Voraussetzung für eine strafbare Handlung ist, dass der Schädiger den Unfall tatsächlich selbst bemerkt hat. Wird der Verursacher an einem anderen Ort auf den Unfall angesprochen und entfernt sich von diesem, liegt keine Fahrerflucht vor. Der andere Ort ist dann nicht der Unfallort. Auf eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts Lübeck (AZ: 4 Qs 164/21) machte die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins aufmerksam.
Im gegenständlichen Fall wollte die Klägerin mit ihrem Fahrzeug und einem langen Anhänger von der Straße links abbiegen. Zunächst musste sie warten. Ein Taxifahrer ermöglicht ihr schließlich das Abbiegen. Dabei berührte ihr Anhänger einen gegenüber geparkten Pkw. Es entstand ein Schaden auf einer Länge von 190 cm (starke Schrammen und Dellen). Der Anhänger selbst wurde nicht beschädigt. Der Taxifahrer folgte daraufhin der Fahrerin und sprach sie an. Sie war da bereits rund 260 Meter vom Unfallort entfernt. Dann fuhr die Frau weiter. Ihr wurde wegen Fahrerflucht die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen und der Führerschein beschlagnahmt.
Vor dem Landgericht wurde die Frau freigesprochen. Zur Begründung sagten die Richter, es läge kein dringender Tatverdacht vor, dass sie den Unfall auch tatsächlich wahrgenommen habe. Es sei möglich, dass ihr Anhänger das geparkte Fahrzeug streifte, sie dies aber nicht bemerkte. Als sie von dem Taxifahrer auf den Unfall angesprochen wurde, hatte sie sich bereits vom Unfallort entfernt. "Das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an welchem der Täter erstmals von dem Unfall erfährt, erfüllt nicht den Tatbestand der Unfallflucht", so das Gericht. Sie habe sich auch nicht mehr in Sichtweite befunden. Von daher läge keine Unfallflucht vor. An diesem Ort sei sie eben nicht mehr warte- und auskunftspflichtig gewesen.