"Die Mitgliedsbetriebe ungefiltert zum aktuellen Marktgeschehen informieren, Fakten anstelle von Gerüchten liefern, Leitplanken für unternehmerische Entscheidungen einrammen und im kritisch-konstruktiven Dialog mit den relevanten Playern in der Schadensteuerung bleiben" – so beschriebt BVdP-Geschäftsführer Michael Pinto die Ziele des neuen Online-Formats "Fakten aus erster Hand". Die Auftaktveranstaltung fand kürzlich exklusiv für die Verbandsmitglieder als virtueller Talk statt.
"Premierengast" HUK-Coburg
Mit den beiden HUK-Coburg Verantwortlichen Thomas Geck, Leiter Schaden Prozessmanagement, und Martin Schneider, Leiter Netzwerkerschließung und -bereitstellung, stellten sich gleich zum Start der neuen Veranstaltungsreihe zwei Vertreter eines Schwergewichts in der deutschen Schadensteuerung dem Gespräch mit dem Branchenverband.
Moderiert von Michael Pinto und Reinhard Beyer, dem Vorstandsvorsitzenden des BVdP e. V., entwickelte sich ein intensiver und offener Dialog, in dessen Mittelpunkt die "Brandthemen" Umstrukturierung des HUK-Werkstattnetzes, der Stand der Digitalisierungsaktivitäten der HUK und deren Stellung zur Nachhaltigkeit standen.
"Neues" HUK-Werkstattnetz nicht nur "Status quo minus Generali"
Zwei aktuelle Meldungen zur HUK-Coburg nutzte Michael Pinto, um direkt nachzufragen, welche Folgen zum einen der Generali-Ausstieg aus dem (bisher mit genutzten) HUK-Werkstättennetz und zum anderen die angekündigte Neustrukturierung des Netzes für die Partnerbetriebe der HUK-Coburg habe.
In seiner Antwort bedauerte Thomas Geck den Ausstieg der Generali Konzern-Versicherungen , äußerte sich aber vorsichtig zuversichtlich, dass den Partnerbetrieben kein spürbares Reparaturvolumen verloren gehe, zumal es ja auch Überlappungen der verschiedenen Werkstattnetze gebe. Beim Thema Neustrukturierung stecke man noch in den Anfängen. Dabei spiele die Fragestellung, ob der bislang verfolgte Ansatz, mit Werkstätten zusammenzuarbeiten, die in der Hauptsache als Generalisten das komplette K&L-Spektrum abdecken, noch zeitgemäß sei.
Weiter mit Allround- oder eher spezialisierten Betrieben?
Man beschäftige sich angesichts neuer Technologien sowie Antriebsformen und immer komplexerer Anforderungen im Reparaturgeschäft damit, mit spezialisierten, also besonders qualifizierten und ausgestatteten Fachbetrieben zu kooperieren, um zukünftig noch viel zielgerichteter in geeignete Betriebe einsteuern zu können. Das werde dann auch Einfluss auf die individuellen Preisvereinbarungen mit den Werkstätten haben, da Spezialisierung für die Betriebe auch einen deutlich höheren Invest in Qualifikation und Equipment bedeute. Hier arbeite man an einer "angemessenen" Lösung. Das seien allerdings tatsächlich erste Überlegungen, die man seitens der HUK noch konkretisieren müsse, zumal das auch Folgen für den Versicherer selbst habe. Denn eine skillbezogene Schadensteuerung müsse auch eine toolgestützte Steuerung sein, da der Sachbearbeiter nicht über das Spezialistenwissen verfüge, um den Reparatursachverhalt abschließend zu beurteilen.
In seiner anschließenden Frage an Thomas Geck thematisierte Reinhard Beyer gleich den Fachkräftemangel in der Branche, der eine weitere Spezialisierung der Betriebe ja nicht gerade fördere und fragte nach, ob die HUK-Coburg Ideen und Pläne habe, wie man den Fachkräftemangel abmildern könne.
