Von Mario Hommen/SP-X
Der VW-Konzern hat zusammen mit Industriepartnern wie Eon, Gazprom und Total eine Initiative ins Leben gerufen, das darbende Erdgasauto in Deutschland auf Erfolgskurs zu bringen. In ihrer Absichtserklärung kündigen die Partner an, die Zahl der Erdgasfahrzeuge hierzulande bis 2025 auf eine Million zu verzehnfachen. Parallel soll das Tankstellennetz engmaschiger werden. Demnach wird sich die Zahl von derzeit rund 900 CNG-Tankpunkten in den kommenden acht Jahren mehr als verdoppeln. Was den Erdgasauto-Boom entfachen soll, hat VW in Hamburg auf den CNG Mobility Days genauer erläutert.
Ein wenig mag man sich über den überraschenden Vorstoß wundern, denn obwohl im Jahr 2002 der Steuersatz auf Erdgas als Kraftstoff – garantiert bis 2018 – abgesenkt wurde, dümpelt das Erdgasauto im Zulassungstief vor sich hin. Angesichts der eigentlich im nächsten Jahr endenden steuerlichen Förderung und einer schrumpfenden Auswahl an Modellen brach 2016 die Zahl der Neuzulassungen von Erdgasautos sogar regelrecht ein. Die Alternativkraftstoff schien eigentlich dem Ende geweiht.
Und jetzt drängt der VW-Konzern darauf, die Kehrtwende einzuläuten. Glaubt man dem Autobauer sowie den Partnern dieser Initiative – hier engagieren sich Energieversorger sowie Erdgas-Netz- und -Tankstellen-Betreiber – wird der alternative Kraftstoff dieses Mal zu einer ernsten Größe im deutschen Straßenverkehr. Einige jüngere Entwicklungen geben immerhin Anlass zur Hoffnung.
Steuerliche Förderung, moderne Modellpalette
Der wichtigste Schritt war im Frühjahr 2017 die Verlängerung der steuerlichen Förderung von Erdgas als Treibstoff durch den Bundestag. Nunmehr können Nutzer von Erdgasmobilen noch bis 2026 von günstigen Kraftstoffpreisen profitieren. Obwohl derzeit die Spritpreise sehr niedrig sind, erlaubt diese Subventionierung in etwa eine Halbierung der Kraftstoffkosten im Vergleich zum Benziner. Ab 2024 wird die steuerliche Förderung von Erdgas sukzessive abschmelzen, um 2026 anderen Kraftstoffen gleichgestellt zu werden. Trotz der Mehrkosten bei der Anschaffung, diese liegen zumeist bei 2.000 Euro, wird sich die Investition in ein Erdgasauto also auch in Zukunft nach einigen zehntausend gefahrenen Kilometern bezahlt machen. Sollten die Preise für Benzin und Diesel wieder auf das, vor wenigen Jahren noch sehr hohe Niveau zurückkehren, dürfte der finanzielle Anreiz für die Alternative Erdgas weiter steigen.
Darüber hinaus will VW mit einer modernisierten Erdgas-Modellpalette mehr Anreize schaffen. Derzeit bieten die Marken VW, Audi, Seat und Skoda zusammen 14 Erdgasmodelle an. Das Angebot reicht vom Kleinwagen über Familienautos bis zu Mittelklasse-Limousinen wie A4 und A5. Neben einem Saugmotor mit 68 PS bietet der Konzern zwei aufgeladene Ottomotoren mit 110 respektive 170 PS an. Stärkstes Aggregat ist derzeit ein 2,0-Liter-TFSI, der neben souveränen Fahrleistungen (bis zu 225 km/h) auch große Erdgas-Reichweiten von bis zu 500 Kilometer erlaubt. Im Vergleich zu früheren Erdgas-Modellen sind die aktuellen CNG-Mobile nicht nur effizienter und dynamischer, sondern auch sicherer. Statt der einst rostanfälligen und deshalb teilweise explodierenden Metalltanks werden heute Behälter aus Verbundkunststoff montiert. Wichtiger aber: In naher Zukunft will VW das Angebot modernisieren und ausbauen. Noch in diesem Jahr wird der Einliter-TGI, ein aufgeladener Dreizylinder mit 90 PS, im neuen Polo und Seat Ibiza verfügbar sein. Wohl 2018 dürfte außerdem der neue Sparmotor 1.5 TSI in einer Erdgasversion das Portfolio erweitern. Derzeit testet VW noch Prototypen und hält sich mit Details zurück, doch versprechen die Wolfsburger ein hohes Effizienzniveau und hohe Gasreichweiten. Die Leistung könnte um 130 PS liegen.
Ausbau des Tankstellennetzes?
