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Der etwas andere Fahrbericht: Unterwegs im Robo-Smart

28.12.2017 10:13 Uhr
Der etwas andere Fahrbericht: Unterwegs im Robo-Smart
Aufmerksamkeit garantiert: der Smart EQ in Tokio.
© Foto: Daimler

In Tokio gehen die Uhren anders. Erst recht in dieser Nacht. Denn um uns einen Eindruck vom Stadtverkehr der Zukunft zu geben, dreht Daimler die Uhr mal schnell zehn Jahre vor und entlässt den Smart Vision EQ von der Messebühne in die Wirklichkeit. Zumindest für ein paar Meter.

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Benjamin Bessinger/sp-x

Riiisikooo..... Erinnern Sie sich noch an den "Großen Preis" und die drei Kandidaten in ihren riesigen Glaskugeln? Ein bisschen so habe ich mich gefühlt, als ich jüngst mitten in der Nacht in Tokio zum ersten Mal im Smart Vision EQ Platz nehmen durfte und sich langsam die riesige elektrische Drehtür geschlossen hat. Auf einer Messe mag das ja noch angehen. Da wundern wir uns schon lange nicht mehr über futuristische Studien. Selbst wenn jetzt sogar der gute alte Daimler ein Robotaxi auf die Räder stellt, das bald elektrisch und autonom durch die Stadt flitzen soll und dabei funkelt wie eine Mischung aus Waschmaschine, Litfaßsäule und HD-Fernseher. Doch selbst, wenn die nächtlichen Straßen des Tokioter Stadtteils Akihabara mit denen von Hamburg oder Berlin nicht zu vergleichen sind, weil die Uhren hier am Hotspot der japanischen Manga-Kultur und Spiele-Industrie ein bisschen vorausgehen, fühlt es sich in der echten Welt noch einmal ganz anders an, wenn man zum ersten Mal in einem Auto ohne Lenkrad und Pedale sitzt. Kein Wunder, dass ich fast so nervös bin wie damals Wim Thoelkes "Große Preis"-Kandidaten, wenn sich vor der letzten Runde die Kugeln schloss und es ganz dunkel wurde im Studio.

Bei mir dagegen ist es taghell, obwohl wir schon tiefe Nacht haben. Draußen, weil Millionen Neonröhren die Dunkelheit in eine bunte Disco verwandeln. Und drinnen, weil der Smart blütenweiß ausgeschlagen ist, blaues Ambiente-Licht aus den Konsolen schimmert und dort, wo früher mal das Cockpit war, ein fetziges Musikvideo über den riesigen Monitor flimmert. Und falls sich auf die weißen Oberflächen doch mal ein Fleck verirrt, ist auch das kein Problem – wofür steckt schließlich am Rand er Sitzbank gleich ein Desinfektionsspray.

Kuscheln mit dem Teddy

Aber für solche Details hat man bei der Jungfernfahrt in der Stuttgarter Zeitmaschine erst einmal keinen Blick. Denn kaum ist die Tür zu und der Beckengurt eingeschnappt, beginnt sich der Smart ohne mein Zutun zu bewegen und ich fühle mich so hilflos wie auf einer Geisterbahn – nur dass es selbst hier in Akihabara hoffentlich nicht so viele Gespenster gibt. Und der Plastikteddy, den die Designer offenbar zur Beruhigung in den Fußraum gelegt haben, ist jetzt auch nicht gerade zum Fürchten. Im Gegenteil ist man versucht, in aus der magnetischen Halteschlaufe zu nehmen und ein bisschen mit ihm zu kuscheln, schließlich hat man ja jetzt plötzlich die Hände frei.

Dafür gibt es genau wie auf der Geisterbahn aber jemanden, der das Ganze steuert. Später, die Entwickler hoffen, in weniger als zehn Jahren, soll sich der Smart tatsächlich autonom durch den Stadtverkehr bewegen, seinen Weg zwischen den anderen Autos, zwischen Bordsteinen und Busspuren, Mautstationen und den induktiven Ladeplatten für die Lithium-Ionen-Zellen mit Radarscannern, Laseraugen und Car-to-Car-Kommunikation alleine suchen. Doch weil die Sensoren dafür gerade erst erprobt werden und noch so groß sind, dass sie eine V-Klasse füllen, ist die Jungfernfahrt durch Akihabara nur eine Simulation wie bei den Computer-Spielen, denen sie hier in den vielen Pajinko-Hallen bis in die Morgenstunden verfallen. Na immerhin ist der Elektroantrieb echt – aber der kommt mit seinen 60 kWh-Akkus für 155 Kilometer Reichweite und den 60 kW oder 82 PS an der Hinterachse für 130 km/h Spitze ja auch 1:1 aus dem Smart ED, den man schon heute kaufen kann. Und zwar in der zweiten Generation.

Von Geisterhand, mit schlauen Sensoren oder dank der freundlichen Hilfe eines umsichtigen Entwicklers – eigentlich will ich gar nicht wissen, wer hier Regie führt und wie sich der Smart bewegt. Denn erstens wissen wir spätestens seit "Lost in Tanslation", dass die Grenzen zwischen dem Hier und dem Heute in einer Nacht in Akihabara schon mal verschwimmen können. Und zweitens finde ich langsam Gefallen an der Zeitreise in der kleinen Knutschkugel: Während die anderen um mich herum nervös nach dem Verkehr schauen und sich Millimeter für Millimeter durch die Nacht kämpfen, kann ich während der Fahrt die Augen zu machen, durchs Internet surfen oder auf dem Gehweg nach Scarlett Johannson suchen wie seinerzeit Bill Murray. Und statt mich mit Händen und Füßen mit einem japanischen Taxifahrer zu verständigen, gebe ich meine Route einfach über das Smartphone ein, lasse mich vom Car2Go der Zukunft am Bordstein aufsammeln und am Ziel wieder absetzen, bevor die App gleich auch noch automatisch die Zahlung abwickelt.

Mitfahrzentrale von Morgen

Und weil der Smart Vision EQ im Geist der neuen Mercedes-Politik "Case" geboren ist, fährt die Zeitkapsel nicht nur connected, autonom und elektrisch, sondern sie ist auch "shared". Und zwar viel geteilter, als wir das heute von Car2Go kennen. Denn in der Vision der Daimler-Vordenker nutzt der Großstädter von morgen den Robosmart nicht nach- sondern miteinander. Deshalb bleibe auch ich nicht lange alleine, sondern schon nach ein paar Minuten ploppt auf dem Bildschirm das Foto von Yui auf, die im Manga-Kostüm durch die Nacht turnt und gerne ein Stück des Weges mit mir gemeinsam fahren möchte. Warum ich das alles weiß, obwohl ich keinen Brocken japanisch spreche und die Dame noch nie gesehen habe? Weil mich das Auto über meine möglichen Mitfahrer informiert, damit ich mir aussuchen kann, ob ich die Fahrt wirklich mit einem Mädchen wie Yui teilen will. Ob ich dafür gleich auch ihre Hobbies und ihre persönlichen Vorlieben kennen muss, weiß ich allerdings nicht. Wir sind ja schließlich nicht bei einer Dating-App, sondern nur bei der Mitfahrzentrale von Morgen. Wobei: Wer weiß, was der Abend noch bringt? Es muss sich ja keiner um den Verkehr kümmern. Warum habe ich bei diesem Gedanken plötzlich wieder Wim Thoelke und den Großen Preis im Ohr: "Riiisikooo".

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