Der Smart #3 ist der zweite Smart der Neuzeit – immer elektrisch. Wir sind die "Sportversion" Smart #3 Brabus mit irrwitzigen 428 PS gefahren und waren sehr überrascht.
Smart hat mit Smart nichts mehr zu tun. Macht nichts. Oder doch? Denn die Lücke, die der 2,50-Meter-Smart-Fortwo hinterließ, schmerzt nicht nur Parkplatz-Fetischisten.
Denn das „Parkplatz-Privileg“ ist den neuen Smart-Modellen #1 und #3 (# = Hashtag) nicht mehr vergönnt. Der getestete #3 ist mit 4,40 Meter satt in der Kompaktklasse angekommen. Und natürlich ist der #3 ein Vertreter der SUV-Coupé-Klasse. Das Bürzelheck und die aerodynamisch optimierter Dachlinie vollenden das Design des mit einem cw-Wert von 0,27 nicht sonderlich windschlüpfigen #3. Per se scheint der Smart #3 zu gefallen. Leute gucken, drehen sich um und halten an. Selten, dass das bei der Fülle chinesischer Anbieter am Markt noch passiert. Und wer den Smart-Schriftzug liest, wundert sich doppelt.
Apropos Chinesisch. Der Smart wird nun auch im fernen Osten geboren. Geely gehört mittlerweile die eine Hälfte der Marke, die andere hat Mercedes-Benz (noch) behalten. Technisch sind die neuen Smart somit enge Verwandte des Polestar 02, Lynk & Co 01 und Zeekr 001 – alles sehr individuelle Modellbezeichnungen. Der Volvo EX30 ist ebenso einer der nächsten Verwandten.
Der Smart #3 Brabus verkauft sich solala
Die Technik des Smart ist also zigfach bewährt und könnte Vertrauen schenken. Ebenso die Marke an sich. Und dennoch verkauften sich die Modelle #1 (das Steilheckmodell Smart #1 im Test) und #3 im ersten Quartal 2024 mit zusammen knapp 2.600 Zulassungen nicht sonderlich glänzend. Das schaffte sogar noch der Tarraco und der war nie Bestseller bei Seat und ist an seinem Lebensende angekommen – ergo nicht mehr bestellbar. In der Welt der Elektroautos ist die Verkaufszahl wiederum nicht so schlecht. Ein HyundaiIoniq 5 wurde im selben Zeitraum 2.074 Mal zugelassen und damit sogar 26 Mal weniger als der Smart #1. Der neuere #3 braucht wohl noch etwas Anlaufunterstützung.
Unser Testwagen trägt den prestigeträchtigen Zusatz „Brabus“. Tuningfans kennen die Bottroper-Marke, die sich seit fast 50 Jahren auf die Veredlung von Mercedes-Modellen fokussiert und bereits früh die ersten Smart zu 2,50-Meter-Feuerkugeln pimpte. Die Verbindung besteht nach wie vor und aus den ehemals 100 Brabus-PS werden nun 428 Geely-PS. Denn motorseitig wurde der Smart #3 Brabus nicht verändert. Ein Volvo EX30 und Polestar 2 besitzen auf Wunsch den identischen Antrieb.
Wenig Maskerade im und am Smart#3 Brabus
Zu erkennen gibt sich der Brabus im Smart lediglich an Details wie roten Bremssätteln, Spoilerlippchen und Schwellern. Innen spendiert man diesem #3 ein Alcantara-Lenkrad und Zusatzeinblendungen im Infotainmentsystem. Die Sitze mit ihrem Stoff-Mix fühlen sich gut an und taugen auch für lange Strecken. Ein dickes B prangt auf den Kopfstützen des zu hoch montierten Gestühls. Ansonsten herrscht innen Mainstream-Tristesse mit hoher Mittelkonsole, vielen Ablagen und einem kühlbaren Fach unter der Mittelarmlehne. Das Beats-Soundsystem ist nicht nur bassstark, es impliziert auch den Blinkerton. Blinkt man rechts, kommt das Geräusch aus dem rechten Hochtöner, beim Linksblinken aus dem linken und beim Warnblinken aus beiden. Spielerei.
Smart #3 Brabus
Testwagenpreis: 50.990 € (brutto) Zwei E-Motoren | 315 kW/428 PS | 543 Nm 180 km/h | 3,7 s | WLTP 17,6 kWh/100 km | WLTP-Reichweite 415 km 66/62 kWh (brutto/netto) | Ladeleistung: AC 22 kW | DC 150 kW Maße: 4.400 x 1.844 x 1.556 mm Kofferraum: 370–1.160 Liter Versicherung: HK 18 | VK25 | TK21 Garantie: 3 Jahre/8 Jahre/160.000 km
Head-up-Display und Tacho im Brabus Smart
Keine Spielerei, sondern vielmehr sinnvoll ist das Head-up-Display, das zusätzlich zum informativen Kombiinstrument (Tacho) vor dem Fahrer positioniert ist. Warum im Smart Head-up und Tacho an Bord sind und im Volvo EX 30 nichts, erschließt sich einem nicht. Ebenso wenig erschließt sich uns der Sinn der Comic-Weltkugel in den Displays und des albernen Gepards, der sich immer wieder hinlegt, hinsetzt und aufrichtet. Galt es früher als erstrebenswert den Fahrer möglichst wenig abzulenken, bewegt sich in den Smart-Displays jederzeit irgendwas und man schaut unnötig oft dort hin. Hier wäre weniger (Ablenkung) deutlich mehr.
