Neun von zehn modernen Diesel-Modellen halten einer neuen Studie zufolge nur im Labor Schadstoff-Grenzwerte ein und blasen dann im normalen Straßenverkehr viel zu viel Dreck in die Luft. Dies geht aus einer Messdaten-Auswertung der Umweltorganisation ICCT hervor, die den Abgasskandal 2015 mit ins Rollen brachte. Im Schnitt stießen Diesel mit Abgasnorm Euro 6 demnach 4,5 Mal mehr gesundheitsschädliches Stickoxid aus als vorgegeben.
Illegal ist das nicht. Erst seit 1. September ist in der EU für Neuzulassungen die Abgasnorm auch für den Ausstoß auf der Straße maßgeblich. Und auch jetzt dürfen die Stickoxid-Werte zunächst weiter über den Grenzwerten liegen. Doch gelten die teils drastischen Überschreitungen im Alltag als Grund dafür, dass die Luft in vielen Städten trotz immer strengerer Grenzwerte schmutziger ist, als die EU erlaubt. Gerichte könnten deswegen die Politik zu Fahrverboten zwingen.
Die EU-Kommission kritisierte am Montag erneut die große Kluft zwischen Labor-Tests und tatsächlichem Schadstoffausstoß im Alltag. "In dieser Sache sind die Mitgliedstaaten zum Handeln aufgerufen", sagte eine Sprecherin. Man benötige nicht nur realistischere Tests, auch die Zulassungsverfahren für Autos müssten neu aufgestellt werden. Die Kommission habe schon 2016 einen Vorschlag gemacht, über den sich die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament schnell einigen müssten. Zu der neuen ICCT-Studie äußerte sich die Sprecherin nicht im Detail.
Dafür hatte die Umweltorganisation Messdaten von Behörden und anderen Organisationen in Europa für insgesamt 541 Diesel-Pkw von 145 verschiedenen Modellen ausgewertet, die auf dem Papier die EU-Normen Euro 5 und 6 einhalten. Bei einigen Euro-6-Fahrzeugen lagen die Messwerte auch tatsächlich unterhalb der Vorgaben. Andere Autos überschreiten diese dagegen im normalen Straßenverkehr um das Zwölffache.
"Die Ergebnisse bestätigen frühere Erkenntnisse, basieren nun aber auf einer sehr großen Anzahl an Fahrzeugtests und erlauben damit auch Rückschlüsse auf das durchschnittliche Emissionsverhalten einzelner Hersteller", sagte ICCT-Geschäftsführer Peter Mock.
Die ICCT-Forscher fordern für die Zukunft weitere unabhängige Tests unter realen Fahrbedingungen, die nicht nur den Ausstoß von Stickoxiden, sondern auch von Kohlendioxid unter die Lupe nehmen - und zwar von Autos, die Kunden oder Mietwagen-Firmen bereitstellen, nicht die Autobauer selbst. (dpa)
Das Whitepaper zur ICCT-Studie gibt es zum Download unter diesem Artikel!
- ICCT-Whitepaper "Road Tested" (9/2017) (589.6 KB, PDF)
Martin Bach
hwb