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Ältere Dieselmodelle: Keine Alternative zu Fahrverbot

28.07.2017 11:15 Uhr
Das Stuttgarter Verwaltungsgericht sieht keine Alternative zu Fahrverbot älterer Dieselautos.
© Foto: picture alliance / Franziska Kraufmann/dpa

Geht es nach der Autoindustrie, sollen Nachrüstungen ausreichen, um Fahrverbote für alte Diesel mit schmutzigen Abgasen zu vermeiden. Das Stuttgarter Verwaltungsgericht sieht das anders - und erhöht mit seinem Urteil auch den Druck auf die Bundespolitik.

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Besitzer älterer Dieselwagen müssen nach einer Entscheidung des Stuttgarter Verwaltungsgerichts weiter mit Fahrverboten rechnen. Das Land Baden-Württemberg dürfte kaum um die unpopuläre Maßnahme bereits ab Anfang 2018 herumkommen.

Die geplanten Software-Updates, die beim nationalen Diesel-Gipfel am 2. August festgeklopft werden sollen, seien kein adäquates Mittel zur Verbesserung der Luft, argumentierte Verwaltungsrichter Wolfgang Kern am Freitag. Er machte klar: Der Gesundheitsschutz in der Stadt sei höher zu bewerten als die Interessen der Diesel-Fahrer. Das Land muss seinen Plan zur Luftreinhaltung in Stuttgart deutlich nachbessern. 

Ob und wann es tatsächlich zu Fahrverboten für viele Dieselmodelle kommt und wie diese aussehen könnten, ist aber weiter offen. Das Land will das Urteil zunächst prüfen und dann sehen, welche Schritte einzuleiten sind, sagte ein Sprecher. Es ist damit zu rechnen, dass der Streit beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weitergeht. Dort liegt schon ein ähnlicher Fall aus Düsseldorf zur Entscheidung. Das Stuttgarter Urteil könnte auch die Debatte um Fahrverbote in anderen Großstädten wie München oder Berlin beeinflussen.

Umsetzung unklar

Laut Richter Kern wäre ein ganzjähriges Verkehrsverbot die effektivste und derzeit einzige Maßnahme zur Einhaltung der oftmals erheblich überschrittenen Emissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid. Diese werden in Stuttgart teils um das Doppelte überschritten. Komme das Land der gesetzlichen Vorgabe - einer "schnellstmöglichen Einhaltung" der Grenzwerte - nach, müsste das Verbot zum 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt werden. Unklar ist die Art der Umsetzung. Zur Not müsse das Land Zusatzschilder zur Umweltzone selbst gestalten.

Baden-Württemberg scheiterte damit auch mit dem Versuch, durch Nachrüstungen vieler älterer Motoren Verbote zu verhindern. Das Land dürfe sich bei der Luftreinhaltung nicht darauf verlassen, dass die Autoindustrie irgendwie handelt, erklärte Kern.

Außerdem hatte er bei der Verhandlung von Experten des Landes erfahren, dass die bisher von der Industrie angedeuteten Nachrüstungen am Neckartor - Deutschlands schmutzigster Kreuzung - im allerbesten Fall eine Verringerung der Schadstoffe um neun Prozent bringen würden. Und dies sei "von maximalem Optimismus getragen", so Kern - sowohl, was die Bereitschaft der Autobesitzer zur Nachrüstung angehe, als auch, was die technischen Möglichkeiten betreffe.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als Klägerin in dem Verfahren ist ihrem Ziel ganzjähriger und genereller Fahrverbote für Diesel nun einen Schritt näher gekommen. Das Urteil sei gut für alle Großstädte. "Es wird künftig nicht mehr möglich sein, die Luft in unseren Städten mit giftigem Dieselabgas zu verschmutzen", sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Das Signal an die Autobranche laute: "Es muss Schluss sein mit dem Verkauf schmutziger Diesel." Mit Blick auf den Diesel-Gipfel betonte er, dass Software-Updates nicht ausreichten. "Sie müssen es so machen, dass es funktioniert."