Überlegungen zum Abbau des Fachkräftemangels
Hier entgegnete Thomas Geck, dass man als HUK-Coburg bereits über viele Jahre versuche, über die Azubi-Vergütung, die den Werkstätten zugute kam, etwas zu tun. Darüber hinaus sei man gerne bereit, sich mit den Partnerbetrieben und dem Verband an den Tisch zu setzen und – ganz open minded – neue, gemeinsame Lösungsansätze für weitere Mitarbeitergruppen zu entwickeln. Und vielleicht könne auch gerade die zunehmende Spezialisierung mehr Attraktivität für die Berufsbilder in der Schadenwelt bringen.
Spezialisierung, so fassten die BVdP-Vertreter nach, bedeute neben den explodierenden Energie- und Lackmaterialpreisen weitere Kosten für die Werkstätten, die sich ja gerade ohnehin einem absolut dynamischen Kostendruck ausgesetzt sähen. Habe man sich da bei der HUK Gedanken gemacht, ob angesichts der skizzierten Kostenentwicklung das Intervall der "Jahresgespräche" nicht angepasst werden müsse, um solchen Entwicklungen Rechnung zu tragen?
Man habe bereits 2020 flexibel auf die Corona-Krise reagiert, so Geck. Auch die aktuell steigenden Energiekosten berücksichtige der Versicherer in den Jahresgesprächen, da sich die Entwicklung schon Ende vergangenen Jahres abgezeichnet habe. Den Verlauf und die Folgen des Russland-Krieges gegeben die Ukraine beobachte man sehr genau, warte aber hier noch die möglichen Maßnahmen der Bundesregierung ab und werde nach einer Analyse der Situation reagieren.
"Digitalisierung macht Fortschritte"
Mit dem Digitalisierungskonzept, bestätigte auch der für das Netzwerk bei der HUK verantwortliche Martin Schneider, komme man gut voran. Natürlich wisse man, dass die fälligen Veränderungen für alle Beteiligten anstrengend seien. Man habe aber mit den Digitalisierungsaktivitäten den Markt ein klein wenig aufgemischt und Bewegung zum Vorteil der Betriebe bei den Systemhäusern bewirkt.
Grundsätzlich wolle der Endkunde mehr Kommunikation und Information durch Online-Terminbuchung und Reparaturtracking. Das komme immer mehr und sei definitiv die Zukunft, der sich Werkstätten stellen müssten. Die HUK-Coburg treibe deshalb diese Themen weiter voran. Beim Tracking setze man auf die Übermittlung von vier Reparaturstatus-Meldungen aus der Werkstatt. Die Online-Terminbuchung will man bis Ende 2023 in die Breite gebracht haben. Deshalb habe man diese Punkte bereits in die Preismodelle integriert, um entsprechende Anreize zu schaffen. So könne eine Werkstatt die Investitionen, die jetzt fällig würden, bereits nach einem Jahr wieder eingespielt haben. Darüber hinaus könne der Einsatz einer Werkstattplanung den Werkstätten schlankere Prozesse und damit mehr Effizienz ermöglichen.
Eine Forderung des BVdP im Digitalisierungsprozess, warf Michael Pinto ein, sei ein größtmöglicher Freiheitsgrad beim EDV-Einsatz für die Werkstätten. Dazu gehöre auch die Schaffung und das unkomplizierte Zusammenspiel einer Basisschnittstelle mit dem bereits eingesetzten DMS. Ist dieser Freiheitsgrad gewährleistet?
