Von Peter Maahn/SP-X
Alle Scheiben sind mit blickdichter Folie verklebt, erlauben keinen Sichtkontakt nach draußen. Es ist ein ungewohnt mulmiges Gefühl hinterm Lenkrad, so gar nichts wahrzunehmen von der Welt rund ums Auto. Die Aufgabe: Mit dem Seat Ateca ein paar hundert Meter zu fahren, dabei einige Gummihütchen zu umrunden und den neuen SUV schließlich wieder rückwärts in eine enge Parklücke dirigieren. Das alles nur mit Hilfe des Acht-Zoll-Farbmonitors im Zentrum des Armaturenbretts, auf dem Kamerabilder wie in einem Videospiel ablaufen. So etwa muss sich Captain Kirk gefühlt haben, wenn er per Fernbedienung eine Raumfähre an die "Enterprise" angedockt.
Eine nette Idee von Seat, die Fähigkeiten des neuen Ateca, der ab 19.990 Euro zu haben ist, zu demonstrieren. Leider aber ist die 360-Grad-Ansicht, die aus den Bildern von vier Kameras zusammengesetzt ist, nur in der teuersten Ausstattungsvariante zu haben, für die dann mindestens 27.600 Euro fällig sind. Trotzdem spricht der deutsche Seat-Statthalter von der "Demokratisierung der Technik", wenn er das Paket an lieferbaren Feinheiten beschreibt. Bernhard Bauer: "Der Ateca ist das fortschrittlichste SUV in der Kompaktklasse." Denn neben dem virtuellen Blick aus der Vogelperspektive aufs Auto stehen auch Stauassistent, halbautomatisches Einparken, Abstandsradar, Spurhalte- und Toter-Winkel-Warner und vieles mehr in der Preisliste. Viele der elektronischen Helfer waren bislang eher teureren Modellen der Premium-Hersteller vorbehalten.
Mehr Familienfreund als Naturbursche
Nun mischt also auch die spanische VW-Tochter Seat in der weltweit so begehrten SUV-Klasse mit. Die gefällige Form, schon bei der Premiere im Frühjahr in Genf ausführlich gelobt, verzichtet auf die anderswo übliche gestalterische Aggressivität, die sich meist in martialischen Frontpartien äußert. Der Ateca mischt Eleganz mit glatter Bravheit, ohne dabei zum Langweiler zu werden. Mehr großer Kombi als Geländemonster, mehr Familienfreund als Naturbursche fürs Grobe. Auch wenn er es dem künftigen Nutzer erlaubt, zuweilen die Sicherheit fester Straßen hinter sich zu lassen. Im Gelände ist er nicht verloren, solange er nicht über Hindernisse krabbeln oder durch allzu tiefes Wasser waten muss. "Wir rechnen damit, dass sich ein Drittel der Kunden für den Allradantrieb entscheiden werden", prophezeit Bauer. Die Mithilfe der Hinterachse kostet je nach Version rund 1.900 Euro extra.
Im Test-Ateca lockte zwar der 140 kW / 190 PS starke Zweiliter-Diesel, der dem Spitzenmodell vorbehalten ist. Die meisten Kunden werden sich aber mit dem gleichgroßen Triebwerk bescheiden, das sich mit 110 kW / 150 PS begnügt. Der Motor ist aus anderen Modellen des Wolfsburger Konzerns wohl bekannt. Er begnügt sich laut heftig umstrittener Norm mit 4,3 Litern auf 100 Kilometer. Wer denn will, kann auf der Autobahn die 200er-Marke knacken oder aber dank dieseltypischer Durchzugkraft gelassen durch die Lande cruisen. Fahrspaß bringt beides.
Wichtiger noch ist die Wohlfühlatmosphäre dank angenehmer Möblierung des Innenraums, dem guten Platzangebot auf allen fünf Sitzen und dem für die an sich bescheidene Länge von 4,36 Metern großzügigen Laderaum. Hinzu kommen Annehmlichkeiten wie das Koppeln von Auto und Smartphone, bei dem die vertraute Oberfläche zum Beispiel des iPhones auf den Bildschirm gespiegelt werden kann. Für gute Sicht – natürlich bei nicht verklebten Scheiben – sorgt auf Wunsch die Voll-LED-Technik der Scheinwerfer. Praktisch die ausfahrbare Anhängerkupplung, das Öffnen und Schließen der elektrisch betriebenen Hecktür mittels Fußwackeln unter der Stoßstange oder die Verkehrszeichenerkennung.
"Praktisch ausverkauft"
In Summe ein gelungener Einstieg des Spaniers in eine Fahrzeugklasse, die derzeit alle Verkaufsrekorde bricht. Zudem ordnet sich der Ateca perfekt in die SUV-Offensive des VW-Konzerns ein. Er ist der kürzeste, gefolgt vom VW Tiguan und dem kommenden Skoda Kodiac. Der Erfolg scheint programmiert. In nur zwei Monaten wurden 11.000 Ateca bestellt. "Wir sind für dieses Jahr praktisch ausverkauft", räumt Geschäftsführer Bauer ein. Im nächsten Jahr sollen rund 20.000 Ateca alleine in Deutschland verkauft werden. Und dann bekommt der Neuling noch ein kleines Brüderchen. Als erste Marke des Konzerns darf sich Seat dann in der Mini-Klasse unter den SUV tummeln und zum Beispiel einen Opel Mokka attackieren.