Von Michael Specht/SP-X
Sein Trump-Tower liegt nur wenige Blocks entfernt. Für den US-Präsidenten wäre es somit ein kurzer Weg, der New York International Auto Show (NYIAS) einen Besuch abzustatten. Ob er wirklich plant zu kommen, ist nicht bekannt. Was er jedoch dort sähe, dürfte dem 70-jährigen Staatschef durchaus gefallen. Ford würde ihm stolz verkünden, dass man allein im Monat März über 80.000 Fullsize-Pickups der Baureihe F150 verkauft hat. Jeep hätte ihm mit dem Grand Cherokee Trackhawk das stärkste SUV der Welt präsentiert. Der Geländewagen, den ein Reporter des Nachrichtensenders Fox-News stolz "Trump-Car" nannte, trägt einen 6,2-Liter-Achtzylinder-Kompressormotor mit 717 PS unter der Haube. Das gleiche Aggregat, auf nunmehr 808 PS gesteigert, sitzt auch im Dodge Challenger Demon, ein Muscle Car reinsten Kalibers, ausgelegt besonders für die in Amerika beliebten Beschleunigungsrennen (Drag Racing).
Die wohl offensichtlichste Huldigung an den neuen US-Präsidenten liefert Toyota. Deren Mittelklasse-Limousine Camry, immerhin der meist verkaufte Pkw in den USA, ziert eine der amerikanischen Flagge nachempfundene Lackierung, bedruckt mit der großen Aufschrift "Made in America".
Wie gut in den USA Luxus und Leistung laufen, bekommt im Besonderen AMG zu spüren. Die Mercedes-Tochter, die in diesem Jahr 50 Jahre alt wird und ihrer Mutter einen Rekordabsatz nach dem nächsten beschert, bringt zwei Hochleistungsmodelle mit an den Hudson River. Die Affalterbacher PS-Profis packten den bekannten Vierliter-V8-Biturbo aus dem AMG-GT unter die Haube des Mittelklasse-SUVs GLC sowie des GLC Coupés. Und dürften damit sicher für etwas Nervosität bei ihren Mitbewerbern in München und Ingolstadt sorgen. Weder die kurz vor Serienstart stehenden Modelle BMW X3 M und X4 M, noch der Audi SQ5 können hier mithalten. "Wir bieten den ersten und einzigen Achtzylinder im gesamten Segment an", sagt AMG-Chef Tobias Moers. In Zahlen heißt dies: 476 oder 510 PS, je nach dem, für welche Variante sich der Kunde entscheidet. Moers verspricht eine Beschleunigung von nur 3,8 Sekunden von null auf 100 km/h. Das hat Porsche-Carrera-Niveau. Zu erkennen sind die beiden Power-SUVs hauptsächlich an ihrem sogenannten Panamerciana-Grill, den bislang nur die AMG-GT-Varianten tragen durften. Der Grill ist eine Hommage an die berühmten SL-Rennfahrzeuge aus den 50er-Jahren.
Bereits am Vorabend der Messe ließ Mercedes im angesagten Viertel Tribeca und unter striktem Fotografier-Verbot das Tuch von der komplett überarbeiteten S-Klasse ziehen. Nicht zuletzt wohl auch deswegen, um seinen US-Händlern wie prominenten Gästen einen Vorgeschmack zu geben, wohin es mit dem Flaggschiff zukünftig geht. Denn die offizielle Weltpremiere heben sich die Schwaben für die kommende Woche auf der Messe in Shanghai auf. Doch so viel sei verraten: Debüt haben die neu entwickelten Dreiliter-Sechszylinder-Reihenmotoren als Diesel und als Benziner, letztere sogar mit elektrischem Verdichter und 48-Volt-Teilbordnetz. Innen verfügt die S-Klasse nun über das riesige, jetzt durchgehende Display, wie es optional bei der E-Klasse erhältlich ist. Und es gibt deutlich mehr Assistenz, was das Thema Autonomes Fahren angeht. Von außen erkennt man die neue S-Klasse sofort an ihren dreifachen Tagfahrleuchten, von Spöttern auch „Admiralitätsstreifen“ genannt. Die Markteinführung der S-Klasse wird im Juli sein.
