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Mustang Shelby GT500: Der heißeste Hengst im Stall

06.12.2019 06:00 Uhr
Typisch amerikanisch: viel Hubraum für viel Leistung.
© Foto: Ford

Mit der Premiere des elektrischen Mach-E hat Ford die Mustang-Welt gespalten. Manch einer fürchtet, dass eine Ikone auf dem Altar des Marketings geopfert wird. Die Sorge kann ihm mit dem dem neuen Shelby GT500 genommen werden.

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Von Benjamin Bessinger/SP-X

Normalerweise müssen einem die Jungs vom Valetservice im Intercontinental Hotel in Downtown Los Angeles leid tun. Denn viel Tageslicht sehen sie nicht dort unten in ihrer Tiefgarage und von guter Luft können sie nur träumen. Doch in diesen Tagen werden sie von allen Petrolheads beneidet und haben den besten Job der Welt. Denn während Ford oben gerade den Mustang als Mach-E in eine elektrische Zukunft schickt, zelebrieren die Amerikaner hier unten noch einmal die Vergangenheit in ihrer schönsten Form und stellen unter dem ohrenbetäubenden Lärm gieriger Achtzylinder den brandneuen Mustang Shelby GT 500 zur Testfahrt bereit.

Die Markteinführung des stärksten Mustang aller Zeiten kommt gerade recht. Denn der neue GT500 ist nicht nur eine Kampfansage an Konkurrenten wie den Dodge Hellcat und den Chevrolet Camaro ZL1 und ein ausgestreckter Mittelfinger im Gesicht aller Ferrari- oder Lamborghini-Fahrer. Schließlich bietet er eine ähnliche Performance wie ein Supersportwagen, hat aber einen nahezu lächerlichen Preis und kostet gerade einmal etwas mehr als 70.000 Dollar. Vor allem ist der Shelby Balsam auf die Wunden all jener Mustang-Fans, die im Mach-E das Ende der Legende sehen und ihren geliebten Achtzylinder nicht für einen Akku-Antrieb opfern wollen. Das eine tun, ohne das andere zu lassen – das ist die eigentliche Botschaft, die von diesem Boliden ausgeht. Und natürlich die vom kompromisslosen Fahrspaß. Und davon hat der neue GT500 mehr zu bieten als jeder Shelby vor ihm.

Herzstück des US-Helden ist ein Motor, wie ihn wohl nur die Amerikaner bauen können: Direkteinspritzung? Who cares! Zylinderabschaltung? Forget it! Downsizing? Shut up! Ein echter Mustang braucht einen V8-Motor, erst recht, wenn er den Namen von Werkstuner Caroll Shelby trägt. Zusammen mit den Erben des Vollgas-Helden, dem Hollywood gerade ein weiteres Denkmal für den Triumph über Ferrari in Le Mans gesetzt hat, haben sie dem 5,2-Liter großen Stahlblock einen riesigen Kompressor aufgepflanzt, die Leistung auf 771 PS gesteigert und so mal eben alle Rekorde aus den eigenen Reihen gebrochen. Selbst der legendäre Ford GT macht zumindest auf dem Papier gegen diesen Mustang keinen Stich.

Wenn man diesen Motor anwirft, dann ist es, als würden ein Vulkan ausbrechen und die Erde beben. Die Wände beginnen zu Wackeln, in den Pfützen bilden sich kleine Flutwellen und im Umkreis von vielen hundert Metern verstummen alle Gespräche – wenn der Mustang läuft, verstehen die Passanten ihr eigenes Wort nicht mehr und die Jungs vom Valet Service fühlen sie wie bei einem Heavy Metal-Konzert in der ersten Reihe.


