Im Streit um CO2-Grenzwerte für Autos ab 2020 haben sich die EU-Staaten auf deutschen Druck vertagt: Sie wollen in den nächsten Wochen einen Kompromiss mit dem Parlament ausloten. "Wir haben uns gemeinsam gerade eben darauf verständigt, dass wir die CO2-Richtlinie für Pkws nicht heute aber in naher Zukunft verabschieden", sagte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) nach Ende des Treffens mit seinen europäischen Amtskollegen am Montagabend in Luxemburg. "Wir haben eine gute Chance, dass diese Richtlinie innerhalb der nächsten Wochen verabschiedet wird." Daimler-Chef Dieter Zetsche warnte vor harten Auflagen, die Umweltorganisation Greenpeace reagierte empört.
Die EU will aus Klimaschutz-Gründen die Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) begrenzen, die durch den Straßenverkehr in die Atmosphäre gelangen. Die genauen Vorgaben sind aber umstritten. Diplomaten hatten vor dem Treffen erklärt, für eine Einigung blieben etwa vier Wochen Zeit - sonst sei das Thema nicht mehr vor den Europawahlen des nächsten Jahres zu bewältigen. Der litauische Minister Valentinas Mazuroni erklärte: "Zusammen mit der (EU-)Kommission wird der Rat vorfühlen, um zu sehen, welche begrenzten Flexibilitäten noch möglich sind". Sein Land hat den Vorsitz der EU-Staaten.
Es gab zwar eine Grundsatzeinigung im Juni. Altmaier dringt aber auf "Flexibilität". Einige andere Staaten, darunter Polen und Rumänien, äußerten Verständnis für die deutschen Bedenken. "Es scheint, dass einige an diesem Tisch noch echte und aufrichtige Bedenken haben", sagte der britische Minister Edward Davey. EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard reagierte enttäuscht.
Damit ist vorerst weiter offen, wann und wie der eigentlich für das Jahr 2020 angepeilte Zielwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer erreicht werden soll. Die Autohersteller müssten ihn im Durchschnitt ihrer Flotte einhalten. Tendenziell haben die deutschen Oberklasse-Firmen mit ihren schweren Fahrzeugen dabei mehr Schwierigkeiten als ihre Konkurrenten aus dem Kleinwagen-Segment.
Schmerzgrenze erreicht
Für Daimler-Chef Zetsche ist die Schmerzgrenze erreicht. "Wenn wir von den Emissionen ausgehen, sind wir sicherlich, wenn wir auf 2020 blicken, an der absoluten Grenze zwischen richtiger und notwendiger Forderung der Industrie und Überforderung", sagte er bei einer Diskussionsrunde am Montag in Stuttgart. Vielmehr müsse man zu "einer vernünftigen Symbiose von Wirtschaftlichkeit und Umweltzielen kommen." "Wir müssen weggehen von dieser Grenzwertbetrachtung." Alternativ könne etwa CO2-Handel - also der Handel mit Verschmutzungsrechten - eine Möglichkeit sein.
Altmaier erklärte, ein Kompromiss müsse auf der Grundlage der bereits im Juni zwischen EU-Staaten, Europaparlament und EU-Kommission erzielten Einigung stehen. Damals hatten die Unterhändler das 95-Gramm-Ziel für das Jahr 2020 bestätigt, Herstellern aber Erleichterungen für die Produktion von Elektroautos eingeräumt. Deutschland hatte Ende September dann vorgeschlagen, dass 95-Gramm-Ziel erst 2024 voll einzuhalten.
Spielraum isrt begrenzt
Eine Einigung zwischen EU-Staaten, Europaparlament und Kommission dürfte nicht leicht werden: Deutschland hatte in der Vergangenheit relativ weitreichende Änderungen verlangt, das Parlament hält aber am Juni-Kompromiss fest. "Der Handlungsspielraum ist ziemlich begrenzt", sagte Hedegaard. Und der CDU-Europaabgeordnete Thomas Ulmer erklärte: "Offenbar sind nur marginale Veränderungen der bereits vereinbarten Regelung vorstellbar."
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte: "Das Europäische Parlament sollte hart bleiben und die Forderungen Deutschlands zurückweisen, die nur dazu dienen, dem Klima zu schaden, die Kosten für Verbraucher hochzutreiben und technologische Innovation zu ersticken." (dpa)