Autobranche am Zug

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sieht die Autobranche am Zug. Es sei höchste Zeit, "dass die Autoindustrie in eigener Verantwortung dafür sorgt, dass es nicht zu Fahrverboten kommt", sagte die SPD-Politikerin am Freitag in Hamburg. Die Industrie stehe an einem "Scheidepunkt" und habe das jetzt auch verstanden. Kommende Woche auf dem Diesel-Gipfel in Berlin würden mit einem Software-Update erste Schritte eingeleitet. Die Hersteller müssten "sehr rasch" angeben, wie sie selbst nachbessern wollten.

Einig waren sich in Stuttgart alle Beteiligten, dass die wirksamste Maßnahme für weniger Schadstoffe nicht nur hier die Einführung einer Blauen Plakette als Einfahrtsberechtigung in die Umweltzone wäre. Diese Plakette würden Dieselfahrzeuge nur erhalten, wenn sie die Abgasnorm Euro-6 erfüllen. Warum die schwarz-rote Bundesregierung diesen Wunsch auch anderer Großstädte nicht erfülle, sei nicht nur dem Land und der DUH, sondern auch dem Gericht schleierhaft, sagte Kern in der Verhandlung. Das Verhalten Berlins sei da "indiskutabel".

Dobrindt setzt weiter auf Diesel-Nachbesserungen

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt setzt ungeachtet des Urteils auf Abgas-Nachbesserungen bei Diesel-Autos. Wenn man die Möglichkeit habe, schnell an der Quelle den Ausstoß von Stickoxiden (NOx) zu reduzieren, spreche kein Argument dafür, es nicht zu tun, sagte der CSU-Politiker am Freitag in Berlin. Bisherige Erfahrungen mit verschiedenen Herstellern hätten gezeigt, dass mit solchen Software-Updates erhebliche NOx-Einsparungen zu erreichen seien. Dobrindt machte mit Blick auf die Kosten dafür klar: "Die Umrüstungen, die möglicherweise vereinbart werden, werden natürlich von der Autoindustrie zu finanzieren sein." Er bekräftigte sein Nein zu generellen Fahrverboten, die etwa über eine blaue Plakette umgesetzt werden könnten. "Ein Aufkleber auf einem Auto verändert nicht das Abgasverhalten eines Autos."

Die SPD verlangt vor dem Diesel-Gipfel weitergehende Zusagen der Autohersteller. Von der Industrie werde mehr erwartet als einfache Software-Updates, sagte Bundestagsfraktions-Vize Sören Bartol am Freitag: "Es darf keine Placebo-Lösungen geben, die keine realen Verbesserungen bringen. Es wird auch zu technischen Umrüstungen kommen müssen." Weil die Rolle des Diesels als Brückentechnologie zu alternativen Antrieben endlich sei, müssten die Autobauer auch bei der E-Mobilität auf die Überholspur kommen, meinte Bartol. "Wir brauchen neue Modelle, die den Bedürfnissen der Kunden entsprechen und bezahlbar sind." Beim Gipfel am 2. August sollen unter anderem Abgas-Nachbesserungen bei mehreren Millionen Autos vereinbart werden.

Die Grünen laden am Montag die Autobranche mit Verbraucher- und Umweltschützern an einen Runden Tisch. Die Fragen, vor denen die Autoindustrie stehe, seien gesellschaftlich und politisch, heißt es in der Einladung der beiden Fraktionschefs Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt, die der Deutschen Presse-Agentur am Freitag vorlag. "Der Dialog muss aber im Rahmen der gesellschaftlichen Erwartungen an die Mobilität der Zukunft und unter Einbeziehung der Gesundheit der Betroffenen organisiert werden", argumentiert die Fraktionsspitze der Grünen im Bundestag. Der Runde Tisch soll am Montag ab 11.00 Uhr im Bundestag stattfinden. Zu den Eingeladenen gehören nach dpa-Informationen Daimler-Chef Dieter Zetsche, der Chef der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, sowie der Chef der Verbraucherzentrale im Bund, Klaus Müller. (dpa)

