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Autoindustrie: Hadern mit dem Wandel

28.11.2019 12:05 Uhr
Autoindustrie: Hadern mit dem Wandel
Wer den Wandel in der Autobranche nicht mitgestalten kann, droht auf der Strecke zu bleiben.
© Foto: VW/AHO-Montage

Kaum ein Wirtschaftszweig prägt Deutschland so wie die Autobranche. Doch auf den Erfolgen der Vergangenheit können sich die Unternehmen nicht ausruhen. Die gesamte Mobilität ändert sich. Wer den Wandel nicht mitgestalten kann, droht auf der Strecke zu bleiben.

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Von Jan Petermann/dpa 

Schöne neue Autowelt: Surrende E-Mobile schaffen Hunderte Kilometer, CO2-neutrale Sammeltaxis drängen den Individualverkehr zurück, vernetzte Wagen warnen sich gegenseitig vor Unfallgefahren. Noch mag dieses Szenario zu schön klingen, um wahr zu sein. Der Strukturbruch der Branche zu E-Modellen, Digitalisierung und automatisiertem Fahren ist aber in vollem Gange - und hat nicht nur Gewinner. Gerade erst kündigte auch Audi einen Stellenabbau an. Auf viele weitere Beschäftigte dürften unruhige Zeiten zukommen.

1. E-Mobilität

Endlich raus aus der Nische? Ohne deutlich weniger Verbrenner und deutlich mehr Elektroautos kein wirksamer Klimaschutz - daran zweifelt kaum jemand mehr, zumindest wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Zuletzt zogen die Neuzulassungen reiner E-Fahrzeuge in Deutschland auch merklich an. Ihr Marktanteil bleibt aber einstweilen gering. Um das E-Auto massentauglich zu machen, beschloss die Bundesregierung höhere und längere Kaufprämien.

Peter Fuß, Branchenexperte der Beratungsfirma EY, hält diese Förderung für entscheidend: "Zahlreiche Modelle auch in niedrigeren Preisregionen werden Elektromobilität für neue Käufergruppen attraktiv machen." Aber auch die oft geringe Reichweite spielt eine Rolle. VW etwa versucht, mit dem ID.3 gegenzusteuern. Das Modell ist relativ günstig und fährt mit vollem Akku einige Hundert Kilometer.

Problem Nummer drei: das dünne Ladenetz. In den kommenden zwei Jahren sollen 50.000 neue öffentliche Ladepunkte entstehen. Damit das E-Auto alltagskompatibel wird und in Parkhäusern, Tiefgaragen sowie am Arbeitsplatz geladen werden kann, sind rechtliche Änderungen nötig.

2. Die Deutschen und Tesla - Jäger oder Gejagte?

Insgesamt scheinen die Hersteller die Dringlichkeit des Umbaus erkannt zu haben. Bei VW fließen bis 2024 rund 33 Milliarden Euro in die E-Mobilität. Ein eigenes Batteriezellwerk wird geplant, die Konkurrenz kauft zunächst weiter zu - BMW etwa vom chinesischen CATL-Konzern. Die Bayern - mit dem i3 einst Pionier bei E-Kleinwagen - halten sich die Entscheidung für eine dominante Antriebsform noch offen. Daimler setzt auf die Elektro-Reihe EQ mit dem SUV EQC und dem Minibus EQV.

Derweil macht sich US-Erzrivale Tesla am Berliner Stadtrand breit: In Grünheide soll eine "Gigafactory" mit bis zu 7.000 Jobs entstehen. Ab Ende 2021 sollen hier der Kompakt-SUV Model Y, Batterien und Antriebe gefertigt werden. Die deutschen Autochefs bemühen sich, die Kampfansage sportlich zu sehen: Der Innovationsschub nutze allen.

3. Vernetzung - "Made in Germany" gegen US-Tech-Giganten

Digitalisierung heißt weitere Automatisierung der Fertigung - besonders aber steigende Vernetzung von Funktionen im Auto selbst. Dieses wird zum rollenden Smartphone. Aus eigener Kraft können die Hersteller all dies kaum stemmen. Eine Idee ist zudem, künftig ganze Flotten zu steuern - samt Schnittstellen zu Abrechnungs-Software für Elektroautos. Es geht um ein umfassendes Online-"Ökosystem".

Die Autos der Zukunft kommunizieren außerdem untereinander sowie mit der Verkehrsinfrastruktur. Zulieferer wie Continental sind hier gut im Geschäft, doch die Konkurrenz aus den USA und China schläft nicht. Weitgehend offen ist noch, welche Datenschutz-Standards für die erwarteten riesigen Informationsmengen gelten sollen.

4. Jobängste und Neustart - Schattenseiten des Umbruchs

Ein allzu rascher Umstieg auf die E-Mobilität bereitet den Gewerkschaften Kopfzerbrechen. E-Antriebe haben nur einen Bruchteil der Komponenten, aus denen Verbrennungsmotoren bestehen - es fällt weniger, dafür aber hoch spezialisierte Arbeit an. Eine Analyse des Center of Automotive Research kam zu der Einschätzung, dass bis 2030 fast 234.000 Stellen bei Herstellern und Zulieferern in Deutschland wegfallen könnten.

