Das EU-Parlament will es den EU-Staaten überlassen, ob sie verpflichtende regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen von Autofahrern einführen wollen. Eine Mehrheit der Abgeordneten sprach sich dafür aus, dass nationale Regierungen entscheiden sollen, ob sie künftig von Führerscheininhabern regelmäßig ärztliche Tests verlangen, teilte das Parlament am Mittwoch mit. Hör- und Sehtests könnten dann etwa eine Selbsteinschätzung der Führerscheininhaber ergänzen.
Die Medizinchecks werden besonders von deutschen Abgeordneten parteiübergreifend kritisch gesehen. In anderen EU-Staaten gibt es sie hingegen schon. Bevor neue Regeln in Kraft treten, muss noch ein Kompromiss zwischen den Forderungen des Parlaments und der Position der EU-Staaten gefunden werden. Die Verhandlungen darüber beginnen erst, nachdem im Sommer ein neues Europaparlament gewählt wurde.
Mit den neuen Vorgaben soll der Straßenverkehr sicherer werden und weniger Menschen bei Unfällen sterben. EU-Angaben zufolge kommen jedes Jahr mehr als 20.000 Menschen auf den Straßen in der Europäischen Union ums Leben. Eigentlich soll die Zahl der Verkehrstoten bis 2030 halbiert werden. Die Entwicklung sieht aber derzeit nicht danach aus: Nach einem deutlichen Rückgang während der Corona-Pandemie stieg die Zahl der Toten jüngst wieder an.
Wohl keine Tests in Deutschland
Die Wahrscheinlichkeit, dass es in Deutschland künftig solche Tests gibt, ist gering. Denn einerseits haben die EU-Staaten bereits ihre Position für die bevorstehenden finalen Verhandlungsrunden über die neuen Regeln festgelegt und werden sich nicht für verpflichtende Tests aussprechen. Andererseits hat sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) klar gegen solche Tests ausgesprochen.
Wissing sagte in Berlin: "Deutschland möchte solche Zwangsuntersuchungen nicht haben." Bürgerinnen und Bürger müssten eigenverantwortlich prüfen, ob sie fahrtauglich seien oder nicht. "Das gilt für jedes Alter", betonte der FDP-Politiker.
Er begrüße es ausdrücklich, dass Vorschläge erneut zurückgewiesen worden seien, Seniorinnen und Senioren einer "medizinischen Zwangsuntersuchung" zu unterwerfen. Man könne die Eigenverantwortung der Menschen nicht durch staatliche Vorschriften ersetzen. Zudem gelte es, nicht neue unnötige Bürokratie zu schaffen. Es gebe auch keine signifikanten Zahlen, die Handlungsbedarf in einer bestimmten Altersgruppe erforderten.
Fahrer sollen besser auf Fahrsituationen vorbereitet werden
Das Parlament sprach sich in Straßburg zudem dafür aus, Fahrer besser auf reale Fahrsituationen vorzubereiten. Die entsprechenden Vorschläge beinhalten, das Fahren bei Schnee und Glätte sowie die sichere Nutzung von Telefonen während der Fahrt zum Teil der Führerscheinprüfung zu machen. Außerdem soll es künftig einen digitalen Führerschein geben, der auf dem Mobiltelefon verfügbar ist.
Einheitliche Gültigkeitsdauer von Führerscheinen
Die Überarbeitung der Regeln geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission zurück, der im März vergangenen Jahres vorgestellt worden war. Wegen der Vorschläge war eine Debatte darum entbrannt, ob ältere Menschen im Straßenverkehr ein Risiko darstellen. Die Untersuchungen sind aber nur ein Teil des Vorhabens. Die Abgeordneten stimmten dafür, dass Führerscheine für Motorräder und Pkw mindestens 15 Jahre und für Lkw und Busse fünf Jahre gültig sein sollten.
Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass ältere Menschen ihren Führerschein öfter als jüngere Menschen erneuern lassen müssen. Das lehnt das Parlament ab, "um Diskriminierung zu vermeiden und ihr Recht auf Freizügigkeit und Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben zu gewährleisten." Künftig könnten Autofahrerinnen und Autofahrer aber eine Selbstauskunft, also beispielsweise einen Fragebogen zu ihrem Gesundheitszustand, ausfüllen müssen, wenn sie ihren Führerschein erneuern lassen.
EU-weit einheitliche Probezeit und begleitetes Fahren
Was in Deutschland Standard ist, soll es nun auch EU-weit geben: Fahranfängerinnen und Fahranfänger sollen den Abgeordneten zufolge eine Probezeit von mindestens zwei Jahren absolvieren. Dabei gelten etwa strengere Promillegrenzen.
Auch begleitetes Fahren ab einem Alter von 17 Jahren soll EU-weit eingeführt werden. Darüber hinaus sollen die 17-Jährigen einen Lkw-Führerschein machen können, wenn sie von einem erfahrenen Fahrzeugführer begleitet werden, heißt es in dem Entwurf. Das Alter für Lkw-Fahrerinnen und -fahrer herabzusetzen, sei der falsche Ansatz, kritisierte allerdings der Linken-Fraktionsvorsitzende Martin Schirdewan. Arbeitsbedingungen und Löhne müssten im Kampf gegen den Fachkräftemangel verbessert werden.