Die Opel-Mutter PSA und Fiat Chrysler wollen mit einer Mega-Fusion der Krise in der Autoindustrie trotzen. Als künftig viertgrößter Hersteller der Welt mit hunderttausenden Mitarbeitern werde der neue Konzern zu einem "Hauptakteur" der Branche aufsteigen, wie die Unternehmen am Mittwoch in Paris und Turin mitteilten. Ziel sei, "an der Spitze einer neuen Ära nachhaltiger Mobilität zu stehen". Trotz Milliarden-Einsparungen sollen keine Werke geschlossen werden, betonte PSA-Chef Carlos Tavares, der Vorstandschef des neuen Konzerns werden soll.
Die Konzerne hatten sich bereits Ende Oktober auf offizielle Fusionsgespräche verständigt und damit Wirbel in der schwächelnden Branche ausgelöst. Nun unterschrieben sie eine Fusionsvereinbarung. Der Zusammenschluss muss noch von Wettbewerbsbehörden genehmigt werden. Auch die Aktionäre müssen noch zustimmen. Die Fusion soll laut Mitteilung in den nächsten 12 bis 15 Monaten umgesetzt werden.
Die Branche steht unter Zugzwang. Der Schulterschluss der Massen-Hersteller ist deshalb kein Zufall. Autobauer müssen Milliarden in autonome Autos und Elektromobilität investieren. Fiat Chrysler hat zudem besondere Probleme. Der italienisch-amerikanische Hersteller hatte unter der Führung des gestorbenen Sergio Marchionne auf große Investitionen in Elektroantriebe verzichtet. Derzeit ist der Konzern vor allem mit den großen Spritschluckern der Marken Jeep und Ram in den USA erfolgreich.
Sehr gute Möglichkeit für starkere Position
PSA-Chef Tavares, der als knallharter Sanierer gilt, betonte, die Fusion sei "eine hervorragende Gelegenheit, eine stärkere Position in der Automobilindustrie" einzunehmen. Es gehe darum, den Übergang zu einer "sauberen, sicheren und nachhaltigen Mobilität" zu meistern.
Der neue Verbund sieht sich in der Lage, in neue Techniken zu investieren. Man sei «"ehr, sehr" zuversichtlich, dass es mit den Wettbewerbsbehörden keine Probleme gebe.
FCA-Verwaltungsratschef John Elkann nannte die Fusion in einem Brief an die Mitarbeiter "einen Meilenstein". Es werde ein "neues und noch ehrgeizigeres Kapitel" in der Geschichte der Autoindustrie geschrieben.
Neuer Konzern beschäftigt rund 400.000 Menschen
Der neue Konzern werde zusammen rund 8,7 Millionen Fahrzeuge absetzen. Nur noch Volkswagen, Toyota und der französisch-japanische Renault-Nissan-Verbund sind größer als der neue Auto-Gigant. Der geplante Verbund kommt auf einen Jahresumsatz von knapp 170 Milliarden Euro und einen jährlichen Betriebsgewinn von mehr als 11 Milliarden Euro - ohne die Marken der Zulieferer Magneti Marelli und Faurecia. Beschäftigt werden nach früheren Angaben des französischen Wirtschafts- und Finanzministeriums rund 400.000 Menschen. PSA führt neben Opel die Marken Peugeot, DS und Citroën. Fiat Chrysler hat die Marken Alfa Romeo, Chrysler, Dodge, Jeep, Lancia oder Maserati im Angebot.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer erwartet negative Auswirkungen für Opel und die britsche Schwestermarke Vauxhall. "Das wird die Marke noch mehr unter Druck setzen, denn Alfa und Jeep sind nun die Premiumsparten der Gruppe und nicht mehr Opel. Es wird ein hartes Restrukturierungsprogramm geben, vor allem in Europa", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. PSA selbst bezeichnet DS als Premiummarke, aber nicht Opel. Stellenstreichungen in großem Stil seien zu erwarten, meinte Dudenhöffer. "Meiner Meinung nach sind 10.000 Mitarbeiter zu viel an Bord (...). Die neue Gruppe braucht keine Entwicklungszentren in Rüsselsheim, Paris, Italien und in den USA. Die größten Verlierer werden Ingenieure bei Fiat, Peugeot und Opel sein."