Um die Mitarbeiter von der alten in die neue Welt mitzunehmen, legen die Firmen Qualifikationsprogramme auf. Parallel dazu landen Tausende Jobs der klassischen Verbrennerproduktion auf der Streichliste. Audi baut bis 2025 in Deutschland 9.500 Stellen ab, im Gegenzug sollen nur 2.000 Jobs in Bereichen wie E-Mobilität und Digitalisierung neu entstehen. Betriebsbedingte Kündigungen soll es aber nicht geben.

Bosch kappt ebenfalls viele Stellen. Bei Continental protestieren Beschäftigte gegen das mögliche Aus für Kollegen, die den Wandel von Hydraulik zu Elektronik nicht mitmachen können. Bis 2023 könnten die Umstrukturierungen hier 15.000 Jobs betreffen, 5.000 in Deutschland.

5. Autonomes Fahren - "Robo-Car" oder Entmündigung?

Eng mit der allgemeinen Vernetzung hängt die Entwicklung hochautomatisierter - und eines Tages autonom fahrender - Autos zusammen. Jedoch hinken die Deutschen US-Firmen wie der Google-Schwester Waymo weit hinterher. Das führt zu Bündnissen, die früher unrealistisch gewesen wären: Daimler und BMW kooperieren beim "Robo-Car" ebenso wie VW und Ford.

Aber auch hier stellt sich die Frage: Wollen hinreichend viele Kunden solche Systeme? Und: Fährt der Roboter wirklich sicherer? Die Debatten unter Autoversicherern und Ethikern, die das Dilemma von Entscheidungen bei Unfällen analysieren, haben gerade erst begonnen.

6. Neue Dienstleistungen - weg vom reinen Autobauen

Die Hersteller suchen ihr Heil in Geschäftsmodellen, die sie an der "Ökonomie des Teilens" mitverdienen lassen, etwa beim Carsharing. Daimler und BMW fanden mit ihren inzwischen zusammengelegten Angeboten Car2Go und DriveNow in den Zentren viele Nutzer. Volkswagen stellte seine Erstvariante Quicar in Hannover wieder ein und versucht, mit seinem "WeShare"-Ansatz entschlossener ins Carsharing mit E-Autos zu gehen.

Andere Dienste sollen die Autobauer ebenfalls zu Mobilitätskonzernen umformen. Beim Ridesharing nutzen mehrere Kunden dasselbe Fahrzeug. Auch Verkehrsunternehmen beteiligen sich daran - etwa beim Berlkönig der Berliner Verkehrsbetriebe oder Clevershuttle der Deutschen Bahn.

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KOMMENTARE


Erwin Tischler

28.11.2019 - 17:38 Uhr

Es soll nicht das Elektro-Auto gefördert werden, sondern die Wasserstoff-Technologie. Die Produktion von Wasserstoff mit umweltfreundlichem Strom von Windrädern in der Nordsee, die Herstellung von Wasserstoff in strukturschwachen Regionen in Norddeutschland, die Verteilung auf Tankstellennetze der Mineralölkonzerne, die Produktion von Elektroautos, die den Strom an Bord erzeugen - mit Wasserstoff! - das muss gefördert werden! Nur das schafft hohe Reichweiten, nur das schafft Arbeitsplätze, nur das schafft ein Zukunftsmodell für die Tankstellen, nur das bringt die deutsche Automobilindustrie in die Zukunft. Kürzlich waren die Chinesen in Japan und haben die Reichweite der Wasserstoffbetriebenen Elektroautos entdeckt, kaum zuhause, haben sie eine Arbeitsgruppe dafür eingesetzt! Das sollten Automobilhersteller, Mineralölkonzerne und Bundesregierung bedenken! Die reine Förderung von batteriebetriebenen Elektroautos ist zu kurz gesprungen!


Walter Meinck

28.11.2019 - 18:28 Uhr

An ihrem Artikel verstehe ich nicht, dass er unter der Überschrift 'Wandel' keinerlei Hinweise zur Mobilität durch Wasserstoff/Brennstoffzellen-Antrieb enthält.Sie erwähnen, dass lediglich BMW sich eine Entscheidung zu einer dominanten Antriebsform noch offenhält. Die große Brennstoffzellen-Initiativen aus Asien werden erst noch kommen. Sie erwähnten in einem früheren Artikel bereits, dass in China die Förderung von E-Fahrzeugen im nächsten Jahr eingestellt wird. Demnach will man auch dort den Wasserstoff-Antrieb nach vorne bringen.Dann sieht Deutschland, das sich mit dem Ausbau eines Ladenetzes herumquält, plötzlich ganz alt aus. Wir bauen seit 30 Jahren an einem Glasfasernetz und haben es noch nicht in der Fläche. Brennstoffzellen-Fzge. sind serienreif, wurden bereits vor 15 Jahren von der deutschen Auto-Industrie fertig entwickelt und landeten auf Druck der Mineralöl-Konzerne in den Schubladen. Jetzt will man diese Lücke hastig und übereilt mit der E-Mobilität schließen, von der völlig klar ist, dass es sich nur um eine Übergangs-Technologie handeln kann. Bitte, wer investiert denn als Unternehmer 6-stellige Beträge in ein kurzes Strohfeuer?


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