Beim Kampf gegen zu schmutzige Luft durch Diesel-Autos können belastete Städte auf zusätzliche 500 Millionen Euro vom Bund zählen – die genaue Verwendung ist aber noch offen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte nach einem Treffen mit gut 20 Bürgermeistern am Montag die Aufstockung eines Fonds in Aussicht, von dem auch mehr Kommunen profitieren sollen als geplant. Vorgesehene Einzahlungen von Autokonzernen sind jedoch teils noch unsicher. Gemeinsames Ziel sei, Diesel-Fahrverbote in Städten zu vermeiden, sagte Merkel. Opposition und Umweltverbänden kritisierten die Vereinbarungen als unzureichend.
Alle seien der Meinung, dass pauschale Fahrverbote für einzelne Antriebsarten oder Fahrzeugtypen verhindert werden sollten, sagte Merkel nach dem Treffen. "Die Zeit drängt, und wir sind uns alle einig, dass es ein großer Kraftakt ist." Weil die Belastung der Luft mit gesundheitsschädlichem Stickoxid (NOx) in vielen Städten zu hoch ist, könnten Gerichte Fahrverboten erzwingen. Auch die EU macht deswegen Druck auf Deutschland.
Konkret soll nun "sofort" eine Koordinierungsstelle von Bund, Ländern und Kommunen eingerichtet werden, um über förderfähige Projekte zu entscheiden. Dabei geht es um einen beim Dieselgipfel von Politik und Autobranche Anfang August angekündigten Fonds, in den der Bund bisher 250 Millionen Euro einzahlen wollte. Nun sollen weitere 500 Millionen Euro dazukommen, die auch bereits im laufenden Haushalt zur Verfügung stehen. Autokonzerne sollen 250 Millionen Euro beisteuern. Von ausländischen Herstellern gibt es aber bisher keine Zusagen.
Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagte, die Autobranche könne seiner Ansicht nach "durchaus mehr" als 250 Millionen Euro beitragen. "Was wichtig ist, ist, dass wir die Städte und Gemeinden in Deutschland nicht mit dieser Aufgabe alleine lassen." Er warnte vor "überzogenen Hoffnungen" auf einen schnellen Durchbruch der Elektromobilität bei Privatautos. Zudem dürften die Potenziale bei Verbrennungsmotoren der Zukunft nicht außer Acht gelassen werden.
Mehr Anreize zum Umstieg gefordert
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sprach von einem dringend notwendigen Treffen, mahnte aber unter anderem zusätzliche Umstiegsanreize für Besitzer älterer Diesel an. Das Aachener Stadtoberhaupt Marcel Philipp (CDU) sagte, die Fonds-Aufstockung zeige, wie ernst die Lage sei. Nötig seien nun kurzfristige Maßnahmen, um Fahrverbote zu verhindern. Der Städtetag begrüßte die zusätzlichen Bundesmittel als "ersten Schritt". Generell müsse aber der kommunale Öffentliche Nahverkehr stärker von Bund und Ländern gefördert werden.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) nannte es einen richtigen Ansatz, konkret aktiv zu werden, wo es hohe Stickoxid-Belastungen gibt. Beim ersten Dieselgipfel hatten die deutschen Hersteller Software-Updates sowie Umtauschprämien zugesagt, damit Besitzer älterer Modelle sich saubere Neuwagen kaufen. Umbauten an Motoren lehnt die Branche ab.
"Nicht gut vorbereitet"
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, die Software-Updates seien ein wichtiger Schritt, der aber nicht reichen werde. Der Bund solle daher Druck auf eine Beteiligung der ausländischen Hersteller machen, die rund ein Drittel Marktanteil hätten. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) äußerte sich enttäuscht. Es habe keinen Durchbruch zur Abwendung drohender Fahrverbote gebracht. "Die ganze Veranstaltung hat sehr darunter gelitten, dass sie erkennbar nicht gut vorbereitet gewesen ist."
Der Linke-Verkehrsexperte im Bundestag, Herbert Behrens, sprach von einem "Gipfel des Aktionismus". Wer wie Merkel Fahrverbote vermeiden wolle, ohne der Autoindustrie weh zu tun, verschließe die Augen vor unwiderlegbaren Fakten. Ohne Nachrüstungen bei älteren Wagen werde es bald Fahrverbote geben. Grünen-Verkehrspolitiker Stephan Kühn nannte die Milliarde Euro einen Tropfen auf den heißen Stein. "Einmalige Geldspritzen lösen die Probleme der Kommunen nicht." Der Umweltverband WWF kritisierte, von dem notwendigen ganzheitlichen Mobilitätskonzept sei die Regierung nach wie vor weit entfernt. (dpa)