Entstehung eines schlagkräftigeren Konzerns
Opel-Chef Michael Lohscheller bewertet den Zusammenschluss hingegen positiv. Es entstehe ein noch schlagkräftigerer Konzern, das biete auch für Opel viele Chancen. "Wir werden auch in dem neuen, größeren Konzern die einzige deutsche Marke sein und für deutsche Ingenieurskunst stehen", sagte er.
Angestrebt wird ein Zusammenschluss "unter Gleichen" mit einem ausgewogen besetzten Verwaltungsrat. Der designierte Vorstandschef Tavares (61) trimmt seit rund zwei Jahren die frühere General-Motors-Tochter Opel auf Gewinne und Effizienz. Der 43 Jahre alte Elkann wird auch im neuen Unternehmen Verwaltungsratschef. Er ist der Enkel das legendären Fiat-Bosses Giovanni "Gianni" Agnelli (1921-2003) und Ururenkel des Fiat-Gründers Giovanni Agnelli senior (1866-1945). Das italienische Traditionsunternehmen war 2014 in Fiat Chrysler Automobiles (FCA) aufgegangen.
FCA-Chef Mike Manley erinnerte daran, dass beide Unternehmen schwierige Zeiten durchgemacht hätten und nun zu "agilen Konzernen" aufgestiegen seien. Die Fusion soll Spareffekte von 3,7 Milliarden Euro bringen. Die Effizienzgewinne, die sich etwa aus Einsparungen beim gemeinsamen Einkauf ergäben, lassen sich nach vier Jahren zu 80 Prozent heben. Wie die neue Firma mit Sitz in den Niederlanden heißen soll, soll in den kommenden Monaten entschieden werden.
Es ist vor allem das gut ausgebaute Vertriebsnetz in Nordamerika, das FCA in den gemeinsamen Konzern einbringen kann. Es dürfte den Markteinstieg von Peugeot in Amerika erheblich erleichtern. PSA ist dafür in Europa stärker. Auch bei der Entwicklung von Hybrid- und Batterie-Fahrzeugen sind die Franzosen weiter.
Zweifel am schnellen Durchbruch
Branchenfachmann Dudenhöffer zweifelt aber am schnellen Durchbruch bei neuen Technologien. "FCA hat derzeit überhaupt keine Kompetenz in Elektromobilität, und PSA-Opel lernt gerade, wie ein Elektroauto aussieht." VW habe da etwa genauso wie die chinesischen Hersteller Geely und Great Wall oder der südkoreanische Konzern Hyundai-Kia fünf Jahre Vorsprung. "Die neue Gruppe wird mit Blick auf die Technologie in den nächsten zehn Jahren sicher nicht an der Spitze stehen." Ein Opel-Sprecher teilte dazu am Abend mit, der Hersteller habe das Elektroauto Ampera-e im Angebot, und seit Kurzem auch den Corsa-e und den Grandland X Hybrid.
Der französische Staat, der Anteilseigner bei PSA ist, zeigte sich dennoch zuversichtlich. "Die Vereinbarung von PSA/FCA ist eine sehr gute Nachricht für Frankreich, für Europa und für unsere Automobilindustrie", sagte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire. Der mächtige Ressortchef erinnerte an die Bedingungen des Staats. So müssten alle industriellen Standorte im Land erhalten bleiben. Ein geplanter Zusammenschluss von FCA mit dem französischen Hersteller Renault war im Juni gescheitert - Frankreich hatte damals den Vorwurf politischer Eingriffe zurückgewiesen.
Auch der italienische Finanzminister Roberto Gualtieri war zu PSA/FCA positiv gestimmt. Die Regierung im Rom werde aber die Auswirkungen unter anderem auf Stellen und Investitionen genau verfolgen. (dpa)
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