Früher galt die Regel, dass Coupés mehr Geld kosteten, aber weniger Auto boten als die entsprechenden Limousinen. Auch den Verzicht auf zwei Türen musste man Coupé-Käufern gar nicht erst schmackhaft machen, sie erwarteten das sogar. Heute sind die meisten "Coupés" SUV-Derivate und haben selbstverständlich ebenfalls vier Portale. Abgesehen von der abfallenden Dachlinie gibt es häufig keine oder nur wenige Unterschiede innerhalb der Modellfamilie. So verhält es sich auch beim ohne Förderung mindestens 46.515 Euro teuren ID.5 – der ist dafür sogar etwas länger als der ID.4. Gut, die anderthalb Zentimetern mehr sind eher vernachlässigbar, da entfaltet die zweieinhalb Zentimeter niedrigere Dachlinie schon mehr optische Wirkung – sie lässt das Auto nämlich gestreckter und damit athletischer scheinen. Das sportlichere der beiden elektrischen SUV aus Wolfsburg sieht gut aus.
Der Einstieg geht weitgehend gleich vonstatten wie beim ID.4. Wenig überraschend: Längst hat sich Volkswagen bei seinen ID-Baureihen vom klassischen Kombiinstrument verabschiedet. Stattdessen findet der Fahrer ein für sich stehendes Display vor seiner Nase mit großen Ziffern für das aktuelle Tempo – und das ist auch tadellos ablesbar. Dinge wie Reichweite in Kilometerangabe und Akku-Ladestand in Prozent bleiben ebenso dauerhaft sichtbar, beide Parameter sind schließlich nicht ganz unwichtig beim batterieelektrischen Auto.
Sinnvollerweise kann der User an dieser Anzeige nicht großartig herumkonfigurieren, er muss seinen Spieltrieb also woanders ausleben. Das geht am zentralen Touchscreen, auf dem sich die Fülle der Fahrzeugfunktionen recht intuitiv bedienen lässt. Viel besser beispielsweise als auf den haptisch nicht immer präzise rückmeldenden Lenkradtasten, über die auch der Tempomat angesteuert wird. Hier sollte Volkswagen nachbessern.
Aktiver Spurhalter greift harsch ein
Grundsätzlich gibt es an der Bedienungsergonomie nichts auszusetzen, allerdings dürften die Ingenieure ruhig einen Shortcut einrichten zur schnelleren Deaktivierung des aktiven Spurhalteassistenten, der im praktischen Einsatz doch eher störend ist mit seiner harschen Vibration im Lenkrad schon bei einem Hauch Abweichung von der Mittellinie. Das soll kein Plädoyer gegen Assistenz sein, aber nicht jede computerbegleitete Fahrfunktion ist im alltäglichen Gebrauch immer sinnvoll. Dagegen ist der aktive Tempomat samt autonomer Notbremsung ausdrücklich zu loben. Er steigert den Fahrkomfort massiv und letztlich auch die Sicherheit.
VW ID.5 und ID.5 GTX
BildergalerieApropos Bedienung: Die Nutzung des Startknopfs schenkt sich Volkswagen – sobald man auf der Sitzfläche weilt mit Schlüssel in der Hosentasche, ist der ID.5 bereit. Bremse betätigen und am rechten Lenksäulen-Element auf "D" drehen, dann kriecht das geräumige SUV-Coupé los.
Wir beginnen mit dem vorerst schwächsten Vertreter mit völlig ausreichenden 150 kW / 204 PS (47.550 Euro ohne Förderung) - die 128 kW / 174 PS leistende Variante startet später in den Markt. Allerdings ist der mit Heckantrieb ausgerüstete Allrounder mit 2,1 Tonnen Leergewicht derart schwer, dass er trotz Drehmomentfülle (320 Newtonmeter) zwar souverän, aber nicht sonderlich sportlich unterwegs ist. Wer den Vergleich zu einem etwa gleich starken Diesel zieht, dürfte das elektrische Exemplar dennoch als elastischer empfinden. Das Geheimnis liegt in der festen Übersetzung. Wechselgetriebe produzieren Zugkraftunterbrechungen, die fallen weg.