Gespart hat Smart indes am Fensterrahmen, denn die Türen sind rahmenlos. Das sieht schön aus, vor allem beim Öffnen der Tür mit geöffnetem Fenster. Kann man getrost machen, denn beim Smart schließen die Fenster beim Verlassen des Fahrzeugs selbstständig. Rahmenlose Türen haben jedoch ein Problem. Es scheppert beim Zuschmeißen der Pforten – so auch im Smart. Das Qualitätsniveau passt dennoch, sofern harte Kunststoffe kein KO-Kriterium sind und man gern Staub (in Ecken) wischt.
Nicht fertig: Die Assistenzsysteme im Smart #3
Kommen wir zu einem leidigen Thema, das einem das Autofahren abgewöhnen kann. Daran Schuld ist zum Teil nicht einmal der Smart, es sind vielmehr diverse EU-Vorgaben. Doch fangen wir bei der „User Experience“ an. 2024 rühmen sich sämtliche Hersteller damit, das Rad neu erfunden zu haben – hinsichtlich der Sprachbedienung. Smart tut das nicht. Aus gutem Grund wahrscheinlich. Denn die Sprachsteuerung des Smart schafft es nicht einmal, die Lenkrad- oder Sitzheizung zu aktivieren. Auch das Senderwechseln des Radios gestaltet sich als Glücksspiel. Sonderziele per Sprachansage? LOL.
Das bedeutet, dass man fast jedes Ziel per Tastatur eingeben muss. Doch Obacht, denn nach wenigen Sekunden mahnt die Fahrerüberwachung, dass man nicht aufmerksam sei – ach was. Die Assistenzsysteme sind eh ein Ding für sich: Nach jedem Anhalten, Tür öffnen, kurzem „Po heben“ und Wiedereinsteigen, müssen die Assistenzsysteme nach eigenem Gusto neu konfiguriert werden. Das können dann schonmal sechs Touchscreen-Ausführungen in drei verschiedenen Ebenen sein und insgesamt neun „Toucher“, denn bei einigen Systemen ist eine Bestätigung der Abschaltung notwendig. Fährt man nur in der Stadt, stören sie selten, lediglich der Frontalkollisionswarner reagiert auf parkende Autos und haut kurzzeitig die Bremse rein. Unwirsch agiert auch der Müdigkeitswarner, der rät auch mal nach zehn Kilometern zur Pause. Die Schildererkennung ist ähnlich zuverlässig wie in allen anderen Autos – oft also nicht. Bei Mittel-Leitplanken erkennt der Frontradar eine zusätzliche Fahrspur links, die dann im Kombiinstrument sogar mit fahrendem Auto dargestellt wird. ACC (Tempomat) funktioniert nur bis maximal 150 km/h.
Das nach wie vor wichtigste Assistenzsystem ist ESP. Umso mehr verdutzt der Menüpunkt „ESP aus“. Klar, es ist in Teilen deaktivierbar, was bei Schnee sinnvoll sein kann. Dazu muss ein Schieberegler ins Orangefarbene nach rechts gezogen werden. Doch die Text-Erklärung unter „ESP aus“ ermutigt eventuell, das öfters zu tun. So steht dort: „Verbessert das Fahrverhalten und verhindert den Kontrollverlust über das Fahrzeug“. Nochmals: darüber steht „ESP aus“. Apropos aus: Bei starkem Regen fallen die Assistenz-Systeme oft aus und sogar die Tempolimit-Anzeige quittiert damit ihren Dienst.
Auch unglücklich gelöst ist die Schriftgröße vieler Inhalte, die oft einfach zu klein ist, um beim kurzen Blick alles erhaschen zu können. Wer länger „sucht“, wird wieder ermahnt. Ein Klebebandstreifen kann helfen, die Gesichtsüberwachung dauerhaft zu deaktivieren. Nutzer von Apple Carplay werden sich vielleicht ärgern, dass der Beifahrer keine Möglichkeit bekommt, die Lautstärke anzupassen, sofern er zuvor nicht umständlich über einen kurzen Touch auf den oberen linken Rand des Displays ins Hauptmenü des Infotainmentsystems einsteigt. Da auch die untere Ebene zum Justieren der Innenraumtemperatur fehlt, kann man nicht einmal einfach so diese verändern – über die Sprache geht das übrigens auch nicht. Hier wäre eine feste Einblendung der Systemfunktionen sinnvoll. Unter dem Display befinden sich Stationstasten, leider wenig reaktionsfreudige. Das Dunkelschalten des Displays gelingt ab und an durch einen Doppelklick auf den „An-/Aus-Schalter“ und manchmal mit einem.
