Der in Rennerod ansässige VKS-Verband hat in dieser Woche eine wichtige technische Information herausgegeben. Gerichtet war sie nicht nur an Medienvertreter bzw. die Fachpresse, sondern auch an Werkstätten, Lackierfachbetriebe, Kfz-Sachverständige, Gerichte, Versicherungen, Rechtsanwälte und sogar an die Autofahrer als die eigentlich im jeweiligen Schadensfall direkt Betroffenen.
40 Minuten lang Temperaturen von rund 60° Celsius
"Seit einigen Monaten ist festzustellen, dass Versicherungen die Kosten für die Montage der Lackierräder bei forcierter Trocknung in der Lackierkabine systematisch aus Gutachten und Reparaturrechnungen heraus streichen", heißt es eingangs der VKS-Info zur Sachverhaltskläring. Im Zuge von Reparaturlackierungen werde das Fahrzeug in einer Lackierkabine zuerst lackiert und dann "forciert getrocknet", wobei das Fahrzeug eine Objekttemperatur von "ca. 60° Celsius" erreicht. Die Trocknungszeit betrage dabei rund 40 Minuten.
Die Vorschrift von Mercedes-Benz
Deshalb schreibe der Hersteller Mercedes-Benz in seinem Reparaturleitfaden AH40.10-P-
1030-01A vor, dass das Fahrzeug des Kunden nicht mit seinen eigenen Rädern (Reifen mit Felge) in die Lackierkabine zur einer forcierten Trocknung eingestellt werden darf, sondern es müssen Lackierräder (Montageräder der Werkstatt, die ausschließlich für
Fahrzeugbewegungen innerhalb der Werkstatt vorgesehen sind) während des forcierten
Trocknungsvorganges am Fahrzeug montiert werden:
Bei Standplatten hilft auch kein Wuchten odre Matchen mehr
Wörtlich heißt es laut VKS von MB: "Lackierung – Bei der forcierten Lacktrocknung in der Trockenkabine können ab einer Objekttemperatur > 40 °C an den Reifen Standplatten (Flatspots) durch Gewicht, Temperatur und Trockenzeit entstehen. Hierbei handelt es sich um bleibende, irreparable Verformungen im Bereich des Reifenseitenteils und der Wulstverstärkung. Diese bleibenden Verformungen führen zu Radlastschwankungen und Vibrationen, die weder durch Wuchten noch durch Matchen der Räder beseitigt werden können. Um Standplatten zu vermeiden, müssen sowohl konventionelle als auch Sonderschutzfahrzeuge mit so genannten ,Lackierrädern' in die Lackier- und
Trockenanlage eingebracht werden. Das Aufpumpen der Originalreifen auf 4 bar reicht nicht aus, kann bei den ,Lackierrädern' aber entfallen. Das Abdecken der Originalreifen mit Schutzfolien, -platten ist ebenfalls nicht ausreichend.“
24 Reifenhersteller bestätigen die Stuttgarter Richtlinie
Aus diesem Anlass hat der Verband der unabhängigen Kraftfahrzeug-Sachverständigen e.V. auch an die renommierten Reifenhersteller eine Anfrage gestellt.
Das Ergebnis war, dass sich die Reifenhersteller Pirelli, Michelin, Kleber, BFGoodrich,
Continental, Semperit, Uniroyal, Goodyear, Dunlop, Fulda, Pneumant, Debica, Barum,
Gislaved, Viking, TeamStar, Point S, Matador, Sava, Kormoran, Riken, Tigar, Falken und
Maxxis ebenfalls den Richtlinien von Mercedes-Benz angeschlossen haben, wonach während der forcierten Trocknung in der Lackierkabine die Reifen des Kunden nicht montiert sein dürfen, um Schäden in Form von Flatspots zu vermeiden.
In den vom VKS mit veröffentlichten Stellungnahmen hieß es auszugsweise von:
Pirelli: "Es müssen Lackierräder während einer forcierten Trocknung in der
Lackierkabine am Fahrzeug montiert werden."
Oft sogar noch heißer als 60° C – Gummi verhärtet
Michelin (Kleber, BFGoodrich, Kormoran, Riken, Tigar): "Bei den in Lackierkabinen auftretenden Temperaturen empfehlen wir, die Originalbereifung gegen ,Lackierräder' auszutauschen. In der Nähe der Wärmequelle treten oftmals weitaus höhere Temperaturen als die genannten 60° C auf, was zu einem Verlust der Flexibilität und Verhärtung des Gummis führen kann. Zum anderen kann es durch die ungleichmäßige Erwärmung der Reifen (Aufstandsfläche in der Regel kühler) zu Rundlaufproblemen
kommen."
"Hot Flatspor" dauerhaft und nicht mehr zu egalisieren
Continental (Semperit, Uniroyal, Barum, Gislaved, Viking, Mabor, TeamStar, Point S, Matador): "Wie dem Standardschreiben zu entnehmen ist, schließen wir uns hier Mercedes an.“
Goodyear, Dunlop (Fulda, Pneumant, Debica, Sava): "Mit der von Mercedes vorgeschriebenen Vorgehensweise ist man immer auf der sicheren Seite. Wir schließen uns an die Mercedes Vorschrift an."
Falken: "Gern bestätigen wir Ihnen hiermit schriftlich, dass FALKEN und OHTSU PKW und Leicht-LKW-Reifen während einer forcierten Trocknung in der Lackierkabine keinesfalls am Fahrzeug montiert verbleiben dürfen. Denn der so hervorgerufene sog. ,Hot Flatspot' wäre dauerhaft und in keiner Weise zu egalisieren. Diese Tatsache ist allein den Werkstoffen (Gummi/Kunstfasern) geschuldet und kein Zeichen von minderer
Reifenqualität.“
Maxxis: "Wir schließen uns der Anweisung seitens Mercedes Benz voll umfänglich an."
"Kosten sind selbst bei fiktiver Abrechnung zu ersetzen"
Um Schäden an den Reifen während der forcierten Trocknung und damit einhergehende
Kundenregresse gegen den Kfz-Reparaturbetrieb bzw. den Lackierfachbetrieb abzuwenden, empfiehlt der Verband der unabhängigen Kraftfahrzeugsachverständigen e.V. (VKS) sowohl den Kfz-Sachverständigen, in das Gutachten die Kosten für die Montage der Lackierräder grundsätzlich mit aufzunehmen und auch den Kfz-Reparatur- bzw. den Lackierfachbetrieben, Lackierräder zu montieren.
"Diese Kosten sind Bestandteil einer ordnungsgemäßen Reparatur und damit im Schadensfall auch bei lediglich fiktiver Abrechnung (BGH VI ZR 69/12 und 401/12) zu ersetzen", hält der VKS abschließend nochmals sehr deutlich fest. (wkp)
Mercedes-Forderung: Bei Lacktrocknung über 40° C Kundenräder gegen "Lackierräder" tauschen!
Mercedes-Benz und der VKS – Verband der unabhängigen Kraftfahrzeug-Sachverständigen e.V. schaffen Klarheit: Bei "forcierter" Lacktrocknung oberhalb von 40° C können Fahrzeugreifen irreparable Schäden nehmen und sind deshalb zwingend vorher abzunehmen. Die Reifenhersteller bestätigen den Sinn dieser Präventivmaßnahme.
Weihnachtsmann
AJ