"In fünf Jahren sind wir so weit." Wenn man die Protagonisten der Brennstoffzelle nach der Serienreife fragt, bekommt man immer die gleiche Antwort – und zwar seit mehr als zwei Jahrzehnten. Denn so lange schon tüfteln die Automobilentwickler an jener Technik, die Wasserstoff an speziellen Membranen so aufspaltet, dass Strom für einen E-Motor fließt und aus dem Auspuff nichts als Wasserdampf säuselt. Doch kaum einer hat sein Fünf-Jahres-Ziel gehalten. Im Gegenteil: Spätestens mit dem Aufstieg von Tesla hat der Abstieg der Brennstoffzelle begonnen und fast alle Autohersteller setzten im Rennen mit den Amerikanern mittlerweile allein auf die Batterie als mobilen Energiespeicher. So wurde die Brennstoffzelle noch vor dem Durchbruch vom Hoffnungsträger zum Auslaufmodell.
Ja, es gibt ein paar Ausnahmen: Toyota hat die Technik mittlerweile in der zweiten Generation des Mirai in Serie, Honda hat sie zwischenzeitlich im Clarity eingebaut und Hyundai verkauft sie im Nexo. Und auch im Schwerlastverkehr sowie bei den Stellantis-Marken und bei Renault brennt sie auf Sparflamme in den Transportern. "Bei uns geht es nicht um ein Entweder- oder zwischen Batterie- und Brennstoffzellenantrieb", sagt Lars-Peter Thiesen, der die Einführung bei Stellantis verantwortet, "sondern darum, den Batterieantrieb sinnvoll zu ergänzen und das Portfolio von Null-Emissionen-Technologien im Straßenverkehr zu erweitern. Kunden sehen wir zunächst insbesondere im Flottenbereich, wo kurze Betankungszeiten und hohe Reichweiten gefordert sind."
Doch wenn es um den Pkw geht, ist der Tenor allerorten der gleiche: Pionier Mercedes hat seine Testflotte ersatzlos eingestampft, die VW-Marken haben die Technik auf Eis gelegt und in Amerika kräht auch kein Hahn mehr danach.
"Das ist ein Fehler"
Da ist sich Frank Weber sicher. Er ist Entwicklungsvorstand bei BMW will die Brennstoffzelle doch noch aus dem Abseits holen. Nicht, dass er nichts ans elektrische Fahren glauben würde, sagt er mit Blick auf die "Neue Klasse", mit der die Bayern in zwei Jahren starten wollen. Doch die Lithium-Lieferketten seien zu fragil, der Bedarf zu groß und das Recycling noch nicht hinreichend geklärt, als dass die gesamte Autoindustrie allein auf Akkus setzen sollte. Vom ausreichend verfügbaren Grünstrom ganz zu schweigen.
Statt auf einem Bein alleine zu stehen und dann womöglich zu wackeln, will er parallel die Brennstoffzelle aufbauen und verbreitet deshalb jetzt mal wieder ein Fünkchen Hoffnung. Ja, auch diese Technik habe noch ein paar Hürden zu nehmen, räumt Weber ein: Denn selbst mit mittlerweile über 100 Tankstellen im Land ist die Infrastruktur noch längst nicht ausreichend und genügend grünen Wasserstoff gibt es bislang auch nicht. Doch der Einsatz seltener Rohstoffe sei um den Faktor 20 niedriger. Neue Tankstellen seien leichter zu bauen als leistungsfähige Ladenetzwerke. Und weil man Strom in großen Mengen schlecht speichern kann, kämen immer mehr Solar- oder Windfarmen auf den Trichter der Elektrolyse und würden so zu Lieferanten sauberen Wasserstoffs. Von den kürzeren Tankzeiten ganz zu schweigen. Schließlich sei ein Brennstoffzellen-Auto binnen weniger Minuten wieder voll, wo Stromer oft stundenlang an der Steckdose stehen. Und weil Autos mehr Überzeugungskraft haben als Argumente, lässt er jetzt den X5 zum iX5 Hydrogen umrüsten.