Neue und bessere Modelle wird es geben. Ob allerdings der angekündigte Ausbau des Tankstellennetzes kommt, bleibt abzuwarten. Seit Jahren stehen in Deutschland gut 900 Erdgaszapfsäulen zur Verfügung, was eine eigentlich ausreichende, allerdings nicht sehr komfortable Abdeckung gewährleistet. Immerhin hat sich die Tankstellensuche dank Navis und Smartphones in den letzten Jahren vereinfacht. Die neuerliche Erdgas-Initiative kündigt nichtsdestotrotz einen Ausbau bis 2025 auf 2.000 Zapfsäulen an. Von den derzeit gut 900 CNG-Tankstellen bringt rund die Hälfte den Betreibern Verluste ein. Erst mit einer deutlich größeren Zahl von Fahrzeugen ist beim aktuellen Bestand ein kostendeckender Betrieb denkbar.
Der Bau neuer Versorgungspunkte, einer kostet zwischen 300.000 bis 400.000 Euro, will also gut überlegt sein. Auf eine expansive Strategie setzt die Total-Tochter Pitpoint in Deutschland, die derzeit noch eine überschaubare Zahl an Erdgas-Zapfsäulen unter anderem bei Star- und Aral-Tankstellen betreibt. Pitpoint will als Anbieter umweltfreundlicher Kraftstoffe wachsen und investiert deshalb auch in den Ausbau seines CNG-Netzes. Vor allem entlang wichtiger Fernreiserouten und den Metropolregionen will man neue Standpunkte betreiben. Etwas verhaltener gibt man sich beim Initiative-Partner Eon Gas Mobil, derzeit mit 90 Zapfsäulen Marktführer in Deutschland. Eon will bei seinen CNG-Standorten zunächst strategische Bestandspflege betreiben und erst bei steigender Nachfrage in neue investieren. Die Verdopplung der Erdgas-Zapfsäulen könnte also ein zäher Prozess werden. Interessant ist übrigens ein Vergleich mit Italien, wo sich das Erdgasauto deutlich erfolgreicher verbreitet hat. Hier gibt es etwa 1.000 Erdgas-Tankpunkte und rund eine Million Fahrzeuge. In Deutschland kommen auf ein vergleichbar großes Netz nur etwa 100.000 Autos.
Besonders positiv auf die neue CNG-Alternative reagiert man unter anderem bei Netzbetreibern wie Ontras Gastransport. Ontras ist unter anderem in Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern oder der Lausitz für die Gasversorgung verantwortlich. Bevölkerungsschwund und energetisch optimierte Häuser sorgen hier allerdings für eine sinkende Auslastung der Netze. Diesen Ausfall könnte eine zunehmende Nachfrage nach Erdgas als Treibstoff kompensieren.
25 bis 30 Prozent Klimagas einsparen
Profitieren soll vor allem auch die Umwelt von mehr Erdgasautos. Bei Stickoxiden, Feinstaub und vor allem beim CO2 wird dem Treibstoff eine vergleichsweise positive Bilanz nachgesagt. Laut VW kann man schon jetzt mit einem Erdgasauto 25 bis 30 Prozent beim Klimagas einsparen. Klimafreundlicher ist sogenanntes E-Gas, also aus Strom generiertes Methan. Dieses E-Gas produziert zum Beispiel Audi seit einigen Jahren selbst: Der Ingolstädter Autobauer betreibt ein paar Windräder in der Nordsee und wandelt den dort gewonnenen Strom in einer Power-to-Gas-Anlage in Methan um. Wer diesen Treibstoff tankt, senkt in der Gesamtbilanz den CO2-Ausstoß nochmals deutlich. Direktes Tanken von E-Gas ist allerdings nicht möglich. Kunden bekommen an den Zapfsäulen überwiegend fossiles Methan. Audi sichert im Gegenzug aber die entsprechende CO2-Reduktion, indem das Unternehmen die getankte Menge in Form von E-Gas ins Erdgasnetz einspeist. Bislang mussten E-Gas-Kunden 15 Euro für diese Dienstleistung zahlen. Künftig kann der Käufer eines G-Tron-Modells diesen Service in den ersten drei Jahre kostenlos nutzen. Attraktiv soll das Erdgasauto vor allem auch für Flottenbetreiber sein, die neben Kostenvorteilen auch von einer deutlichen CO2-Reduktion profitieren können.
Um weniger CO2 geht es aber auch dem VW-Konzern selbst. Ab 2020 drohen nämlich empfindliche Strafzahlungen, sollte der Autobauer die sich dann in der EU verschärfenden Kohlendioxid-Grenzen nicht einhalten, was angesichts der deutlich zurückgehenden Absatzzahlen von Dieselfahrzeugen und dem SUV-Boom als sehr wahrscheinlich erscheint. Insofern bietet jeder in die Vermarktung von CNG-Mobilen investierte Euro VW auch die Chance, an anderer Stelle zu sparen. Vor allem vor diesem Hintergrund scheint es plausibel und auch wahrscheinlich, dass das Erdgasauto mit VWs Segen eine zweite Chance bekommt.