Die russische Armee hat am vergangenen Donnerstag, den 24. Februar 2022, ab 4:00 Uhr morgens das Nachbarland Ukraine angegriffen. Die Invasion bedeutet Krieg mitten in Europa, Leid für die Bevölkerung und zieht zahlreiche Sanktionen des Westens nach sich. Für die Versicherungsbranche gilt laut eigenem Bekunden: We #standwithUkraine.
"Wir verurteilen diesen Angriffskrieg und unsere Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine", sagt der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen. Der Krieg in der Ukraine habe für die deutschen Versicherer allerdings nur geringe direkte wirtschaftliche Auswirkungen, da sie kaum in der Ukraine und in Russland engagiert seien. Asmussen wörtlich: "Die Auswirkungen von Kriegen auf die internationalen Kapitalmärkte sind kurzfristig oft stark, aber selten langfristiger Natur."
Abzuwarten blieben die Folgen durch die absehbaren Wirtschafts- und insbesondere Finanzsektorsanktionen, so Asmussen. Die erhöhte geopolitische Unsicherheit sowie höhere Energie- und Nahrungsmittelpreise dürften seiner Ansicht nach die Gesamtwirtschaft und damit indirekt auch die deutschen Versicherer belasten.
Wie sind deutsche Versicherer betroffen?
Die meisten Versicherungssparten sind laut GDV überwiegend national ausgerichtet, so dass auch Sanktionen dort kaum eine Rolle spielen. Betroffen seien dagegen regelmäßig Transport- und Luftfahrtversicherung sowie Industrieversicherung und die Rückversicherung. In diesen Bereichen wären zusätzliche Russland-Sanktionen wohl durchaus spürbar.
Die Kriegsdeckungen in der Warentransportversicherung gelten etwa nur für den Fall, dass Ladung auf Schiffen oder in Flugzeugen beschädigt wird, wenn die Seereise oder der Flug vor Ausbruch des Krieges begann. Krieg an Land ist üblicherweise nicht gedeckt.
Die Seeschiffsversicherung hat eine sehr umfassende Kriegsdeckung. Diese gilt zwar nicht, wenn Krieg zwischen bestimmten Staaten unter anderem den USA, Deutschland und der Russische Föderation, geführt wird. "Dieser Fall scheint sich vorliegend jedoch nicht abzuzeichnen", sagte Jörg Asmussen am Freitag in Berlin. "Insoweit haben die Seeschiffsversicherer die Möglichkeit der Kündigung der Kriegsdeckung für bestimmte Seegebiete im Schwarzen Meer in den letzten Wochen genutzt und verlangen gegebenenfalls Kriegszulagen. Bei sich anschließenden Sanktionen wäre der Umfang der Betroffenheit der Transportversicherung abhängig von den jeweiligen Maßnahmen und deren Auswirkungen auf den internationalen Warenverkehr."
Wie wirkt die Ukraine-Krise auf die Luftfahrtversicherer?
Laut Asmussen "sind keine spürbaren Auswirkungen der Krise auf die Umsätze in der Luftfahrtversicherung bekannt, weder im Verhältnis zur Ukraine noch zu Russland". Kriegsdeckung könne in der Luftfahrtversicherung kurzfristig gekündigt werden. Zumeist erlösche dann der Versicherungsschutz im Ergebnis nicht, sondern werde gegen Mehrprämie aufrecht gehalten. Soweit Kriegsdeckungen von Versicherern im Zuge der aktuellen Ukraine-Krise gekündigt wurden, "dürfte dies nur bestimmte Airlines und Regionen betreffen". Für andere Airlines bzw. Regionen bleibe die Kriegsdeckung unverändert bestehen.
Dürfen Airlines auch ohne Versicherungsschutz fliegen?
EU-weit vorgeschrieben ist eine Luftfahrt-Haftpflichtversicherung sowohl für Ansprüche gegen den Halter als auch gegen den Luftfrachtführer, was in der Regel zusammenfällt. International sind ähnliche Regelungen in die nationalen Gesetzgebungen aufgenommen. Eine Versicherungspflicht für Kaskoversicherung bestehe indes nicht. Die Flugzeuge stünden allerdings häufig nicht im Eigentum der Airline, sondern die Airline least die Flugzeuge. In diesem Fall verlangen die Leasinggeber üblicherweise den Abschluss einer Kaskodeckung.
Hat die Krise Auswirkungen auf die Transportversicherung?
Laut GDV sind keine spürbaren Auswirkungen der Krise auf die Umsätze in der Transportversicherung bekannt, weder im Verhältnis zur Ukraine noch zu Russland.
Ist Cyber-Krieg mitversichert?
Bei offiziellen Kriegshandlungen greife der in der Regel in den Cyberpolicen vereinbarte Kriegsausschluss. Der Nachweis, ob staatliche Cyberkriegsführung einen Angriff verursacht hat, müsste vom Versicherer geführt werden. "Ohne ein offizielles Bekenntnis oder eine Erklärung des angreifenden Staates dürfte dieser Nachweis schwer zu führen sein", heißt es zu dieser Thematik vom Gesamtverband der deutschen Versicherer in Berlin.
Welche Rolle kommt Kreditversicherern in der Krise zu?
Private Kreditversicherer stellen auch Deckungen für die Länder Russland und Ukraine zur Verfügung. Daneben gebe es auch staatliche Deckungen, so genannte Hermes-Deckungen. Demzufolge beobachten die Kreditversicherer die Entwicklung sehr genau und berücksichtigen diese in ihren individuellen Zeichnungspolitiken. Auch in der Kreditversicherung sei die Vereinbarung von Kriegsausschlüssen üblich. Über die Deckung rein wirtschaftlicher Risiken, vor allem die Insolvenz des Abnehmers hinaus, bieten einzelne Kreditversicherer auch Deckung für politische Risken an. Versichert sind dann insbesondere Szenarien, in denen der Lieferant aufgrund von politischen Maßnahmen kein Geld erhält, zum Beispiel in Fällen von Zahlungsverboten und Handelsbeschränkungen.
Haben deutsche Versicherer Tochterunternehmen in Russland?
"Der russische Markt ist stark abgeschottet und frühere Staatsunternehmen sind weiterhin stark vertreten", so der GDV. Das habe sich gerade aufgrund der Sanktionen noch verstärkt. Die russische Zentralbank habe 2016 als Reaktion auf die Sanktionen einen staatlichen Rückversicherer gegründet, "der alles versichert, was von Sanktionen betroffen sein könnte". Eine Tätigkeit in Russland war für internationale Versicherungsunternehmen bis vor kurzem nur in Form einer vollkapitalisierten Tochtergesellschaft oder über Fronting möglich. Diese Regel sei erst im Sommer 2021 aufgehoben worden. Trotzdem gebe es Aktivitäten deutscher Versicherer in Russland. (wkp)