Wer den Namen Lotus noch mit britischem Roadster-Purismus, Leichtbau und schwarz-goldenen Formel-1-Rennern in Verbindung bringt, sollte langsam umdenken. Lotus hat eine Wandlung vollzogen, wie sie größer und gegensätzlicher kaum sein kann. Im Besitz des chinesischen Geely-Konzerns, zu dem unter anderem auch Volvo, Polestar und Smart gehören, ist aus Lotus eine Luxusmarke geworden, die zwar mit dem Emira noch einen konventionellen Sportwagen mit Verbrenner im Programm führt, in diesem Jahr jedoch den Schalter komplett umgelegt hat. Devise: zukünftig nur noch Elektroantrieb.
Den Anfang macht seit wenigen Wochen der Eletre, ein sportlich geschnittenes SUV im Full-size-Format mit außergewöhnlich viel Leistung (bis zu 675 kW / 918 PS) und hoher Reichweite (bis zu 600 km), aber auch stolzem Preis (ab 95.990 Euro). Der Eletre ist so exklusiv positioniert, nicht einmal ein Audi Q8 e-tron oder ein Mercedes EQS SUV reichen da heran. Zudem hat sich Lotus auf die Fahnen geschrieben, egal in welchem Segment man antritt, stets das leistungsstärkste Modell anzubieten.
Lotus Emeya
BildergalerieLotus Emeya: Porsche im Blick
Jetzt folgt, auf gleicher Architektur, der zweite Streich, der Emeya. Lotus zielt hier mit der über fünf Meter langen, aber im Design gut proportionierten Gran-Turismo-Limousine auf Wettbewerber wie den Porsche Taycan, aber auch den Mercedes-AMG EQE. Da klingt es schon ein bisschen vermessen, wenn die Briten behaupten, mit dem Emeya, intern als „Hyper-GT“ bezeichnet, ein „breites Publikum“ ansprechen zu wollen. Immerhin wird auch hier ein Basispreis von rund 90.000 Euro aufgerufen.
Lotus wäre nicht Lotus, würde man nicht mit extremen Leistungs- und Fahrdaten aufwarten. Schon das Basismodell hat zwei Motoren mit jeweils 225 kW/306 PS. Im Topmodell sitzt auf jeder Achse sitzt hinten gar ein Elektromotor mit 450 kW. Macht in Summe 675 kW/918 PS. Es braucht keinen Nobelpreis in Physik, um zu erahnen, was diese Leistung selbst mit einer gut 2,3 Tonnen schweren Limousine anstellt. Null bis 100 km/h sind laut Hersteller nach nur 2,8 Sekunden abgehakt. Als Spitze werden 256 km/h angegeben. Nicht minder eindrucksvoll ist der Zwischensprint von 80 auf 120 km/h. Zwei Sekunden gibt das Datenblatt aus. Dies könnte den Fahrer leicht zu jener berühmten 100-Dollar-Wette animieren, die angeblich von Carroll Shelby aus den 60er-Jahren stammt. Auf dem Armaturenbrett seiner legendären AC Cobra befestigte er eine Banknote und der Beifahrer musste versuchen, sie während der Beschleunigung zu greifen. Schaffte er es, konnte er das Geld behalten.
Wie bei allen E-Autos sitzt auch im Lotus Emeya der Hochvoltspeicher im Boden und ermöglicht so einen niedrigen Schwerpunkt sowie eine für die Fahrdynamik sehr gute Achslastverteilung von 50:50. Zudem spendierten die Entwickler dem GT eine elektronische gesteuerte Luftfederung. Beste Voraussetzungen also für guten Langstreckenkomfort.
Autotest: Lotus Eletre
BildergalerieLotus Emeya: Akku mit 102 kWh Kapazität
Um hier nicht alle Nase lang halten zu müssen, steckt im Emeya ein Akku mit 102 kWh Kapazität, was für 600 Kilometer reichen soll. Und um die Pausen möglichst kurz zu machen, verdauen die Zellen dank 800-Volt-Architektur bis zu 350 kW an Ladeleistung. 150 Kilometer an "frischer" Reichweite verspricht Lotus innerhalb der ersten fünf Minuten an der HPC-Säule. 80 Prozent der Kapazität sollen in nur 18 Minuten aufgefüllt sein.
Ganz nach Tesla-Vorbild und wie schon im SUV Eletre dominiert auch im sehr puristischen Emeya-Cockpit ein Laptop-großer Bildschirm das Geschehen. Ein kleines, schmales Anzeigenfeld bleibt hinter dem Lenkrad, die Aufmerksamkeit des Fahrers dürfte sich ohnehin auf das Head-up-Display in der Windschutzscheibe konzentrieren. Hier werden auch Information über Augmented Reality eingespiegelt.
In einem Gran Turismo darf gute Musik nicht fehlen. Lotus spendierte dem Emeya ein zusammen mit KEF entwickeltes Dolby Atmos 3D-Soundsystem. Eine Fahrgeräuschunterdrückung soll zudem Außengeräusche auf ein fast nicht mehr hörbares Niveau reduzieren. Auch in Sachen Nachhaltigkeit will man bei Lotus nicht hintenanstehen. Im Emeya kommt daher unter anderem ein Garn aus Recycling-Fasern zum Einsatz, das aus der Modebranche stammt.
Lotus Flagship-Store München
BildergaleriePlatz im Innenraum bietet der Gran Turismo reichlich. Auch im Fond sitzen Erwachsene bequem. Wählen lassen sich statt der Rückbank auch zwei Einzelsitze, mit der Einschränkung, dass dann die Lehnen nicht umklappbar sind und der Kofferraum entsprechend klein bleibt.
Gebaut wird der Emeya wie der Eletre im chinesischen Wuhan. Hier betreibt die Mutter Geely ein Werk, in dem ausschließlich elektrische Lotus-Modelle gefertigt werden. Mittlerweile ist man vertriebsseitig in zwölf europäischen Ländern vertreten. Sogenannte Flagship Stores gibt es in Oslo, Amsterdam, Paris, London und München. Darüber hinaus noch 67 Standorte, deren Anzahl bis 2025 auf 105 erhöht werden soll. Ein kleiner Trost, doch wer Pech hat, muss zum Händler immer noch eine ziemlich lange Streck zurücklegen. Belohnt wird man dann wenigstens mit einem äußerst exklusiven Fahrzeug.