Volkswagen wäre nicht Volkswagen, hätten die Wolfsburger nicht noch eine schärfere Version in petto. Hierzu hat die Marketingabteilung ein historisches Kürzel hervorgekramt – ältere Zeitgenossen erinnern sich noch an die GTX-Versionen des Scirocco, bis ins Jahr 1989 mit 112 Pferdchen gebaut. Jetzt also wieder GTX – ID.5 GTX, um genauer zu sein, allerdings mit aufregenden 220 kW / 299 PS. Doch dürfte der eine oder andere Performance-Fan enttäuscht sein, wenn er den modernen GTX zu 53.615 Euro auf freier Strecke mit Schmackes in den 180 km/h-Begrenzer treibt. Der müsste sich dann sogar vom historischen GTX überholen lassen, schließlich steht dieser immerhin mit bis zu 204 km/h in den Papieren. Und vermutlich erklimmt dessen Tachonadel mit viel Anlauf die 220er-Markierung. Gutes Stichwort, 220 km/h hätte man dem elektrischen GTX schon gönnen können, wohlwissend, dass es sich um eine sehr deutsche Perspektive handelt.
Frappierende Querdynamik
Genießen wir den ausgewogen abgestimmten ID.5, der vor allem als GTX mit den beiden Elektroherzen dank elektronischer Schützenhilfe auch eine frappierende Querdynamik erlaubt und nicht nur geradeaus schnell kann (6,3 Sekunden von Null auf 100 km/h). Schön auch, dass er seiner menschlichen Fracht keine überbordenden Härten zumutet, sondern Bodenwellen durchaus geschmeidig überrollt.
Kurz nach der Idee, mit dem ID.5 auch und vor allem lange Strecken zurückzulegen - wofür er wirklich prädestiniert ist - kommt gleich die Frage auf, wie man wieder an frische Energie gelangt. Die größere Batterie mit 77 kWh ist obligatorisch, was mindestens 425 Kilometer WLTP-Reichweite für den GTX bedeutet und sogar 516 Kilometer für die einmotorige Ausgabe. Wichtig ist generell aber auch, auf die Ladezeit von fünf bis 80 Prozent Batteriefüllstand zu achten, empfiehlt Techniker Andreas Lange. Diese beziffert Volkswagen mit rund einer halben Stunde. Natürlich könne man hohe Ladeleistungen angeben, führt der Ingenieur aus, aber eine solche Angabe helfe dem Kunden nicht, wenn sie nur für einen kurzen Zeitraum erreicht werde. Allerdings verrät der Volkswagen-Ingenieur, dass der ID.5 auch mal die 170 kW packe an der Ladesäule, obwohl der Konzern bei der Werksangabe konservativ bleibt mit 135 kW – so würden die Kunden auch nicht enttäuscht. Wer möglichst effizient unterwegs sein möchte, sollte keinesfalls auf die 990 Euro teure Wärmepumpe verzichten, das entlastet die Traktionsbatterie, wenn Heizleistung gefragt ist. Zu viel wiederum sollte man sich von ihr aber auch nicht versprechen, denn bei gleichförmiger Fahrt auf der Autobahn fällt nur wenig Wärme ab.
Zwei echte Schmankerl bietet der ID.5 noch, von denen eines zumindest an Ort und Stelle getestet werden konnte: So lassen sich mühevoll durchgeführte Parkvorgänge abspeichern. Fährt man die zuvor markierte Stelle später wieder an, übernimmt der Assistent das Einparken selbsttätig. Nur Brems- und Fahrpedal müssen bedient werden. Das klappt sogar mit recht komplexen und verwinkelten Einparkmanövern, die die Anlage virtuos reproduziert. Späteren ausgiebigen Tests wird sich der EV-Routenmanager noch stellen müssen, der optimale Ladepunkte berechnet. Stranden wird man mit einem Elektroauto zumindest in Deutschland allerdings nicht mehr so leicht. Das liegt nicht zuletzt an den mittlerweile brauchbaren Reichweiten der Fahrzeuge, sondern auch am dichten Schnellladenetzwerk, das sich im europäischen Vergleich nicht verstecken muss.