Mit einem eigenen Batteriewerk will der deutsche Autobauer Mercedes-Benz sich in den USA für die Ära der Elektromobilität rüsten. Rund eine Milliarde Dollar haben die Stuttgarter für den Ausbau ihrer Produktion am Standort Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama in die Hand genommen. Die Zellmontage gilt als wichtiges Puzzlestück des Strategieplans «electric only», mit dem der Konzern sein Geschäft auf elektrisches Fahren ausrichten will. "Die Eröffnung unseres neuen Batteriewerks in Alabama ist ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg zur vollelektrischen Zukunft", verkündete Mercedes-Chef Ola Källenius bei der Einweihung am Dienstag.
Künftig will Mercedes in Tuscaloosa die Elektromodelle EQE SUV und EQS SUV produzieren - Batterien sind hier von zentraler Bedeutung. Die Autobranche befindet sich im Umbruch, die Herausforderungen sind riesig. So fließen zum Erreichen der Klimaschutzziele Milliarden in E-Mobilität. Auch Mercedes hat sich viel vorgenommen: "Wir werden bereit sein, wenn die Märkte bis zum Ende des Jahrzehnts vollständig auf Elektroautos umstellen", versprach Vorstandschef Källenius schon im vergangenen Jahr. Schon 2025 soll der Anteil von vollelektrischen oder Plug-in-Autos bei 50 Prozent der Neuverkäufe liegen.
Bis Ende des Jahrzehnts will Mercedes - wo immer die Marktbedingungen es zulassen - vollelektrisch werden. Das lässt sich der Konzern viel Geld kosten: Zwischen 2022 und 2030 sind Investitionen von mehr als 40 Milliarden Euro in batteriebetriebene Fahrzeuge vorgesehen. Angesichts der ambitionierten Zukunftspläne ist der Konzern stark drauf angewiesen, den Bezug von Batterien abzusichern. Gemeinsam mit Partnern will Mercedes weltweit acht Fabriken zur Zellproduktion mit einer Gesamtkapazität von mehr als 200 Gigawattstunden errichten.
Noch nicht der ganz große Wurf
Eine dieser "Gigafabriken" soll auch in den USA entstehen. Doch die Eröffnung in Alabama verläuft zunächst getrennt von diesem Mammutprojekt. Das Werk in Bibb County bei Tuscaloosa ist Teil eines seit Jahren geplanten Netzes von weltweit neun Mercedes-Fabriken, die Batteriesysteme aus angelieferten Zellpaketen zusammenbauen. Laut Experte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research ist das noch nicht der ganz große Wurf: "Die Batterie fängt bei der Zellfertigung an und nicht bei der Montage von zugekauften Zellen."
Allerdings sieht Dudenhöffer Mercedes besser gerüstet als manchen Konkurrenten. "Mercedes stellt sich bei der zentralen Komponente des Elektroautos sehr strategisch auf", lobte der Branchenkenner. So dürfe es sich bei der Zellmontage in Tuscaloosa nur um einen ersten Schritt handeln, in Zukunft werde der Autokonzern deutlich mehr auf eigene Kompetenz setzen. Im September hatten die Stuttgarter den Einstieg in die Batteriezell-Allianz des internationalen Autoriesen Stellantis und des französischen Ölkonzerns Totalenergies verkündet.
In den USA gab Mercedes jetzt eine Partnerschaft mit dem Batterietechnikunternehmen Envision AESC bekannt. Die Firma solle die Produktion in Bibb County ab Mitte des Jahrzehnts mit Hochleistungs-Modulen aus einem neuen Werk in den USA versorgen. "Der Aufbau eines starken Partnernetzwerks für Batteriezellen ist Bestandteil unserer globalen Produktionsstrategie und markiert einen wichtigen Meilenstein auf unserem Weg zur CO2-Neutralität", erklärte Mercedes-Technikvorstand Markus Schäfer am Dienstag.
In Tuscaloosa ist Mercedes-Benz bereits seit 1995 vertreten. Das US-Autowerk war die erste große Pkw-Fertigungsstätte außerhalb Deutschlands. Die Fabrik hat traditionell eine große Bedeutung für das internationale Mercedes-Geschäft - hier werden die SUV-Modelle GLE, GLS und GLE Coupé hergestellt und an Kunden weltweit geliefert. Künftig sollen hier auch Modelle der E-Baureihe Mercedes-EQ vom Band rollen. Angesichts der starken Präsenz dürfte die Entscheidung, die Batterieproduktion in unmittelbarer Nähe des bestehenden Fahrzeugwerks hochzuziehen, dem Konzern leicht gefallen sein.
Alabama hat sich in den vergangenen Jahrzehnten - wie die südlichen Bundesstaaten von Texas bis South Carolina generell - zu einem wichtigen Produktionsstandort für die Autoindustrie entwickelt. Im Gegensatz zum traditionellen Branchenzentrum rund um die Autometropole Detroit in Michigan an der Grenze zu Kanada - wo die US-Schwergewichte General Motors und Ford sitzen - haben Gewerkschaften im Süden nicht viel zu melden. Angelockt von Zuwendungen der Lokalpolitik und günstigeren Produktionskosten haben sich dort vor allem ausländische Hersteller stark ausgebreitet.