Wasserstoff: Champagner der Energiewende
Was BMW im Schulterschluss mit Entwicklungspartner Toyota und der Konkurrenz aus Korea für einen Ausweg hält, werten viele andere als Irrweg. "Eine schlechte Energieeffizienz mit grünem Wasserstoff, das nicht zu finanzierende Tankstellennetz für eine Massenmotorisierung und zu große Fortschritte bei Batterien und mit ihnen bei den Ladezeiten haben das Rennen für das batterieelektrische Auto entschieden", sagt etwa Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer.
Und dazu kommen offenbar noch die Kosten für den Treibstoff. Schon die Benzinpreise treiben den Verbrauchern die Tränen in die Augen und die Strompreise sind im Höhenflug. Doch Wasserstoff ist so etwas wie der Champagner der Energiewende, meldet das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe. Dort gehen die Experten davon aus, dass die Preise selbst 2045 noch so hoch sein werden, dass ein Einsatz als Kraftstoff im Straßen- und Schienenverkehr unwirtschaftlich bleibt. Zu den Gründen für die hohen Wasserstoffkosten zählt der Studie zufolge eine geringe Preiselastizität. Weil Stahlindustrie und Grundstoffchemie alternativlos auf große Mengen an H2-Gas oder wasserstoffbasierte Energieträger wie E-Fuels angewiesen sind, bleibt die Nachfrage auch bei hohen Preisen konstant. Der Preisdruck auf die Produzenten ist dadurch gering.
Brennstoffzellen-Fahrzeuge
BildergalerieFür die einen eine aussichtsreiche Alternative zur Batterie, für die anderen ein Auslaufmodell – ganz so leicht will es sich Andreas Radics mit der Brennstoffzelle nicht machen: "Angesichts unterschiedlicher Anforderungen an die Mobilität in den verschiedenen Weltregionen müssen sich die Fahrzeughersteller bei den Antriebsformen eine gewisse Bandbreite offenhalten", sagt der Partner des Münchner Strategieberaters Berylls, "und dazu gehört auch die Brennstoffzellentechnologie."
Allerdings dürften sich die Hersteller auch nicht verzetteln und müssten eine ganz klare kurz-, mittel- und langfristige Strategie verfolgen, die den Kunden Sicherheit gibt. Denn zu viele, zu früh und zu offen geführte Diskussionen rund um den Antrieb der Zukunft verursachten bei den Autokäufern große Unsicherheiten. "Sonst bekommen sie das Gefühl, das falsche Produkt zu kaufen, weil die Industrie ständig alternative Antriebe diskutiert", warnt der Experte.
Brennstoffzelle muss bezahlbar werden
Zwar hält Radics die Brennstoffzelle für eine denkbare Alternative. "Aber interessant wird sie erst, wenn sie bezahlbar und damit für den Massenmarkt tauglich ist." Dabei steht sie allerdings ständig im Wettbewerb mit dem batterieelektrischen Antrieb. "Und das wird ein enges Rennen", sagt Radics mit Blick auf deutliche Entwicklungsfortschritte. "Die Ladezeiten werden kürzer, die Reichweiten steigen und das Ladenetz wird dichter." Gerade die Infrastruktur sei für die Kunden extrem wichtig und könnte so zum Showstopper für die Brennstoffzelle werden. "Denn hier geht es nur Schneckentempo voran: Das Tankstellennetz ist völlig unbefriedigend und wird es bei den Zuwachsraten der vergangenen Jahre auch noch sehr lange bleiben."
Bei allem Optimismus tritt auch BMW-Chefentwickler Weber noch auf die Bremse. Die Bayern planen erst einmal nur eine Kleinserie von nicht einmal 100 Exemplaren. "Es passiert gerade unheimlich viel und wir wollen so weit sein, wenn die Zeit reif ist", rechtfertigt er die Entscheidung. Bis dahin wollen die Entwickler der Technik noch den letzten Schliff geben, die Einkäufer wollen die Kosten auf das Niveau eines batterieelektrischen Autos drücken. Und alle zusammen hoffen sie, dass es dann auch genügend grünen Wasserstoff und eine entsprechende Infrastruktur gibt. Wann es so weit sein könnte? "In der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts", sagt der BMW-Vorstand. Also – was für eine Überraschung – mal wieder in fünf Jahren.
German Baum