Die Lichtgestalt Elon Musk hat es Herbert Diess angetan – nicht nur technologisch, auch finanziell eifert der VW-Konzernchef dem Tesla-Boss nach. Immer noch trennen mehrere hundert Milliarden Euro an Börsenwert die beiden Autohersteller.
Aber die Deutschen holten in den vergangenen Wochen auf, was auch mit hochfliegenden Plänen zum Ausbau der E-Mobilität und Aufbau eigener Batteriezellwerke zu tun haben dürfte. VW will demonstrieren: Wenn uns die Amerikaner in Berlin eine ihrer "Gigafactories" direkt vor die Nase setzen, legen wir mit fünf zusätzlichen Zellfabriken nach.
Prompt schnellte der Kurs der VW-Aktie empor. Auch zuvor war es für das Papier schon deutlich bergauf gegangen, wenngleich der Abstand zu den Kaliforniern vorerst groß bleibt: Am Freitag stand Volkswagen bei der sogenannten Marktkapitalisierung bei 135 Milliarden Euro, Tesla kam mit umgerechnet 517 Milliarden Euro noch fast auf das Vierfache.
Im Höhenflug
Dennoch: Ist jetzt der Knoten geplatzt für das Vorhaben von Diess, den Wert des zweitgrößten Autobauers der Welt erheblich zu steigern? Seit Anfang November legten die im Dax notierten Vorzugsaktien der Wolfsburger um mehr als 80 Prozent zu, vom Jahreswechsel gerechnet um die Hälfte. Damit überholte Volkswagen auch das zuletzt wertvollste Unternehmen im deutschen Börsen-Oberhaus, den Softwarekonzern SAP.
Der Tesla-Kurs hingegen gab seit Januar etwas nach – er hatte vorher allerdings auch eine Rally sondersgleichen hingelegt, seit Anfang 2020 beinahe mit einer Verachtfachung. Beim Börsenwert sahen die deutschen Autokonzerne VW, Daimler und BMW selbst zusammengerechnet immer mehr wie Zwerge aus. Und das, obwohl sie ein Vielfaches dessen an Autos verkaufen, was Tesla bisher auf die Straße bringt.
Bei Volkswagen kommt hinzu: Die Stammaktien haben noch mehr zugelegt als die breit gestreuten Vorzüge. Erstere sind die Aktiengattung mit Stimmrechten. Gut 53 Prozent werden vom mächtigen Porsche/Piëch-Clan kontrolliert, weitere 20 Prozent vom Land Niedersachsen, 17 Prozent gehören einem Staatsfonds aus Katar. Nur zehn Prozent sind Streubesitz.
Diese "Stämme", wie sie bei VW genannt werden, waren zwischenzeitlich doppelt so viel wert wie zum Jahresbeginn, aktuell verbuchen sie ein Plus von rund drei Vierteln. Die Marke von 100 Milliarden Euro Börsenwert hatte der Konzern Anfang März seit langem wieder einmal übersprungen. Diess hat als Zielmarke 200 Milliarden Euro ausgegeben.
Angeblich kauften sich jüngst vor allem US-Investoren bei VW ein. Der deutsche Autobauer soll dort auch bei Privatanlegern ein größeres Thema sein. Etliche organisierten sich laut Medienberichten in Foren von Reddit, die der Gamestop-Aktie ein wildes Auf und Ab bescherten.
Inzwischen fährt auch Tesla Gewinne ein, nachdem der Finanz-Hype aus Sicht mancher Kritiker lange nicht von der realwirtschaftlichen Basis gedeckt war. Diess will VW mit all seinen Größenvorteilen nun ebenso in die Ära des elektrischen und vollvernetzen Autos führen. Für neue Technologien waren bereits bei der letzten Finanzplanung im November 73 Milliarden Euro veranschlagt – China nicht inbegriffen.
Top-Management neu aufgestellt
Und der VW-Chef hat die Schlagzahl noch erhöht. Seit Mitte 2020 hat er – nicht ohne das in Wolfsburg übliche Rumpeln – das Top-Management von Marke und Konzern in weiten Teilen nach seinen Vorstellungen umgekrempelt. Er will auf verschiedenen Feldern durchstarten und Kosten sparen, auch wenn das chronisch Zoff mit Betriebsräten bringt.
An der Börse zumindest kommen solche Manöver gut an. Trotz Corona schaffte VW im vorigen Jahr zudem wieder einen Milliardengewinn, was signalisieren soll: Der Angriff auf Tesla ist in vollem Gange.
Auf der Suche nach ergänzenden Finanzmitteln treten alte Spekulationen frisch hervor, mit einem Börsengang der hochprofitablen Tochter Porsche ließe sich zusätzliches Geld einsammeln. Deren Finanzchef Lutz Meschke zeigte bei der Bilanzvorlage am Freitag durchaus Sympathien für entsprechende Planspiele. Den Vorteilen eines solchen Schritts könne man sich "nicht verschließen, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt". Die Entscheidung liege aber allein in Wolfsburg – Porsche könne hier nur Argumente liefern.
Peter Storch