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KOMMENTARE


Andreas

28.07.2017 - 12:44 Uhr

Interessant das da immer von giftigem Stickstoffdioxid die Rede ist! Sollte es wirklich so giftig sein, dann sollte sich der aufmerksame Beobachter doch die Frage stellen wieso noch kein verantwortlicher Politiker oder Beamter wegen fahrlässiger Tötung im Gefängnis gelandet ist. Wieso noch keiner der "Betrüger" der Automobilkonzerne wegen der deutlich überhöhten Abgaswerte ("Giftstoffe") verhaftet worden ist. Sie sitzen alle fest im Sattel und vergiften wissentlich Ihre Bürger bzw. Kunden. Was würde passieren wenn ein Bierhersteller jeder Flasche Bier eine kleine, nicht sofort tödliche Dosis Gift beimischen würde? Haft und Schadenersatzzahlungen!


wallibelli (E.Kühlwetter)

28.07.2017 - 13:35 Uhr

Wieso sind lt. Artikel nur ältere Diesel-Fahrzeuge betroffen. Inzwischen sind ja genügend EURO-6 Fahrzeuge geprüft, die mehr NOx ausstoßen als manche EURO 5 Fahrzeuge? Wenn das Gericht meint, Gesundheitsschutz geht vor Eigentumsschutz, muss das Fahrverbot für auch für "dreckige Euro 6 Diesel" gelten. Man könnte ggfls. alternativ die italienische Lösung umsetzen, in den wenigen Tagen mit Umweltalarm heißt es dann "Heute die geraden Endnummern morgen die ungeraden Endnummern". Denn Stuttgart hat ja zum NOx-Problem noch ein Feinstaubproblem, dafür stehen die DI-Benziner am Pranger, solange sie keinen Partikelfilter haben. Die sind inzwischen in D-Land seit Anfang dieses Jahrzehnts mit wachsendem Trend (2017 über 90% der neu zugelassenen Benzin-PKW) in der Mehrheit bei OTTO-Motoren.


RL

28.07.2017 - 21:55 Uhr

Herr Resch nimmt gern Spenden von Toyota in Empfang, fährt selber auch einen. Ein Schelm wer Böses dabei denkt. Schön wäre, wenn das Geld, das die DUH sich durch ständiges Abmahnen vom Handel holt, endlich mal der Umwelt zu Gute kommen würde. Aus meiner Sicht eine Frechheit, das diese Organisation sich Umwelthilfe nennen darf. Und so ganz nebenbei sollten sich alle, die Tesla derzeit so loben, bitte einmal die Umweltbilanz der Fahrzeuge betrachten.


Andy

28.07.2017 - 23:10 Uhr

Wer erinnert sich noch an das Elch-Test Debakel? Mercedes ging nach etwas Überlegungszeit in die Offensive und hat auf eigene Kosten (ohne Gerichtsurteil) nachgerüstet. Das kam bei den Kunden gut an. Jetzt Lug und Betrug seitens Winterkorn, Müller, Zetsche und Co., mittlerweile kann keiner mehr behaupten, dass die Konzernmanager von den Details der Motorsoftware nichts gewusst haben, wie auch, es gibt ja immer mehr Hinweise, dass die Techniker intern gewarnt haben, wer hat die Schummelsoftware dann wohl angeordnet? Liebe Hersteller, hört auf Euer und unser Grab zu schaufeln, indem Ihr Eure Kernkompetenz, den Verbrennungsmotor (mit dem zugehörigen Getriebe) mittels schützender Lobbyarbeit veralten lasst, anstelle ihn weiterzuentwickeln. Elektroautos kann schließlich jeder (in China, Indien, Brasilien und den USA) zusammenschrauben.Also, geht in die Offensive, rüstet die betreffenden Dieselfahrzeuge mit (funktionierendem!) SCR-Kat nach und eiert nicht so lange herum, bis das Bundesverfassungsgericht in D dem Diesel (und den in der deutschen Automobilindustrie Beschäftigten) den Todesstoß versetzt!