Ford Mustang Shelby GT500 (2020)

Ford Mustang Shelby GT500 (2020) Bildergalerie

Allerdings ist das Vergnügen nur von kurzer Dauer. Denn der Mustang drängt aus dem Stall und stürmt die Rampe nach oben, als müsse er sich mit einer besonders lauten Zugabe verabschieden. Dort erwartet ihn erst einmal der Dauerstau von Los Angeles und er zeigt sich von einer überraschend sanften Seite. Ja, da Fahrwerk mit den rasend schnell adaptierenden Magneride-Dämpfern ist hart, aber im Komfortmodus orthopädisch unbedenklich, die Lenkung direkt, aber nicht nervös, und die siebenstufige Doppelkupplung beherrscht offenbar nicht nur die Holzhammer-Methode, sondern wechselt die Fahrstufen bei Bedarf auch mit Feingefühl. Selbst der heißeste Hengst im Stall ist ein überraschend gemütlicher Gaul und taugt zur Not sogar als Daily Driver.

Nur der Fahrer tut sich schwer mit der Zurückhaltung und freut sich an jeder roten Ampel über den Kavalierstart danach. Zu berauschend ist das Gefühl, wenn der Magen sich beim Kickdown zu einer Kugel krümmt und ganz schwer in den Schoß rutscht, weil ihn die Fliehkraft nicht ganz aus dem Körper treiben kann, und zu schön ist die Gänsehaut, die sich bei jeden Aufbrüllen des Achtzylinders auf das Trommelfell legt.

Und das ist nur das Vorspiel. Denn wehe, wenn die Straße mal etwas freier wird und der Finger im nach wie vor zu billig wirkenden Cockpit auf den Schalter für den Wechsel der Fahrprofile fällt. Dann spannt der Mustang die Muskeln an, stellt die Nerven scharf und kennt nur noch seinen Vorwärtsdrang: Er bäumt sich auf wie ein Rennpferd beim Start, schüttelt sich kurz und schießt dank seiner 847 Nm davon, als gäbe es kein Morgen mehr: Während der Motor ganz nah an den roten Bereich dreht und aus dem ruhigen Bollern ein wütendes Brüllen wird, erreicht der kräftige Klassiker in kaum mehr als drei Sekunden Tempo 100 und fühlt sich auch weit jenseits des amerikanischen Tempolimits noch so kräftig an, dass man ihm gut und gerne 300 Sachen zutrauen möchte.

Der Shelby hat auch querdynamisch Talent

Und einmal mehr erweist sich der aktuelle Mustang als ebenso ernsthafter wie ausgereifter Sportwagen. War das Pony Car früher nur auf der Geraden schnell und allenfalls auf dem Dragstrip ein Star, taugt er jetzt auch für jede Menge Kurven. Klar schwänzelt er bisweilen in bisschen mit dem Heck und ohne Traktionskontrolle kann man auch allein mit dem Gasfuß lenken. Doch wer sich auf den heißen Ritt einlässt, der endet nicht in der Hölle, sondern im siebten Himmel, so gut lässt sich der Gaul auch bei höchstem Tempo mittlerweile um die engsten Ecken führen. Spätestens nach ein paar Minuten fühlt man sich deshalb so wie Christian Bale alias Ken Miles am Steuer eines LeMans GT – nur dass man im Mustang mittlerweile etwas bequemer sitzt.

Doch während Bale 24 Stunden rasen durfte, geht dieser Ritt schon viel früher zu Ende und der Mustang muss zurück in den Stall. Dort rollt der Shelby mit knisterndem Auspuff und heißem Atem wieder in die Hotelgarage und lässt seinen fetten Bass über den Boden wabern, während er wie ein Sportler nach dem Wettkampf auf die Rückkehr des Ruhepulses wartet. Und immer wieder mischt sich in dieses Dunkel Grollen der verführerische Knall von etwas zu viel verbrannten Benzin. Die Jungs vom Valet Service genießen jede einzelne dieser Fehlzündungen. Schon möglich, dass mit Autos wie dem Mach-E die stickige Luft bei ihnen hier unten im Tiefgeschoss bald besser wird. Aber dafür wird es dann leider auch leiser, klagt einer der Mitarbeiter und freut sich umso mehr am letzten Gasstoß, den der Gast kurz vor dem Aussteigen noch schnell durch die Garage schallen lässt.

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KOMMENTARE


Peter Becker

07.12.2019 - 17:38 Uhr

Der wohl schöneste Anachronismus den dieses Jahr gebracht hat.


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