In der VW-Affäre hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil den Vorwurf zurückgewiesen, er habe sich von dem Konzern beeinflussen oder gar kontrollieren lassen. In einem Interview verteidigte der SPD-Politiker, der auch VW-Aufsichtsratsmitglied ist, das Vorgehen, dass in der Diesel-Krise die VW-Zentrale vor entscheidenden öffentlichen Erklärungen von ihm vorab um Überprüfung von Redemanuskripten gebeten worden sei. "Es stand die Zukunft des VW-Konzerns auf dem Spiel", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Unter diesen Bedingungen "war es richtig, dass ein von mir selbst geschriebener Entwurf einer Regierungserklärung VW zugeleitet wurde mit der ausschließlichen Bitte um Prüfung auf rechtliche Belange und Richtigkeit der genannten Fakten." Er würde "in einer vergleichbaren Situation heute ganz genauso handeln".
Weil ging in dem Interview auf einen Vorgang aus dem Oktober 2015 ein, als eine Regierungserklärung vorab an den Cheflobbyisten des VW-Konzerns, Thomas Steg, gegangen sei. "Wir haben sehr kritisch geprüft, welche Rückmeldungen von VW rechtliche Gründe hatten und wo Kritik abgemildert werden sollte. Rechtliche Klarstellungen haben wir nachvollzogen, die Kritik ist dringeblieben."
Nach Darstellung der "Bild am Sonntag" hatte Weils Regierungssprecherin Anke Pörksen kurz vor dem Auftritt im Landtag den Entwurf der Rede an den VW-Cheflobbyisten und früheren SPD-Sprecher Thomas Steg (57) geschickt. In der Mail stand demnach: "(...) Bitte schau mal rein, ob da irgendwas drin steht, was so gar nicht Euren faktischen oder rechtlichen Erkenntnissen entspricht."
Keine politische Einflussnahme
Diese Praxis der Vorprüfung sei inzwischen beendet, sagte Weil den RND-Zeitungen. "Das ist das Ergebnis eines Fortschritts in der Aufarbeitung von Dieselgate. Inzwischen ist die Situation zwischen VW und den US-Behörden geklärt." Für die Behauptung, die Landesregierung sei in der VW-Affäre durch den Konzern politisch geführt worden, werde man "keinen Beleg finden".
Die "Bild am Sonnstag" hingegen zitierte einen VW-Mitarbeiter, der an dem Vorgang beteiligt gewesen sein soll, mit den Worten: "Das war kein Faktencheck, wir haben die Rede umgeschrieben und weichgespült." Nach Informationen der Zeitung äußerte ein Mitarbeiter der VW-Kommunikationsabteilung zudem schriftlich "moralische Bedenken": Volkswagen könne doch nicht eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten redigieren und verändern.
Regierungssprecherin Pörksen sagte der Zeitung: "Seitens des VW-Konzerns wurden einzelne Anregungen unterbreitet, ein Teil dieser Anregungen ist aufgegriffen worden." An der "harten Kritik" an Volkswagen in der Rede habe sich dadurch nichts geändert. "Seit einigen Monaten erfolgt keine Rückkoppelung von Texten mehr mit dem VW-Konzern."
Die FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag hatte wegen aus ihrer Sicht unzureichender Auskünfte zur Diesel-Affäre Ende 2015 gegen die Landesregierung geklagt. Abgeordnete der Partei wollten unter anderem wissen, ob der Konzern Einfluss auf die Aussagen der Landesregierung zu der Affäre bei VW hatte.
Unions-Fraktionsvize: Niedersachsen soll VW-Anteile abgeben
Angesichts der jüngsten Entwicklungen fordert der stellvertretende Fraktionschef im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), dass das Land seine Beteiligung an Volkswagen aufgibt. "Der Staat sollte sich aus dem Autokonzern heraushalten", sagte Fuchs der "Rheinischen Post" (Dienstag). Das Gesetz schaffe eine zu große Nähe zwischen Staat und Unternehmen. "Ich verstehe nicht, warum das Land Niedersachsen 20 Prozent an VW halten muss", sagte Fuchs weiter. Bayern halte ja auch keine Anteile an BMW und Baden-Württemberg keine an Daimler. "Und beide Länder und Unternehmen fahren sicher nicht schlechter damit."
Seit fast 60 Jahren sichert das sogenannte VW-Gesetz dem Land Niedersachsen einen Sonderstatus bei Volkswagen. Als zweitgrößter Anteilseigner hat das Land im 20-köpfigen Aufsichtsrat zwei Sitze. Neben Ministerpräsident Stephan Weil sitzt auch Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD) in dem Gremium. Zentrale Entscheidungen der Hauptversammlung, für die normalerweise drei Viertel der Aktionärsstimmen ausreichen, benötigen bei VW mehr als 80 Prozent Ja-Stimmen. Die Landesregierung hat daher ein Vetorecht.
Sprecherin: Merkels Reden werden nicht extern vorgelegt
Die Bundesregierung hat den Vorwurf zurückgewiesen, das Kanzleramt lasse sich von der Autolobby beeinflussen. "Es ist kein einziger Fall bekannt, dass ein Redeentwurf zur Begutachtung externen Stellen vorgelegt worden wäre", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Montag in Berlin. Reden von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) würden immer intern entworfen und intern abgestimmt.
Die Bundesregierung bekomme täglich viele Stellungnahmen von Unternehmen und Interessensgruppen und führe dazu Gespräche, sagte Demmer. "Entscheidungen trifft die Bundesregierung dann natürlich trotzdem völlig unabhängig und nach eigener Willensbildung." (dpa)