Dietmar Seyerle

29.07.2017 - 00:06 Uhr

In 10 Jahren werden die Geschichtsbücher von Städten im Süden Deutschlands erzählen die in den zuvor liegenden Jahren zu Dörfern geschrumpft sind.Inmitten dieser Dörfer werden verrückte Umweltaktivisten zwischenzeitlich von ihren Posten verjagt. - macht nur weiter so - DUH und Co - ihr kriegt es mit zweifelhaften Methoden hin, unser Land zurück ins Mittelalter zu katapultieren - dann könnt ihr wenigstens noch die Pferdehalter verklagen wegen der auf der Strasse massenhaft zurückgelassenen "Äpfel" - armes Deutschland...


Schönauen Franz - Josef

29.07.2017 - 10:59 Uhr

Ich bin nun mal gespannt wie diese Entwicklung weitergeht. Bis jetzt fühle ich mich von den Herstellern total im Stich gelassen. Ich erwarte von den Herstellern ein klares Signal wie Sie den Handel hier schadenfrei halten wollen in Punkto Umrüstung (wenn es dann so etwas gibt) oder beim Wertverlust der Fahrzeuge und bei den Leasingrestwerten. Wir verantworten den Vertrieb der zur Verfügung gestellten Fahrzeuge und den Service mit den vom Hersteller zur Verfügung bestellten Teilen.


Diesel

31.07.2017 - 10:31 Uhr

Jahre und Jahrzehntelang wird typisch grün in Stuttgart für mehr Radwege, Fußgängerampeln und andere stauverursachende nicht zu Ende gedachte Verschlimmbesserungen gekämpft - jetzt steht der Verkehr dank der Grünen immer mehr und plötzlich wundert man sich warum die Konzentration der Abgase im Stand höher ist - genial! Genauso gut zu Ende gedacht wie die E-Auto-Propaganda, die uns momentan bis zum Erbrechen verabreicht wird und tatsächlich behauptet E-Autos wären sauber - und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute und tanken Seifenblasen aus dem Traumland


hwb

07.08.2017 - 11:09 Uhr

Interessanter Artikel, noch interessantere Kommentare, keiner stellt hier die Frage, wer die willkürlich festgelegten Grenzwerte, durch welchen Lobbyisten auch immer souffliert, festgelegt hat. Wenn ein Richter sagt: „Das Verhalten Berlins sei da "indiskutabel"“, bezieht er sich auf eben diese willkürlich durch Minderheiten festgelegten Grenzwerte. Wenn Punktesysteme wie im Verkehrszentralregister bei ENTSCHEIDERN im Straßenverkehr so erfolgreich sind, sollten wir solche Punktesysteme auch allgemein für Entscheider in der Wirtschaft und in der Politik einführen, dann würden uns Bankenpleiten, HARTZ4, Atomkraftwerke und der Ausstieg aus deren Nutzung, die CO² Problematik, der E-Mobil Hype erspart bleiben. Dann müsste jeder ENTSCHEIDER in dieser Lobbyisten gesteuerten Politikwirtschaft sein persönliches Punktekonto im Auge behalten und die Entscheidungsqualität würde auch dort besser werden. Eine persönliche Haftung der Entscheider bei Erreichen der Höchstpunktzahl bietet noch mehr Anreiz als das Punktekonto selbst. Einführung einer Entscheider Haftung ist doch ein Thema, über das man erst nachdenken und dann hier diskutieren kann.


UE

07.08.2017 - 14:27 Uhr

@hwb: im Prinzip richtig gedacht. Nur: das Ergebnis wäre ein anderes als das von Ihnen verausgesagte! Es gäbe keine "besseren" Entscheidungen, weil die Politiker besser nachdenken würden. Es gäbe schlicht gar keine Entscheidungen mehr, weil jeder "Schiss" vor den Folgen hätte. Das Ergebnis wäre also Stillstand.


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