Keine Atempause im Dieselskandal: Neue Vorwürfe gegen die Tochter Audi ziehen den VW-Konzern noch tiefer in den Abgas-Sumpf. Audi habe eine "unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut", sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Donnerstag in Berlin. Durch die Software sei erkannt worden, ob Autos auf dem Prüfstand waren - nur dann wurde die Abgas-Reinigung voll angeschaltet. Wegen ähnlicher Vorwürfe wird weltweit inzwischen gegen etliche Autobauer ermittelt. Bisher war Audi in Deutschland kein illegales Austricksen von Emissionstests nachgewiesen worden.
Der Hersteller teilte mit: "Bei jüngsten Analysen (...) zeigten sich in bestimmten Situationen NOx-Überschreitungen zwischen 20 und 100 Prozent des Grenzwerts." NOx bezeichnet gesundheitsgefährdendes Stickoxid. "Grund ist, dass die Motordrehzahl in manchen Bereichen ungünstig von der Getriebesoftware beeinflusst wird", so Audi weiter. Das Unternehmen entschuldigte sich für die "Unannehmlichkeiten" und betonte, es arbeite eng mit den Behörden zusammen.
Der Rückruf der rund 24.000 betroffenen Fahrzeuge beginne voraussichtlich im Juli, kündigte Audi an. Davon seien 14.000 Autos in Deutschland zugelassen, der Rest in anderen europäischen Ländern. Dobrindt sagte, VW müsse bis zum 12. Juni Lösungsvorschläge zur Umrüstung übermitteln. Er habe bereits mit VW-Chef Matthias Müller gesprochen. Der Minister kündigte an, dass nun weitere Fahrzeuge des VW-Konzerns mit ähnlichen Motoren untersucht werden sollen.
Die Abgasaffären begannen im September 2015, als der Skandal um manipulierte Abgaswerte im VW-Konzern ans Licht kam. In den USA hatte VW deswegen Milliarden zahlen müssen. In Europa und Deutschland ist der Konzern aber der Auffassung, dass Abschalteinrichtungen in seinen Dieselmotoren gar nicht illegal gewesen sind. Das sieht Minister Dobrindt offenbar anders. "Gestern sind Auffälligkeiten bei Fahrzeugen der Modellreihe A8 und A7 mit V6- und V8-Dieselmotoren erkannt geworden", teilte er mit. Die betroffenen Fahrzeuge mit Motoren nach Abgasnorm EU5 seien zwischen 2009 und 2013 gebaut worden.
Industrie unter Verdacht
Auch diverse andere Hersteller stehen inzwischen unter Verdacht des Abgas-Betrugs. Zuletzt eröffnete die US-Regierung einen Rechtsstreit gegen Fiat Chrysler, US-Marktführer General Motors wurde von Dieselbesitzern verklagt. Auch auf den deutschen Branchenriesen Daimler hat die US-Justiz ein Auge geworfen, zudem durchsuchte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft kürzlich mehrere Standorte in Deutschland. In Frankreich wird gegen Renault und die PSA Group mit den Marken Peugeot und Citroën ermittelt.
Bei allen Ermittlungen gibt es einen gemeinsamen Nenner: Angebliche Abschalteinrichtungen und Diesel-Motoren. Die Diesel-Technik gerät dadurch immer stärker in die Image-Krise. "Es sieht so aus, als wären wir am Anfang von Ende des Diesels", sagt Experte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Immer mehr Unregelmäßigkeiten bei immer mehr Autobauern zeigten, dass Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die Autoindustrie auf Null schrumpfe. "Es gibt nicht ein Dieselgate - Dieselgate ist überall."
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kommentierte die Ausweitung des Abgas-Skandals mit den Worten: "Ich erwarte von allen Autoherstellern, dass sie sich endlich ehrlich machen." Die deutschen Hersteller sollten ihre technologische Kompetenz in die Entwicklung von umweltfreundlicheren Fahrzeugen stecken und nicht "auf Tricksereien richten". Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte, der Dieselskandal müsse lückenlos und konsequent aufgearbeitet werden.
Die Deutsche Umwelthilfe forderte Konsequenzen: "Allen betroffenen Fahrzeugen muss die Typzulassung entzogen werden", sagte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Audi solle neue Typzulassungen für diese Dieselautos nur bekommen, wenn die Wagen nachgerüstet werden. Wagen der Oberklasse seien trotz ihres hohen Preises "besonders schmutzig", kritisierte Resch. Technisch sei die Einhaltung der Abgaswerte kein Problem. "Es ist eigentlich unglaublich, dass ausgerechnet bei Fahrzeugen, die in der Preisspitze liegen, wegen ein paar hundert Euro Einsparung die Abgaswerte manipuliert."
Staatsanwaltschaft weitet Ermittlungen aus
Die Münchner Staatsanwaltschaft weitet ihre Betrugs-Ermittlungen gegen Audi nach den neuen Vorwürfen aus. Dabei geht es nun auch um Fahrzeugverkäufe in Deutschland und Europa, nicht nur wie bisher in den USA. "Wir haben das jetzt erweitert", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München II am Freitag. Mitte März hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung eingeleitet. Dabei ging es um Abgas-Manipulationen in den USA. Das Verfahren läuft weiter gegen Unbekannt, wie der Ermittler weiter sagte. Konkrete Beschuldigte im aktiven oder ehemaligen Audi-Management gibt es nicht. Ein Ende der Ermittlungen sei bisher nicht absehbar. (dpa)