Riesen-SUV mit Trittbrett
Big Car, Big Money, Big Apple. Die Messe in New York nutzt Fords Premiummarke Lincoln für die Weltpremiere ihres Navigator. Das Riesen-SUV, bei dem fürs Einsteigen ein Trittbrett ausfährt, treibt ein 3,5-Liter-V6-Biturbo mit 450 PS an. Lincoln will zukünftig Luxus nicht mehr über das eigentliche Auto definieren, sondern über Zeit und Service. So kommt der Verkäufer mit dem gewählten Modell zur Probefahrt zum Kunden ins Haus oder ins Büro. Sollte später der Wagen zum Service oder zur Reparatur müssen, wird er abgeholt und dem Kunden auch wiedergebracht. Selbst ein Chauffeur lässt sich bei Lincoln bestellen, falls es beispielsweise zum Flughafen gehen soll.
Nicht ganz groß gibt sich die Studie von Subaru. Der Ascent ist ein Siebensitzer-SUV und soll nächstes Jahr das Flaggschiff der Marke werden. Klein geht es nur unterm Blech zu. Den Japanern reicht in 2,4-Liter-Vierzylinder-Boxer. Und dies, obwohl es einen 3,6-Liter-Sechszylinder im Portfolio gibt. Aber bis zur Serienversion kann sich ja noch einiges ändern. Der Ascent wird allerdings nicht nach Deutschland kommen.
Durchaus auch auf europäische Kunden fokussiert ist der Toyota FT-4X. Die SUV-Studie, entstanden in Kalifornien, spielt den coolen Outdoor-Aktivisten. Fürs spontane Übernachten in der Pampa haben die Designer sogar einen Schlafsack in der Mittelkonsole platziert. Ob aus der Studie FT-4X der nächste RAV4 wird, mochte uns Toyota auf der Messe nicht verraten. Aber zumindest erhält das Design mehr Ausdruck und Profil als dies derzeit der Fall ist. Das lässt hoffen.
Alternative Antriebe?
Das Nachsehen haben auf der NYIAS die alternativen Antriebe. Was wenig wundert, bei Spritpreisen von umgerechnet rund 50 Euro-Cents den Liter. Honda zeigt zumindest etwas Engagement mit dem Clarity. Die eigenwillig gestylte Brennstoffzellen-Limousine wird es ab Sommer auch als reines Batterie-Auto und später im Herbst als Plug-in-Hybrid mit einer elektrischen Reichweite von knapp 65 Kilometern geben. Bislang ist der Verkauf nur in den USA geplant.
Einen Trend meinen manche Branchen-Beobachter im sogenannten Station Wagon zu erkennen, bei uns profan Kombi genannt. Diese Fahrzeuggattung stand in den 50er- und 60er-Jahren auf Millionen von Garageneinfahrten und ist heute vom Markt verschwunden, komplett verdrängt von SUVs und Crossover-Modellen. Doch Versuch macht bekanntlich klug. Mercedes bietet die E-Klasse als T-Modell E 400 an, AMG das entsprechende Pendant als E63, Audi den A4 Allroad, BMW den Dreier Touring, Volvo den V90 und Porsche den Panamera Sport Turismo. Von amerikanischen Herstellern reagiert allein die GM-Marke Buick. Deren Modell Regal Tour X ist derzeit der einzige US-Kombi. Allerdings einer mit deutschen Wurzeln. Der Tour X wird in Rüsselsheim gebaut. Sein Schwestermodell heißt Opel Insignia Country Tourer.
Anmerkung: In einer früheren Version des Textes war der Toyota Camry falsch betitelt. Wir haben das korrigiert.
Wölfi