Digitale Kommunikation mit dem Gros der Betriebe möglich
Man sei natürlich vom Digitalen Autohaus als Kooperations- und Planungstool überzeugt, habe aber selbstverständlich ein elementares Interesse daran, mit allen Partnerwerkstätten und den marktgängigen DMS-Systemen zusammenzuarbeiten. Man spreche mit dem Systemhäusern und werde schlussendlich über Schnittstellen mit 90 % der Partnerwerkstätten digital kommunizieren können. Hier habe sich bei den Systemhäusern sehr viel getan und die drei großen Anbieter wären angebunden. In zwei Monaten werde man wohl Ross und Reiter nennen können, also eine Übersicht mit den Systemen, die die Anforderungen für die Zusammenarbeit mit der HUK und die entsprechenden Incentivierungen erfüllen, geben können. Die Werkstätten könnten von ihren HUK-Netzwerkentwicklern Auskunft zu Mindestanforderungen und den von der HUK unterstützten Systemen erhalten. Prinzipiell setze die HUK weiterhin auf Offenheit bei der Digitalisierung, wie Thomas Geck bekräftigte.
HUK-Coburg nimmt Nachhaltigkeit ernst
Mit ECOREPAIR habe man seitens des BVdP, so läutete Michael Pinto das abschließende Thema des Online-Talks ein, kürzlich ein Label für die nachhaltige Reparatur ins Leben gerufen. Welche Rolle spiele das Thema in den Plänen der HUK und könne man schon sagen, welche Auswirkungen das dann auf die Partnerbetriebe habe?
Hier sei die Versicherungswirtschaft, antwortete Thomas Geck, noch in der Anfangsphase. Man habe beispielsweise bei der HUK-Coburg ein Projekt ins Leben gerufen, um zu analysieren, wie sich Nachhaltigkeit sowohl im Handeln wie in den Produkten des Versicherers umsetzen lasse.
Er stelle aber schon einen gewissen Nachhaltigkeitsvorsprung bei den Betrieben im Partnernetzwerk der HUK fest, da man dank Digitalisierung dem papierlosen Arbeiten ein gutes Stück nähergekommen sei und Instandsetzen vor Erneuern als Reparaturweg, wenn fachgerecht und möglich, präferiere.
"Recht auf Reparatur"
Auf Reinhard Beyers Nachfrage, ob man das Umdenken in Richtung I vor E noch stärker seitens der Versicherer treiben könne, entgegnete Thomas Geck, dass er dabei für umsetzbare Schritte und das Vermeiden unsinniger Vorgaben plädiere. Er stimme Beyer aber zu, dass man das Thema dann transparent für alle an einem Schaden Beteiligte ausgestalten müsse und dass die "nachhaltige Reparatur ein vernünftiger erster Schritt in die richtige Richtung" sei. Er sei auch inhaltlich voll auf der Seite Michael Pintos, der das Recht auf Reparatur als einen immer wichtigeren Aspekt im Kfz-Schadengeschäft sehe. Als HUK-Coburg schaue man auch in der Schadensteuerung auf die Reparaturmethode.
Sowohl Reinhard Beyer als auch Thomas Geck bekräftigten zum Abschluss des Online-Talks die Absicht, im Sinne des kooperativen Schadenmanagements konstruktiv-kritisch im Dialog zu bleiben. Der Dialog böte, ergänzte Thomas Geck noch, die Chance, gemeinsam Konzepte zu diskutieren, mitzugestalten und im gegenseitigen Austausch die Warte der anderen Seite zu erfahren. Hier sehe er ein großes Potenzial, dass Partnerwerkstätten und HUK-Coburg voneinander profitieren könnten.
Die Ziele des Verbandes
Der heute von den Vorständen Reinhard Beyer, Peter Vogel und Jens Walther geführte BVdP wurde 2010 gegründet und versteht sich als Interessenvertretung aller Partnerwerkstätten, die in der Schadensteuerung tätig sind. Mittel- und langfristig ist es das erklärte Ziel des BVdP e.V., für seine Mitglieder eine Situation zu schaffen und abzusichern, die es ermöglicht, zu auskömmlichen Konditionen und Bedingungen zukunftsfähig zu wirtschaften. Dazu gehöre auch ein nachhaltiges Marktumfeld für alle Beteiligten. (se/wkp)