Top: 22-kW-Laden an Bord
Es gibt aber auch viele Punkte, die der Smart sehr gut macht. Und zwar beim Laden. So lässt sich der Ladestrom mittels Schiebregler begrenzen und kann daher sicher an 230-Volt-Steckdosen Strom beziehen, ohne eine Überhitzung der Steckdose zu verursachen. Er glänzt zudem mit dem 22 kW AC-Laden (gehört als Option in jedes E-Auto) und füllt den (brutto) 66 kWh große NMC-Lithium-Ionen-Akku (Nickel-Mangan-Cobalt)in unter vier Stunden. Ein Pro-Argument angesichts der Unsitte der Blockiergebühren, die auch dann einsetzen, wenn man aufgrund eines 11-kW-Onboard-Laders (haben die meisten E-Autos) auch mal sieben oder mehr Stunden an der Ladesäule verweilen muss und per se hohe Preise fürs Laden bezahlt.
Mit Ladeverlusten gelangen knapp 73 kWh in den Smart-Akku. Wer an einem HPC (High Performance Charger) lädt, kann auf eine maximale Ladeleistung von 150 kW vertrauen, bis 80 Prozent Akkustand (SoC) hatten wir im Mittel gut 100 kW Ladeleistung. Auf unseren knapp 2.000 Kilometern während des Tests, von denen etwa 1.400 auf der Autobahn absolviert wurden, kamen wir auf einen Fahr-Verbrauch von 22 kWh ohne Ladeverluste. In der City sind Werte von unter 17 kWh möglich. Um die vertrauenerweckende Restreichweite angezeigt zu bekommen, muss man im Lademenü den Button „Dynamisch“ drücken, serienmäßig ist „Standard“ eingestellt, dass nach dem Vollladen stets 420 Kilometer anzeigt, was sehr optimistische 15 kWh/100 km voraussetzt. Als Kritikpunkt muss sich Smart auch gefallen lassen, dass es keine Segelfunktion gibt und der Motor stets so stark Energie im Schubbetrieb rekuperiert, dass sich das Bremslicht einschaltet. Wem diese Stufe nicht reicht, der kann eine noch stärkere Rekuperation übers Menü aktivieren.
Leistung bis zum Abwinken
Somit kommen wir zum Antrieb. 428 PS stehen im Verkaufsprospekt. Im Fahrzeugschein sind als Dauerleistung 116 kW also 158 PS eingetragen. Kurzzeitig geht es aber phänomenal vorwärts und der Smart #3 Brabus erledigt den Standardsprint in 3,7 Sekunden. Standardmäßig startet der Brabus im Comfort-Modus. Dann ist das Gaspedal defensiv ausgelegt. Durchs „Betouchen“ des Fahrmodus-Schalters (Stationstaste) gelangt man über den Sport- zum Brabus-Modus. Wer sich „vertoucht“, landet bei Eco und wundert sich, dass wenig geht. Da sich der E-Antrieb im Brabus-Modus am besten dosieren lässt und auch ein Konstantfahren recht ruckelfrei möglich ist, ist das unsere Empfehlung für Landstraßen und Autobahnen. Warum auch die Brabus-Version bei 180 km/h begrenzt ist, bleibt ein Rätsel. Das schafft auch der Basis-Smart.
Außerhalb der Städte und deren oft fieser Betondecke fühlt sich der mit 20-Zoll-Alus ausgerüstete Brabus-Smart komfortabel an. Das nachschwingende „Hinterteil“ könnte jedoch Fondgästen sauer aufstoßen. Von Brabus-sportlicher Härte ist indes eher im Stadtverkehr etwas zu spüren. Vor allem der Vorderachse gelingt es selten, Geschmeidigkeit walten zu lassen. Die Lenkung ist zwar direkt, alles in allem fühlt sich das Set-up aber weniger nach Brabus und mehr nach Synthetik an.
Gar nicht Brabus-like ist der Preis, und das ist definitiv der größte Pluspunkt. Wenn man bedenkt, dass man bei Brabus, die mittlerweile auch Hand an Rolls Royce, Land Rover und Porsche anlegen, auch mal in den siebenstelligen Bereich rutschen kann, darf die 428-PS-Rakete, die im Standardsprint gegen eine 900-PS-Brabus-Mercedes-G-Klasse anstinken kann, als echtes Schnäppchen gelten. 51.000 Euro (brutto) kostet der Smart #3 Brabus. Extras? Nein. Das ist dann in etwa ein Zehntel des Preises der G-Klasse und da ist es verschmerzbar, dass die G-Klasse bei Tempo 180 noch 100 km/h schneller rennen darf als der Brabus-Smart.
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