. (wkp)
Trotz Assistenzsystemen: Trend zu weniger Verkehrstoten stockt

"In Deutschland werden 2014 voraussichtlich erstmals seit 2011 wieder mehr Menschen im Straßenverkehr ums Leben kommen als im Vorjahr." Dies stellte am gestrigen Mittwoch Prof. Rodolfo Schöneburg, Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik, auf einem Workshop mit Experten des VDI in Karlsruhe fest.
Rainer Nimtz